Das Schiedssystem ist ein juristisches System, nach dem die beiden
Parteien eines zivilen (kommerziellen) Streits freiwillig einer
dritten Partei ihren Fall übergeben, damit diese nach den
Schiedsregeln und dem Prinzip der Gerechtigkeit einen Schiedspruch
fällt, der für sie verbindlich ist.
Das Schiedsverfahren ist gewöhnlich keine staatliche, sondern eine
gewerbsmäßige zivile Angelegenheit. Wie die Versöhnung, Vermittlung
und Prozeßführung ist es eine Art und Weise der Schlichtung eines
zivilen (kommerziellen) Streits. Trotzdem wird das Schiedsverfahren
nach dem Gesetz vom Staat kontrolliert. Der Staat kontrolliert
durch das Volksgericht die Verbindlichkeit des Schiedsabkommens,
die Ausarbeitung des Schiedsverfahrens und die Durchführung des
Schiedsspruchs und kann, wenn die streitenden Parteien dem
Schiedsspruch nicht nachkommen, im Rahmen der gesetzlichen
Bestimmungen des Ortes, in dem das Schiedsverfahren stattfindet,
eingreifen. In diesem Sinne ist das Schiedsverfahren eine
juristische Aktivität und ein wichtiger Bestandteil des
chinesischen Rechtswesens.
Das am 31. August 1994 veröffentlichte „Schiedsrecht der
Volksrepublik China“ hat das Schiedssystem des ganzen Landes
vereinheitlicht und dem internationalen Schiedssystem angeglichen,
indem es die international gültigen Grundprinzipien, Grundregeln
und Gepflogenheiten einführte.
(1) Die Grundprinzipien für das Schiedssystem
1.
Das Prinzip der Freiwilligkeit
Wenn die streitenden Parteien ihren Streit durch das
Schiedsverfahren schlichten wollen, müssen sie freiwillig ein
Schiedsabkommen schließen. Ohne den Antrag einer Partei des
Schiedsabkommens wird die Schiedskommission die Schlichtung nicht
annehmen.
2.
Das Prinzip der Unabhängigkeit
Das Schiedsverfahren erfolgt unabhängig, frei von der Einmischung
durch Verwaltungsorgane, gesellschaftliche Organisationen oder
Individuen. Konkret gesagt:
a.
Die Schiedsorgane sind keine Verwaltungsorgane.
b.
Die in jeder Region eingerichteten Schiedsorgane sind voneinander
unabhängig und haben nicht die Beziehung der administrativen
Unterordnung.
c.
Die Schiedskommission, die Schiedsgesellschaft und das
Schiedsgericht sind voneinander unabhängig. Das Schiedsgericht
verhandelt die Schiedsfälle nach dem Gesetz, frei von der
Einmischung durch die Schiedskommission oder die
Schiedsgesellschaft.
d.
Das Gericht muß nach dem Gesetz sein Kontrollrecht über das
Schiedsverfahren ausüben, doch das Schiedsverfahren ist nicht der
gerichtlichen Verhandlung und die Schiedsorgane sind nicht den
Gerichten untergeordnet.
3.
Das Prinzip der Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit
Das Schiedsrecht sieht vor, daß die Schiedsrichter aufgrund der
Tatsachen und nach den gesetzlichen Bestimmungen einen Streit
gerecht und vernünftig schlichten sollen.
(2) Die Schiedsorgane
1.
Die Schiedsgesellschaft
Die Chinesische Schiedsgesellschaft ist eine
Selbstdisziplin-Organisation der Schiedsrichter, die nach dem
Statut die Schiedskommissionen und deren Mitglieder und die
Verstöße von Schiedsrichtern gegen die Disziplin kontrolliert. Die
Schiedskommissionen sind Mitglieder der Chinesischen
Schiedsgesellschaft. Das Statut der Chinesischen
Schiedsgesellschaft wird von der nationalen Vollversammlung
ausgearbeitet. Die Chinesische Schiedsgesellschaft arbeitet nach
dem Schiedsgesetz und den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung die
Schiedsregeln aus.
2.
Die Schiedskommission
Die Schiedskommission ist ein ständiges Schiedsorgan, das
normalerweise am Sitz der Volksregierung der
regierungsunmittelbaren Städte, der Provinzen und der autonomen
Gebiete eingerichtet wird. Sie kann nach Bedarf auch in anderen
Städten mit Stadtbezirken eingerichtet werden. Sie wird aber nicht
nach der administrativen Gliederung auf jeder Ebene
eingerichtet.
Die Schiedskommission wird von den betreffenden Abteilungen der
Volksregierung und der Handelskammer der jeweiligen Stadt gemeinsam
gebildet und ist in der Justiz- und Verwaltungsabteilung der
betreffenden Provinz, des betreffenden autonomen Gebiets oder der
betreffenden regierungsunmittelbaren Stadt zu registrieren.
Eine Schiedskommission besteht aus dem Vorsitzenden, zwei bis vier
stellvertretenden Vorsitzenden und sieben bis elf Mitgliedern. Der
Vorsitzende, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Mitglieder
der Schiedskommission sollen Experten für Recht, Wirtschaft und
Handel und Menschen mit praktischen Arbeitserfahrungen sein.
