(1) Die Bedeutung des Schlichtungssystems und seine Klassifizierung
1.
Die Bedeutung des Schlichtungssystems
Die Schlichtung ist ein Verfahren, bei dem die streitenden Parteien
durch Vermittlung, Überzeugung und Erziehung durch eine dritte
Partei freiwillig ein Abkommen schließen und dadurch die
Streitigkeiten beilegen.
3.
Die Arten des Schlichtungssystems
Das Schlichtungssystem im heutigen China ist ein Schlichtungssystem
der Volksmacht. Es hat die folgenden vier Arten:
1)
Die Volksschlichtung, d. h. die Schlichtung von Streitigkeiten
zwischen Einwohnern durch Volksschlichtungsausschüsse. Es handelt
sich hierbei um eine Schlichtung außerhalb des Prozesses.
2)
Die Schlichtung durch das Volksgericht. Es handelt sich hierbei um
eine Schlichtung innerhalb des Prozesses, die das Volksgericht für
die von ihm angenommenen Zivilrechtsfälle, Fälle in bezug auf
wirtschaftliche Streitigkeiten und geringfügige Straffälle
vornimmt. Für Scheidungsprozesse ist die Schlichtung ein
notwendiges Verfahren. Für andere Zivilrechtsfälle ist sie kein
notwendiges Verfahren. Ob sie in diesen Fällen vorgenommen wird,
hängt von der freiwilligen Entscheidung der Prozeßparteien ab. Die
Schlichtungsurkunde und der Urteilsspruch des Gerichts sind
gleichermaßen verbindlich.
3)
Die administrative Schlichtung. Es gibt zwei Arten: 1. Die
Schlichtung von Streitigkeiten unter Einwohnern durch die
Gemeinderegierung. 2. Die Schlichtung einiger besonderer ziviler
oder wirtschaftlicher Streitigkeiten oder Arbeitsstreitigkeiten,
die Staatsorgane gemäß den gesetzlichen Bestimmungen vornehmen.
Beide Arten sind eine Schlichtung außerhalb des Prozesses.
4)
Die Schlichtung durch einen Schiedsspruch. Das heißt, daß das
Schiedsorgan einen Schiedsspruch fällt, wenn ihm die Schlichtung
mißlingt. Auch dies ist eine Schlichtung außerhalb des
Prozesses.
(2) Das Volksschlichtungssystem
1.
Der Charakter, die Aufgabe und die Prinzipien des
Volksschlichtungssystems
Das Volksschlichtungssystem entwickelte sich aus den
Schlichtungsaktivitäten der Bevölkerung im Altertum Chinas und
bildete sich in der Periode des Antijapanischen Kriegs heraus. Es
wurde kurz nach der Gründung der Volksrepublik China offiziell
etabliert.
1)
Der Charakter des Volksschlichtungssystems
In
Artikel 111 der Verfassung wird festgelegt: „Die Einwohner- und
Dorfbewohnerkomitees richten Volksschlichtungsausschüsse ein, um
Streitigkeiten zwischen Einwohnern beizulegen.“
Das Volksschlichtungssystem ist dem Wesen nach ein juristisches
Hilfssystem, ein volksdemokratisches Selbstverwaltungssystem, ein
gesetzliches System, nach dem die Bürger Streitigkeiten selbst
beilegen, und ein juristisches System chinesischer Prägung.
2)
Die Aufgabe der Volksschlichtung
In
Artikel 5 der „Vorschriften für die Organisation der
Volksschlichtungsausschüsse“ ist festgelegt: „Die Aufgabe der
Volksschlichtungsausschüsse besteht darin, Streitigkeiten zwischen
Einwohnern beizulegen und durch die Schlichtung Gesetze,
Verordnungen, Vorschriften und politische Richtlinien zu
propagieren und die Bevölkerung im Sinne des Gesetzes, der
Disziplin und der öffentlichen Moral zu erziehen.“
3)
Die Grundprinzipien der Volksschlichtung
a.
Vernünftigkeit und Rechtmäßigkeit
b.
Freiwilligkeit und Gleichberechtigung
c.
Respekt vor dem Prozeßrecht
2.
Die Organisationsform der Volksschlichtung
1)
Die Organisationsform der Volksschlichtung
Die Organisationsform der Volksschlichtung sind die
Volksschlichtungsausschüsse.
Nach der Verfassung und den o. g. „Vorschriften“ sind die
Volksschlichtungsausschüsse eine von Einwohner- und
Dorfbewohnerkomitees eingerichtete Organisation, die dazu bestimmt
ist, Streitigkeiten zwischen Einwohnern beizulegen, und unter der
Anleitung der Volksregierung und des Volksgerichts der Basisebene
arbeitet.
2)
Die Volksschlichter
Nach den „Vorschriften“ müssen die Volksschlichter den folgenden
Bedingungen entsprechen:
a.
rechtschaffen sein;
b.
enge Verbindung mit der Bevölkerung halten;
c.
sich aktiv für die Schlichtung einsetzen;
d.
juristische Kenntnisse besitzen und ein bestimmtes politisches
Niveau haben;
e.
erwachsene Bürger sein.
In
den „Vorschriften“ ist festgelegt, daß ein
Volksschlichtungsausschuß drei bis neun Mitglieder hat, von denen
eines den Vorsitz übernimmt. Wenn notwendig, kann ein
stellvertretender Vorsitzender ernannt werden.
