Die Kaisergräber der Ming-
(1368-1644) und Qing-Dynastie (1644-1911) sind durch Einfluss des
Menschen veränderte Naturstätten. Sorgfältig ausgewählt auf Basis
der Geomantie (Fengshui) handelt es sich bei diesen um Bauten mit
traditionellem Architekturdesign und Dekor. Verkörpert wird die
bereits über fünf Jahrhunderte existierende Weltanschauung und das
Machtkonzept des feudalen China.
Das Xian-Grab aus der Ming-Dynastie
ist die Grabstätte von Fürst Xingxian und dessen Ehefrau, Eltern
des Kaisers Jiaqing (Regierungszeit: 1522-1566). Die beiden wurden
im heutigen Kreis Zhongxiang (Provinz Hubei) auf dem Berg Songlin
gemeinsam bestattet. Das Grab mit einer Fläche von 136,47 Hektar
ist durch hohe Mauern umgeben. Das Xian-Grab, dessen Bau 1519
begann und 1540 abgeschlossen wurde, ähnelt den Ming-Gräbern in der
Nähe Beijings, ist jedoch flächenmäßig größer. Es gilt als das
einzige Ming-Grab, das jemals in Südchina entdeckt wurde und wird
oft als das 15. Ming-Grab bezeichnet. 1985 wurde das Grab unter
staatlichen Schutz gestellt.
Die Östlichen Gräber aus der
Qing-Dynastie, die Ersten von den Mandschu-Herrschern errichteten
Kaisergräber, befinden sich 125 Kilometer östlich von Beijing im
Kreis Zunhua (Provinz Hebei). Die Gesamtfläche der Gräber beträgt
2.500 Quadratkilometer.
Mit dem Bau der Östlichen Grabanlage
mit insgesamt 14 Gräbern, die die Überreste von Kaisern,
Kaiserinnen, Fürstengemahlen und Fürstinnen bergen, wurde 1661
begonnen. Bei den Gräbern handelt es sich um das Xiao-Grab des
ersten Qing-Kaisers Shunzhi (Regierungszeit: 1644-1661), das
Jing-Grab von Kaiser Kangxi (Regierungszeit: 1662-1722), das
Yu-Grab von Kaiser Qianlong (Regierungszeit: 1736-1795), das
Ding-Grab von Kaiser Xianfeng (Regierungszeit: 1851-1861), das
Hui-Grab von Kaiser Tongzhi (Regierungszeit: 1862-1874) und die
Gräber der Kaiserinnen Xiaozhuang, Xiaohui, Ci’an, Cixi und von
fünf Fürsten.
Die Westlichen Gräber der
Qing-Dynastie liegen mitten in den Bergen rund 1000 Kilometer
westlich von Beijing. Die Grabanlage ist kleiner als die Östlichen
Gräber, so dass dort auch weniger Kaiser und Kaiserinnen beigesetzt
wurden. Mit dem Bau der Westlichen Gräber wurde 1730 angefangen.
Unter den Grabstätten zu finden sind das Tai-Grab von Kaiser
Yongzheng (Regierungszeit: 1723-1735), das Chang-Grab von Kaiser
Jiaqing (Regierungszeit: 1796-1820), das Mu-Grab von Kaiser
Daoguang (Regierungszeit: 1821-1850), das Chong-Grab von Kaiser
Guangxu (Regierungszeit: 1875-1908) und die Gräber verschiedener
Kaiserinnen, Fürstengemahlen, Fürsten und Fürstinnen. Am Ende der
Qing-Dynastie war der Bau des Grabes für den letzten Kaiser
Xuantong noch nicht vollständig abgeschlossen.
Am 30. November 2000 wurden diese
drei Gräber von der UNESCO-Welterbekommission in die
Weltkulturerbeliste aufgenommen.
