Von Li Yafang und Zheng Wenhua
„Für Westchina bringt Chinas Beitritt zur WTO nicht nur Vorteile
mit sich. Wir müssen Vor- und Nachteile nach dem WTO-Beitritt einer
genauen Beobachtung unterziehen, wobei wir weder zu optimistisch
noch zu pessimistisch sein dürfen. Die WTO bietet Westchina die
Chance einer freien, fairen und transparenten
Entwickungsmöglichkeit. Wir müssen diese Chance nutzen“, sagte Du
Ping, Leiter des Forschungsinstituts für Bodenerschließung und
regionale Wirtschaft der Staatlichen Kommission für Planung und
Entwicklung während eines Interviews mit Korrespondenten des
Internetportals china.org.cn auf dem Forum über Provinzen
Westchinas während der Asien-Pazifik-Wochen in Berlin. Das
Interview verlief wie folgt:
China.org.cn: Betrachtet man die Inhalte der Asien-Pazifik-Wochen,
so existiert für das Forum über Provinzen Westchinas kein
festgelegtes Programm. Erzählen Sie uns bitte Näheres zu diesem
Forum.
Du
Ping: Ursprünglich hatten die Organisatoren der
Asien-Pazifik-Wochen nicht die Absicht, ein Forum über Provinzen
Westchinas zu organisieren. Doch dann initiierten das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung und die Deutsche Gesellschaft für Technische
Zusammenarbeit (GTZ) ein Forum mit dem Thema „Probleme Westchinas
angesichts Chinas Beitritt zur WTO“. Ziel war es, sowohl Deutsche
als auch Chinesen über die von der GTZ in China geleistete Arbeit
zu informieren. Auch die Chinesen hofften, mit diesem Forum das
Interesse der Deutschen für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit
Westchina zu wecken. Ziel dieses Forums war de facto ein
Informationsaustausch zwischen China und Deutschland.
China.org.cn: Wofür werden sich die Deutschen Ihrer Meinung nach
auf diesem Forum interessieren? In welchen Bereichen haben Deutsche
und Chinesen in Westchina zusammengearbeitet?
Du: Viele Deutsche wissen kaum etwas über Westchina und verstehen
deshalb auch nicht, warum sich die chinesische Regierung zu einer
Erschließung der Gebiete Westchinas entschlossen hat. Grund dafür
ist, daß in deutschen Medien wenig darüber berichtet wird. Ich
denke, die folgenden Fragen werden für die Deutschen von großem
Interesse sein: Welches Ziel verfolgt China mit einer Erschließung
seiner westlichen Gebiete? Welche Maßnahmen hat China bisher
ergriffen? Welches sind die Ausgangspunkte einer Kooperation
deutscher Unternehmen und Banken mit China?
Die GTZ hat bereits die Zusammenarbeit mit China aufgenommen. Es
ist jedoch das erste Mal, daß ein Diskussionsforum über die
Ressourcenerschließung von Arbeitskräften, Umwelt und privaten
Investitionen Westchinas abgehalten wird. Ich finde, daß sich
Deutschland sehr für die Erschließung Westchinas interessiert.
Westchina ist reich an Kohlenressourcen, deshalb werden deutschen
Unternehmen auf diesem Forum die Energieressourcen in Westchina
vorgestellt und letztendlich mehr Investitionen nach Westchina
fließen. Im Vergleich zu anderen Ländern will die deutsche
Regierung dem Empfängerland technisches Know-How anbieten, anstatt
in ein bestimmtes Produktionsprojekt zu investieren. Auf diese
Weise können nicht nur Qualifikation der Arbeitskräfte und
Bildungs- und Technologieniveau Chinas verbessert werden, als auch
die deutschen Unternehmen in China Entwicklungsmöglichkeiten
ausfindig machen.
China.org.cn: Worüber werden Sie als Experte auf diesem Forum
sprechen?
