"Neuer Markt" in Shenzhen |
Die in der südchinesischen Provinz Guangdong gelegene Shenzhener Börse hat am 27. Mai von der chinesischen Börsenaufsicht offiziell die Erlaubnis erhalten, einen zweiten Handelsplatz für kleine und mittlere Unternehmen (SME=Small and Medium sized Enterprises) einzurichten. Die erste Notierung eines Unternehmens an dem neuen Handelsplatz soll noch im Juni erfolgen. Ziel des neuen Handelsplatzes ist es, für junge Unternehmen, vor allem die aus dem Hightech-Bereich, eine Möglichkeit zur Kapitalaufnahme zu schaffen. In China gibt es mehr als 8 Mio. eingetragene SME. In den letzten Jahren sind sie der dynamischste und vielversprechendste Stimulus für das Wirtschaftswachstum des Landes und tragen über 50% zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei. Fehlende Finanzierungsmöglichkeiten behindern das Wachstum der SME stark. Eine Erhebung zeigt, dass in Chinas östlichen Gebieten, wo sich die meisten der SME befinden, fast 60% der Kreditanträge der SME von den Banken abgelehnt werden. Schätzungsweise 80% der SME landesweit leiden unter Kapitalmangel. Wu Xiaoqiu, Direktor des Instituts für Finanz- und Wertpapierwesen der Chinesischen Volksuniversität in Beijing, ist davon überzeugt, dass die Etablierung einer Handelsplattform für SME nicht nur Abhilfe bei den Finanzierungsengpässen der SME schaffen, sondern auch Chinas Kapitalmarkt diversifizieren bzw. seine Struktur verbessern wird. Auch würde der neue Handelsplatz Anlegern neue Möglichkeiten bieten. Die SME-Handelsplatz an der Shenzhener Börse wird vor allem für Investoren mit Risikobereitschaft interessant sein, während der Handel mit "Blue Chips", also etablierten Werten, vor allem an der Shanghaier Börse abgewickelt werden wird. Somit würde die Gründung des chinesischen "Neuen Markts" also auch zu einer Art Arbeitsteilung an den chinesischen Börsen führen, so Wu. Die Gründung eines dem Nasdaq ähnlichen "Neuen Marktes" in Shenzhen wurde bereits 2000 ins Auge gefasst, dann aber, nach dem Platzen der "New-Economy-Blase", erst mal aufgeschoben. Das im Vorfeld verfügte Stop für Neuemissionen an der Shenzhener Börse wurde damals aber nicht wieder aufgehoben, sodass es in Shenzhen nun schon seit 4 Jahren kein IPO (Initial Public Offering) mehr gegeben hat. Befürchtungen, dass die Gründung des neuen Handelsplatzes zu einer die Hauptbörsen schädigenden Umleitung von Kapital zum "Neuen Markt" führen könnte, zerstreut Professor Xiao Zhuoji, ein namhafter Wertpapierexperte. Xiao sagt, die neue Börse werde mehr zum Wachstum des technischen Sektors an den Hauptbörsen beitragen und gibt folgendes Beispiel: "Angenommen 100 Firmen würden am 'Neuen Markt' notiert und jede der Firmen würde 20 Mio. Aktien emittiern. Weiter angenommen, der Transaktionspreis der Aktien würde sich im Durchschnitt auf 20 Yuan pro Aktie belaufen, dann entspräche dies einer Marktkapitalisierung von 40 Mrd. Yuan (4,83 Mrd. US$). Dies entspräche nur 3-4% der gegenwärtigen Marktkapitalisierung der Shanghaier Börse." Einen Kapitalverlust in diesem Umfang, so Xiao, sei für die Hauptbörse zweifelsohne tolerierbar. Zur Frage inwiefern die Gründung eines "Neuen Marktes" in Shenzhen Einfluß auf den Honkonger Growth Enterprise Market (GEM), die Hongkonger Variante eines "Neuen Marktes" haben wird, sagt Chow Man-yiu, Geschäftsführer der Hong Kong Exchange and Clearing Ltd., er sei davon überzeugt, dass es nicht zu einem Wettbewerb zwischen den Märkten des Festlands und Hong Kongs kommen würde, da sie unterschiedliche Kapitalquellen hätten und verschiedene Investoren bedienten. Daher könnten sie unterschiedlichen Strategien zur Kaptialaufnahme börsennotierter Firmen entsprechen. Im Unterschied zu den gemischten Reaktionen in akademischen und Bankenkreisen haben die Businesskreise die Einführung des "Neuen Marktes" in Shenzhen einstimmig begrüßt. Die hohen Kosten der ausländischen Börsennotierung berücksichtigend sei der SME-Handelsplatz in Shenzhen für Unternehmen in Zhejiang attraktiv, sagt ein Beamter des Entwicklungsbüros für SME- der Provinz. Zhejiang verfügt über Chinas properierenste Privatwirtschaft. Auch gibt es in der Provinz die meisten SME, insgesamt 680.000. Des weiteren hat die Provinz, nach einer Einstufung der Staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission und anderen Abteilungen, 900 von Chinas 2.900 erfolgreichsten SME sowie 108 der 500 vielversprechendsten SME. Der Mangel an Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme ist lange ein Engpass in der lokalen SME-Entwicklung gewesen. Somit wird die Gründung des "Neuen Marktes" in Zhjiang ganz besonders begrüßt. (Beijing Rundschau/China.org.cn, 15. Juni 2004) |