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30. 10. 2012 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Quo vadis, chinesische Wirtschaft? Exklusiv

Schlagwörter: China Wirtschaft BIP

Von Marc-Stephan Arnold, Beijing

Die chinesische Wirtschaft hat auf die Bemühungen der Zentralregierung, das Wachstum zu stabilisieren, mit einer Seitwärtsbewegung reagiert. Das Wachstum des BIP schrumpfte allerdings um weitere 0,2 auf nurmehr 7,4 Prozent. Der Konsum wuchs minimal, die Industrieproduktion erholte sich leicht. Die massive Geldmengeninflation gibt allerdings Anlass zur Sorge.

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Auch China hat einen "Rettungsschirm" aufgespannt. [Grafik: Zhai Haijun/China.org.cn]

Vorläufig keine weiteren Maßnahmen seitens der Politik

Chinesische Ökonomen gehen derzeit nicht davon aus, dass die Zentralregierung in diesem Jahr noch weitere Maßnahmen ergreifen wird, um das Wirtschaftswachstum zu stimulieren. Chinas Spitzenpolitiker hatten in den letzten Wochen eine in zunehmendem Maße vorsichtige Haltung gegenüber weiteren Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft gezeigt – ein Ergebnis des vor vier Jahren eilig verabschiedeten Konjunkturpakets in Höhe von 500 Milliarden Euro, an dessen negativen Nebenwirkungen, wie zum Beispiel der massiven Teuerung und den Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt, die chinesische Wirtschaft noch bis heute zu knabbern hat.

Doch trotz der Veränderungen in der politischen Führungsspitze des Landes, die am 8. November beim 18. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas anstehen, wird die gesamtwirtschaftliche Politik laut Meinung verschiedener Analysten für den Rest des Jahres stabil bleiben.

Konsum und Auftragslage schwach, aber stabil

Der neuerliche Rückgang beim Wachstum ist vor allem der nachlassenden globalen Nachfrage zu verdanken. Die sinkenden Exporte trugen in den ersten drei Quartalen des Jahres dazu bei, dass das chinesische BIP um 0,4 Prozentpunkte schrumpfte – und nun sogar das für 2012 vorgegebene Ziel von 7,5 Prozent Wachstum erstmalig unterschritten wurde.

Doch auch auf dem heimischen Markt sieht die Situation alles andere als rosig aus. Die Chinesen sparen weiterhin fleissig – was dem Konsum natürlich nicht gut tut. 55 Prozent des chinesischen BIP kommen vom Konsum. Eine derart niedrige Verbrauchsquote ist einfach nicht genug, um die weggefallene Auslandsnachfrage zu kompensieren. Zum Vergleich: In den meisten westlichen Ländern macht der Konsum zwischen 75 und 80 Prozent des BIP aus. Dies verdeutlicht auch die starke Abhängigkeit Chinas vom immer schwächer werdenden Außenhandel.

Dennoch geht Wang Tao, Chefökonom bei UBS China, davon aus, dass sich das Risiko für einen weiteren Rückgang der chinesischen Wirtschaft verringert habe. Wang glaubt nämlich, dass die globale Wirtschaftssituation im vierten Quartal stabil bleiben und die chinesische Wirtschaft sich daher auch erholen werde. "Die Zahlen vom September suggerieren einen moderaten Aufschwung", sagte Wang.

Industrieproduktion leicht positiv, Profite stark negativ

Zumindest der leicht gestiegene Einkaufsmanagerindex (EMI) und die gestiegene Industrieproduktion scheinen Wang – zumindest auf den ersten Blick – Recht zu geben.

Der EMI stieg im September auf 49,8 Prozentpunkte. Nach den extrem schwachen 49,2 Punkten im August zumindest eine leichte Erholung. Das bedeutet zwar, dass die verarbeitende Industrie weiterhin schrumpft – ein EMI von unter 50 bedeutet eine schrumpfende, ein Wert von über 50 für eine wachsende Industrie – aber mit einem nachlassenden Tempo.

Die Industrieproduktion selbst legte im September um 9,2 Prozent zu – ein Anstieg um 0,3 Prozent gegenüber August. Vor allem in Westchina stieg die Produktion überraschend deutlich, nämlich mit ganzen 12,4 Prozent.