Du: Heute werde ich hauptsächlich über Chancen und Risiken, mit
denen Westchina nach dem WTO-Beitritt konfrontiert sein wird,
sprechen. Anfänglich herrschte teilweise die Ansicht, daß es sehr
schwierig sei, die westchinesischen Gebiete zu entwicklen,
insbesondere angesichts des großen Wettbewerbs nach Chinas
WTO-Beitritt. Allerdings fordert die WTO ihre Mitglieder auf, sich
an die Prinzipien der Gleichberechtigung, Transparenz und der
Gleichbehandlung von Untenehmen im In- und Ausland im Rahmen des
Gesetzes zu halten. Angesichts dieser Gegebenheiten werden die
rückständigen Gebiete, meiner Meinung nach, nicht immer in ihrer
schwachen Position bleiben. Auch Westchina wird von den folgenden
vier Bereichen profitieren:
1.
Nach dem WTO-Beitritt wird sich der westchinesische Markt noch
weiter öffnen und mehr Geschäftsleute anziehen. Dadurch wird das
indirekte Einkommen der lokalen Bevölkerung steigen, da die
Konsumenten unter den Bedingungen eines fairen Wettbewerbs mit
gleichen Geldmitteln mehr Dienstleistungen erhalten können. Es
mangelt den westlichen Gebieten momentan jedoch an einem
reichhaltigen Angebot und einem Konkurrenzverhalten zwischen den
Unternehmen, auch ist das Einkommen der lokalen Bevölkerung
weiterhin niedrig. Mit einer Öffnung des Konsumgütermarkts
Westchinas wird auch die Auswahl an Waren reicher und die
Konsumenten werden unter der Bedingung der gleichen Kaufkraft mehr
Dienstleistungen erhalten können.
2.
Nach dem WTO-Beitritt wird sich der westchinesische Markt für den
internationalen Markt öffnen, was die Umgestaltung zahlreicher
traditioneller chinesischer Unternehmen ermöglichen wird,
insbesondere derer, denen in Westchina eine bedeutende Stellung
zukommt, wie Unternehmen der Energieindustrie, der
Verarbeitungsindustrie für Agarhilfsprodukte, der Bergbauindustrie
und der Biomedizin.
3.
Der WTO-Beitritt wird eine Bewußtseinsveränderung der Menschen in
Westchina beschleunigen. Während dieses Prozesses werden es die
Menschen anfänglich noch schwer haben, später aber wird ihr
Vertrauen in die Zukunft gestärkt sein. Für die Rückständigkeit
Westchinas gibt es zahlreiche Ursachen, wichtigste Ursache ist die
nur langsame Entwicklung in Richtung Öffnung. Chinas WTO-Beitritt
wird sowohl für die chinesische Regierung als auch für die Bewohner
Westchinas die Möglichkeit einer Erschließung der westlichen
Gebiete bieten.
4.
Chinas WTO-Beitritt wird der Reform der staatlichen Unternehmen in
Westchina neue Impulse geben. Von den Unternehmen in Westchina
machen Staatsunternehmen den Hauptanteil aus. Sie sind in den
Bereichen Anlagen, Technologie und Qualifikation der Arbeitskräfte
überlegen. Diese befinden sich derzeit jedoch in einer schwierigen
Situation, da ihre Produkte nicht mehr den Bedürfnissen des Marktes
entsprechen. Nach dem WTO-Beitritt wird die chinesische Regierung
die Reform des Eigentumsrechts staatlicher Unternehmen
beschleunigen, was eine Wiederbelebung der staatlichen Unternehmen
möglich macht.
Nach dem WTO-Beitritt werden in China noch viele Probleme
existieren, die sich in den westlichen Gebieten noch gravierender
gestalten, wie z. B. ein mangelhaftes Rechtssystem, eine
konservative Denkweise, eine eventuelle Verschlechterung der
ökologischen Umwelt. Des weiteren machen die staatlichen
Unternehmen in Westchina einen relativ großen Anteil aus, während
sich Privat- und Kollektivunternehmen nur langsam entwickeln.
Das Chinesisch-Europäische Forum für Wirtschaft fand im Rahmen der
Veranstaltung „Schwerpunktland China“ vom 18.-19. September im
Hotel Berlin statt, auch das Forum über Provinzen Westchinas wurde
im Rahmen dieser Veranstaltung abgehalten. Es war das erste Forum
mit dem Thema der Problematik der Ressourcenerschließung
hinsichtlich Arbeitskräften, Umwelt und Privatinvestitionen, das
von China und Deutschland organisiert wurde und in Deutschland
stattfand.
(CIIC/12. Oktober 2001)