Experten für Recht, Wirtschaft und Handel müssen mindestens ein
Drittel aller Mitglieder der Schiedskommission ausmachen.
Die Schiedsrichter müssen eine der folgenden Voraussetzungen
erfüllen:
a.
Sie haben acht Jahre lang als Schiedsrichter gearbeitet.
b.
Sie haben acht Jahre lang als Rechtsanwälte gearbeitet.
c.
Sie haben acht Jahre lang als Richter gearbeitet.
d.
Sie beschäftigen sich mit Jura und dem Unterricht und haben einen
hohen akademischen Titel.
e.
Sie besitzen juristische Kenntnisse, beschäftigen sich mit
Wirtschaft und Handel und haben einen hohen akademischen Titel oder
ein vergleichbares fachliches Niveau.
Die Schiedskommission stellt nach verschiedenen Fachbereichen eine
Namensliste von Schiedsrichtern auf, damit die streitenden Parteien
Schiedsrichter auswählen können.
3.
Das Schiedsgericht
Nachdem sie Schiedsfälle angenommen hat, behandelt die
Schiedskommission diese nicht direkt, sondern bildet ein
Schiedsgericht, um das Schiedsrecht auszuüben.
Es
gibt zwei Formen des Schiedsgerichts – das Kollegialgericht und das
Alleingericht. Das Kollegialgericht setzt sich aus drei
Schiedsrichtern zusammen, von denen einer der Chef-Schiedsrichter
ist, der bei der Schlichtung den Vorsitz führt. Das Alleingericht
hat nur einen Schiedsrichter.
Wenn das Schiedsgericht ein Kollegialgericht aus drei
Schiedsrichtern ist, das nach der Vereinbarung der streitenden
Parteien gebildet wird, sollen diese jeweils einen Schiedsrichter
auswählen oder den Vorsitzenden der Schiedskommission beauftragen,
einen Schiedsrichter zu bestimmen. Der dritte Schiedsrichter ist
der Chef-Schiedsrichter. Er soll von den streitenden Parteien
gemeinsam ausgewählt oder vom Vorsitzenden der Schiedskommission im
Auftrag der streitenden Parteien bestimmt werden. Wenn das
Schiedsgericht nach der Vereinbarung der streitenden Parteien ein
Alleingericht ist, soll es von den streitenden Parteien gemeinsam
ausgewählt oder vom Vorsitzenden der Schiedskommission im Auftrag
der streitenden Parteien bestimmt werden.
(3) Die grundlegenden Systeme für das Schiedsverfahren
1.
Das System, ein Schiedsverfahren oder eine gerichtliche Verhandlung
durchzuführen
Dieses System verkörpert den Respekt vor der Option der streitenden
Parteien für die Methoden der Schlichtung des Streits. Es
bedeutet:
1.
Wenn die streitenden Parteien ein Schiedsabkommen geschlossen und
dadurch die Anrufung des Gerichts ausgeschlossen haben, können sie
nur bei einem Schiedsorgan die Schlichtung beantragen.
2.
Obwohl das von den streitenden Parteien unterzeichnete
Schiedsabkommen die Anrufung des Gerichts ausgeschlossen hat, ist
das Gericht in den folgenden besonderen Fällen dennoch dafür
zuständig:
a.
Das Schiedsabkommen ist ungültig oder außer Kraft.
b.
Wenn eine Partei Anklage erhebt und die andere Partei die Anklage
annimmt und beide Parteien eine substantielle Debatte führen und
keine Einwände gegen die Einschaltung des Gerichts haben, kann das
als Verzicht auf das ursprüngliche Schiedsabkommen betrachtet
werden, und das Gericht kann den Schiedsfall weiter verhandeln.
2.
Das System der endgültigen Entscheidung
Das bedeutet, daß der Schiedsspruch, sobald er gefällt worden ist,
rechtskräftig ist. Selbst wenn eine der streitenden Parteien mit
der Entscheidung nicht einverstanden ist, kann sie weder beim
Gericht Anklage erheben noch beim Schiedsorgan die Schlichtung oder
die Überprüfung der Entscheidung beantragen. Sie hat dem
Schiedsspruch nachzukommen, sonst hat die andere Partei das Recht,
das Volksgericht zu bitten, den Schiedsspruch mit Zwangsmaßnahmen
durchzuführen.
Wenn jedoch eine der streitenden Parteien der Meinung ist, daß der
Schiedsspruch falsch ist, d. h. daß er den gesetzlichen
Bestimmungen über die Annullierung entspricht, kann sie das Gericht
bitten, den Schiedspruch zu überprüfen und dessen Annullierung zu
entscheiden.
(4) Die Chinesische Schiedskommission für Internationale Wirtschaft
und Internationalen Handel
Sie ist das einzige Schiedsorgan Chinas für Streitfälle in der
Außenwirtschaft und im Außenhandel. Sie hat ihren Sitz in Beijing.
In der Wirtschaftssonderzone Shenzhen und in Shanghai gibt es
Zweigstellen.