Die chinesischen Unternehmen haben trotzdem mit sinkenden Gewinnen zu kämpfen. Das kommt daher, dass die Preise aufgrund der sinkenden Nachfrage ebenfalls schrumpfen. Dass die Produktion trotzdem nicht gedrosselt und sogar in weitere Produktionsanlagen investiert wird, ist nur durch die bisherigen Förderungsmaßnahmen der Regierung zu erklären. Auf die Dauer wird eine keynesianische Wirtschaftspolitik eben immer zu massiven Fehlallokationen und, wie derzeit auch, zu massiver Inflation führen.

Dramatische Geldmengeninflation, Teuerung noch stabil

Die Geldmenge M2 wuchs um dramatische 14,8 Prozent. Die chinesischen Staatsbanken haben offensichtlich von der Regierung den Auftrag erhalten, vor allem der Industrie frische Kreditgelder zu gewähren. Die weiter oben bereits erwähnten Fehlallokationen lassen sich somit erklären. Man versucht händeringend, die chinesische Exportmaschine in Gang zu halten.

Die "Inflationsrate" wurde für September mit 1,8 Prozent angegeben, nach 1,9 Prozent im August ein leichter Rückgang. Wobei natürlich die Teuerung der Konsumgüter gemeint ist, denn wie dramatisch die tatsächliche Inflation, also das "Aufblähen" (lat. Inflare; s. Inflation) der Geldmenge ist, deutet sich ja bereits mit der Ausweitung von M2 an. Käme dieses Geld wirklich in Umlauf (M1), würden auch die Preise wieder deutlich steigen. Für das vierte Quartal gehen chinesische Ökonomen daher von einem höheren Inflationsdruck aus.

Quo vadis, chinesische Wirtschaft?

Wirtschaftskommentatoren allerorten sind derzeit redlich darum bemüht, die aktuellen Wirtschaftsdaten in einem möglichst positiven Licht erscheinen zu lassen. Das lässt sich in Europa wie auch in den USA beobachten – und in China ist es nicht anders.

Die Trendwende in der globalen Schuldenkrise, die nun schon seit gut fünf Jahren tobt und bereits ganze Volkswirtschaften in die Tiefe gezogen hat, wird von Ökonomen auf aller Welt herbeigesehnt. Da nimmt es nicht Wunder, dass jede leichte Verbesserung bei den wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen mit besonderem Wohlwollen, ja fast schon Erleichterung registriert wird. Der Entwicklung in China wird dabei weltweit besondere Beachtung geschenkt.

Die chinesische Regierung hat natürlich schon lange erkannt, dass sich die Situation in Europa und den USA kurz- und mittelfristig kaum ändern wird. Dass der Export chinesischer Waren in diese Länder stagnieren oder sogar weiter zurückgehen wird, ist ihr klar. Ihr bleibt daher nichts anderes, als die qualitative Zusammensetzung des chinesischen BIP zu ändern: weniger Abhängigkeit vom Außenhandel und stattdessen eine Ankurbelung des Konsums wären die beste Medizin.

Doch genau hier liegt der Hund begraben: Die chinesische Bevölkerung konsumiert einfach nicht so viel wie gewünscht. Daher pumpt auch China einfach noch mehr Geld in den Markt – und verhält sich damit nicht anders als etwa die USA oder die europäischen Länder. Doch mehr Geld bedeutet in dem Falle nur zusätzliche Fehlinvestitionen – zusätzliche Infrastruktur- und Immobilienpojekte bringen den gewünschten qualitativen Wandel eben nicht, und auch die zusätzlichen Produktionsanlagen einiger Staatsunternehmen machen angesichts des stagnierenden Außenhandels und des geringen Konsums wenig Sinn. Sie sorgen nur für weitere Überkapazitäten, höhere Produktionskosten und somit niedrigere Gewinne.

Die Geldmengeninflation wird im Endeffekt auch nur zu höheren Preisen führen – und damit den Konsum weiter abwürgen. Für China steht und fällt alles mit dem Konsum. Wenn die chinesische Bevölkerung nicht bald anfängt, mehr zu konsumieren, dann wird China den qualitativen „Umbau“ seines Wirtschaftswachstums nicht erreichen können.

In diesem Fall wird der chinesischen Wirtschaft nichts anderes bleiben als das, was man inzwischen bereits bei den Volkswirtschaften der entwickelten Länder sieht: sich gesund schrumpfen.

Quelle: german.china.org.cn

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