Unter all den Kassenschlagern, die
in China in den letzten Monaten in den Kinos liefen, sticht der
eigenwillige Film des Drehbuchautors und Regisseurs Lu Chuan
hervor. Bereits bei seiner Premiere begeisterte der Film "Ke Ke Xi
Li" (englischer Titel "Mountain Patrol"), in dem vor allem lokale
Tibeter und unbekannte Schauspieler mitspielen, das Publikum.
Der Abenteuerfilm in westlichem Stil
wurde bereits mit dem "Golden Rooster Award" ausgezeichnet, dem
chinesischen Pendant zu dem amerikanischen "Academy Award". Der
Film wird auch auf den Filmfestspielen in Tokio und Venedig zu
sehen sein. Nach Anlauf des Films sagten mehr als 10.000 Zuschauer
ihr Votum für die Nominierung des Filmes als Bester fremdsprachiger
Film während der Oskar-Verleihung 2005 zu.
Der Film mit einem Budget von 10
Millionen Yuan (ca. 920.000 €) gedreht, spielte allein durch die
Vergabe von Copyrightrechten an das Ausland 800.000 USD ein. An
chinesischen Kinokassen wird mit Einnahmen in Höhe von 10 Millionen
Yuan gerechnet. Doch was hat dieses Filmfieber ausgelöst?
Vor 1985 lebten in Hohxil (auf
Chinesisch Ke Ke Xi Li) mehr als 1 Million Tibetantilopen,
auch "Chiru-Antilopen" genannt. Dann stieg mit dem Preisanstieg für
feine Wolle gleichzeitig auch die Nachfrage nach Pashmina-Schals.
Wilderer überschwemmten daraufhin das Gebiet Hohxil, so dass die
Zahl der Tibetantilopen innerhalb nur weniger Jahre auf unter
20.000 sank.
1993 stellte die lokale tibetische
und han-chinesische Bevölkerung ein freiwilliges Patrouillenteam
gegen Wilderei zum Schutz dieser Tierart auf. Sie verließen ihre
Familien und riskierten ihr Leben, um in der Wildnis gegen bestens
bewaffnete Wilderer zu kämpfen. Neben anderen Teammitgliedern
opferten auch zwei ihrer Anführer, Sonam Dargyi und Taba Dorje, ihr
Leben für diese Sache und wurden von den Wilderern getötet.
Nach ihrem Tod gründete China zum
Schutz der Tibetantilope das Naturreservat Hohxil. Eine
Naturschutzstation wurde sogar nach Sonam Dargyi benannt. Dessen
Tochter Kunsang Yangtso spielt in Lus Film eine Hauptrolle, da sie
es für eine gute Idee hielt, auf diese Weise ihrem Vater zu
gedenken.
Auftakt des Films bildet der Tod
eines Patrouillemitglieds. Der weitere Verlauf handelt von der
Verfolgungsjagd auf die Wilderer, während der das Team unterwegs
auf über 1000 tote Antilopen stößt und mit allerhand
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, wie liegengebliebene Jeeps infolge
Benzinmangels, Nahrungsmittelknappheit und mit Schneemassen
bedeckte, von der Außenwelt abgeschnittene Bergpässe.
Aber auch die Filmhelden, wie der
Patrouillenführer Ritai, sind mit Fehlern behaftet. Manchmal sind
sie sogar weit davon entfernt, heroisch zu sein und verdienen ihr
Geld zur Finanzierung der Wildereipatrouille aus dubiosen Quellen.
Laut einem Zitat von Ritai, könnten die Gesichter und Hände der
Pilger, die auf die Knie fallen, um Buddha ihren Respekt zu zeigen,
nicht schmutziger sein. Dafür seien jedoch die Herzen rein.
Die Inspiration zu dem Film "Ke Ke
Xi Li" bekam Lu Chuan, der nicht einmal 40 Jahre alt ist, nachdem
er den Dokumentarfilm "Balance" von Peng Hui gesehen hatte, der
1997 nach Hoh Xil ging, um dort drei Jahre lang diesen Film zu
drehen. Er schrieb auch einen Artikel mit dem Titel "Schutz von
Hohxil", der seine Freundschaft zu Taba Dorje, dem zweiten
Patrouillenführer, erzählt. Tragischerweise wurde Taba Dorje
erschlossen, bevor er den Artikel lesen konnte.
Anfangs weigerte sich Peng, sich den
Film "Ke Ke Xi Li" anzusehen. Denn er befürchtete Veränderungen in
der Handlung oder der Darstellung der Charaktere. Doch Lu ermutigte
ihn und Peng ließ sich umstimmen. Nachdem er den Film gesehen
hatte, sagte Peng, dass er sich dadurch an viele Freunde und
Vorfälle erinnert gefühlt habe. Lu Chuan habe ihn nicht
enttäuscht.
Der Film erzählt die Geschichte aus
dem Blickwinkel eines Reporters. Um Authentizität und
Glaubwürdigkeit zu erzeugen, spielen in dem Film hauptsächlich
unbekannte Schauspieler, manchmal sogar Laienschauspieler anstelle
bekannter Filmstars mit. Der Film glamourisiert die Schauspieler in
kleinster Weise und zeigt sie daher realistisch mit zerlumpten
Kleidern und dreckigen Gesichtern.
Trotz der Tragik der Geschichte will
der Film keine Sentimentalität wecken. Lu Chuan möchte dem
Zuschauer mehr Raum für Überlegungen lassen und nicht auf die
Tränendrüse drücken, was ihn schnell vergessen lässt.
Hohxil gilt als eine der weltweit
härtesten Naturlandschaften. Gedreht wurde von August bis November
im Gebiet Wudaoliang, das sich bei rauhem und unvorhersagbarem
Wetter auf 4500 bis 5000 Meter über dem Meeresspiegel befindet.
Jeder der am Dreh Beteiligten bekam
die Höhenkrankheit oder eine andere Krankheit zu spüren. Am Ende
des Drehs waren nur noch 60 der anfänglichen 108 Setmitarbeiter vor
Ort. Äußerst schwierige Szenen und Stunts auf Treibsand wurden
unter Extrembedingungen mit Laiendarstellern gedreht, die sich
jedoch als motiviert und hochbegabt erwiesen.
Das Ende des Films ist aus vielerlei
Gründen bedeutsam. Der Film bricht nicht nur mit einem Tabu und
zeigt erstmals eine Himmelsbestattung, sondern er zeigt auch zum
ersten Mal eine Tibetantilope in einem Film.
Der Ausgang des Films ist weit von
dem Happy End entfernt, nach dem sich vermutlich viele Zuschauer
sehnen. Lu sagt, er habe lange darüber nachgedacht und glaube sich
für das richtige Ende entschieden zu haben. Ritais Idealismus
führte ihn unausweichlich dem Ende entgegen. Seine Ideale seien zu
weit von der unangenehmen Realität der Situation entfernt
gewesen.
(China.org.cn, 12. Januar 2005)
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