3)
Juristische Assistenten
In
den „Vorschriften“ ist festgelegt, daß die Volksregierung der
Basisebene juristische Assistenten ernennen soll, die die
Volksschlichtung anleiten und den Volksschlichtungsausschüssen beim
organisatorischen, ideologischen und beruflichen Aufbau helfen.
Das Volksgericht der Basisebene gibt den
Volksschlichtungsausschüssen berufliche Anleitungen, indem es sie
einlädt, an Schlichtungen bei Prozessen teilzunehmen und bei
Gerichtsverhandlungen zu hospitieren, und ihnen hilft, Rechtsfälle
zu analysieren und Erfahrungen zusammenzufassen und
auszutauschen.
3.
Das Arbeitsverfahren und die Arbeitsmethode der
Volksschlichtung
1)
Das Schlichtungsverfahren
Die Volksschlichtung soll nach dem folgenden Verfahren
erfolgen:
a.
den Streitfall übernehmen;
b.
Vorbereitungen für die Schlichtung treffen;
c.
die Schlichtung vornehmen;
d.
ein Schlichtungsabkommen schließen;
e.
die Schlichtung beenden.
2)
Die Methode der Schlichtung
Die Art und Weise der Schlichtung: direkte Schlichtung, öffentliche
Schlichtung, gemeinsame Schlichtung usw.
Die Schlichtung erfolgt in der Weise, daß man sich mit den
Streitenden über die Nachteile der Streitigkeit auseinandersetzt,
sie gesetzlich aufklärt und sie einfühlsam überredet, sich zu
versöhnen.
Die Volksschlichtungsausschüsse sollen die Streitigkeiten nicht nur
passiv beilegen, sondern auch darauf achten, die Schlichtung mit
aktiver Verhütung zu verbinden, um Streitigkeiten zwischen
Einwohnern zu reduzieren und ihre Zuspitzung zu verhindern.
(3) Die Schlichtung durch das Gericht
In
Artikel 85 der „Zivilprozeßordnung der Volksrepublik China“ ist
ferstgelegt: „Bei der Verhandlung über Zivilrechtsfälle soll das
Volksgericht auf der Basis der Freiwilligkeit der Prozeßparteien
und der Klärung des Tatbestandes die Schlichtung vornehmen.“
1)
Die Art und Weise der Schlichtung
In
Artikel 86 der „Zivilprozeßordnung“ heißt es: „Die Schlichtung
durch das Volksgericht kann sowohl unter dem Vorsitz eines Richters
als auch unter dem Vorsitz eines Richterkollegiums durchgeführt
werden, und zwar möglichst an Ort und Stelle. Dabei kann das
Volksgericht auf einfache Art und Weise die Prozeßparteien und
Zeugen vorladen.“
In
Artikel 87 heißt es: „Zur Schlichtung kann das Volksgericht die
betreffenden Arbeitseinheiten und Individuen einladen. Die
eingeladenen Arbeitseinheiten und Individuen sollen dem
Volksgericht helfen, die Schlichtung vorzunehmen.“
2)
Das Schlichtungsabkommen
In
Artikel 88 der „Zivilprozeßordnung“ ist vorgesehen: „Das
Schlichtungsabkommen muß auf der Basis der Freiwilligkeit der
beiden Prozeßparteien geschlossen und darf nicht aufgezwungen
werden. Sein Inhalt darf nicht den gesetzlichen Bestimmungen
zuwiderlaufen.“
3)
Die Schlichtungsurkunde
A.
Die Anfertigung der Schlichtungsurkunde
In
Artikel 89 der „Zivilprozeßordnung“ ist festgelegt: „Wenn ein
Schlichtungsabkommen geschlossen worden ist, soll das Volksgericht
eine Urkunde über das Prozeßgesuch, den Tatbestand des Falls und
die Ergebnisse der Schlichtung ausstellen. Die Schlichtungsurkunde
ist von den Richtern und Protokollführern zu unterzeichnen und mit
dem Stempel des Volksgerichts zu versehen. Sie ist den beiden
Prozeßparteien zuzustellen. Nachdem sie von den beiden
Prozeßparteien quittiert worden ist, ist sie rechtskräftig.“
B.
Prozesse, in denen das Volksgericht keine Schlichtungsurkunde
ausstellt
Nach den Bestimmungen von Artikel 90 der „Zivilprozeßordnung“
stellt das Volksgericht bei den folgenden Prozessen trotz der
Schließung eines Schlichtungsabkommens keine Schlichtungsurkunde
aus:
a.
Scheidungsprozesse, in denen sich die beiden Parteien durch die
Schlichtung versöhnt haben;
b.
Prozesse, in denen die Adoptionsbeziehung durch die Schlichtung
aufrechterhalten wird;
c.
Prozesse, in denen das Schlichtungsabkommen sofort ausgeführt
werden kann;
d.
sonstige Prozesse, bei denen das Volksgericht keine
Schlichtungsurkunde anzufertigen braucht.
Die Schlichtungsabkommen, die keine entsprechende Urkunde brauchen,
werden ins Protokoll aufgenommen und sind nach dem Unterzeichnen
oder Abstempeln durch die beiden Prozeßparteien sowie die Richter
und Protokollführer rechtskräftig.
4)
Das Scheitern der Schlichtung
In
Artikel 91 der „Zivilprozeßordnung“ ist festgelegt: „Wenn es trotz
der Schlichtungsbemühungen nicht gelingt, ein Abkommen zu
schließen, oder wenn eine Prozeßpartei vor der Zustellung der
Schlichtungsurkunde die Versöhnung bereut, soll das Volksgericht
rechtzeitig ein Urteil fällen.“