Im Xiaoling-Grab, das sich am
südlichen Abhang der "Purpurberge" im östlichen Vorortgebiet von
Nanjing (Hauptstadt der Provinz Jiangsu) befindet, sind der erste
Kaiser der Ming-Dynastie (1368-1644), Zhu Yuanzhang, und seine
Frau, bestattet. Durch sein prächtiges Aussehen verkörpert es die
größte architektonische Errungenschaft und Meisterleistung der
Steinschnitzerei. In den folgenden 500 Jahren nahm dieses Grab auf
die Gräber nachfolgender Kaiser in Beijing, Hubei, Liaoning und
Hebei großen Einfluss.
Mit dem Bau des Xiaoling-Grabes
wurde offiziell 1381 begonnen. Bis zum Abschluss im Jahr 1405
vergingen 25 Jahre. Rund 100.000 Militärsoldaten und Zivilisten
wurden zu dieser Arbeit herangezogen. Infolge von Kriegsschäden
sind vom Xiaoling-Grab neben dem eigentlichen Grab nur der
"Seelenweg", der "Bogen des Absitzens", das "Große Goldene Tor" und
die "Rechteckige Stadt" übrig.
1398 verstarb dann der Kaiser Zhu
Yuanzhang nach einer Herrschaftszeit von 31 Jahren. Die Sargkammer,
in der er und seine Frau begraben sind, wird auch "Baocheng"
(Schatzkammer) genannt und ist ein Lehmgewölbe mit einem
Durchmesser von rund 400 Metern und Wänden aus rechteckigen
Steinplatten. Nach 600 Jahren der Verwitterung stürzten Teile der
Wände ein und wurden aufgrund der Erdabsenkung riesige Risse in
einigen anderen Teilen des Mauerwerks sichtbar. Bis zum heutigen
Tag hat das Denkmalschutzamt der Stadt Nanjing in Reparatur und
Instandhaltung der Wände über 3 Millionen Yuan (0,36 Mio. USD)
investiert.
Den Anfang des Xiaoling-Grabes
bildet der "Bogen des Absitzens", der bis zur Schatzkammer mit
einer Tiefe von mehr als 2600 Metern im hinteren Teil führt. Der
Weg dorthin führt an 30 Funktionsbauten und Steinskulpturen
unterschiedlicher Stilrichtungen und Verwendungszwecke vorbei.
Die gestalterische Schaffenskraft
des Xiaoling-Grabes kommt auch in dem sich windenden "Seelenweg",
der von Steintieren und Steinfiguren flankiert wird, zum Ausdruck.
Hier zeigt sich die hohe Form der Steinschnitzkunst aus der frühen
Ming-Dynastie.
Die Ming-Gräber (Shisanling –
Dreizehn Gräber) liegen rund 44 Kilometer nordwestlich der Stadt
Beijing im Bezirk Changping und hier in einem breiten Tal südlich
des Tianshou-Berges (Berg des ewigen Himmels). Im Südwesten des
Tals fällt unvermittelt ein Ausläufer des Yanshan-Berges ab und
bildet ein natürliches Tor zu einer 40 Quadratkilometer langen
Talsohle. Dort genau befinden sich die Gräber. 13 der 16
Ming-Kaiser sowie 23 Kaiserinnen, eine hochrangige Konkubine und
ein Dutzend kaiserliche Konkubinen sind in diesem friedlichen Tal
begraben.
Während der Ming-Dynastie herrschte
weitestgehend die Auffassung, dass auch ein körperlich Toter noch
eine Seele hat und daher menschliche Bedürfnisse hegt. Grund dafür,
dass die Gräber der 13 Kaiser wie Kaiserpaläste anmuten.
Nach dem traditionellen chinesischen
Fengshui (Geomantie) richtet sich der gesamte Prozess der Auswahl
des Grabortes bis hin zur Gestaltung der Gräber an der Harmonie
zwischen Grabarchitektur und den umgebenden Bergen, Flüssen und der
Vegetation aus. Darin drückt sich der philosophische Gedanke aus,
dass der Mensch integraler Bestandteil der Natur ist.
Von den 13 Gräbern wurde nur das
Dingling-Grab von Kaiser Wanli (Regierungszeit: 1537-1619) 1956 von
Archäologen ausgegraben. Die gesamte restliche Grabarchitektur
blieb im Originalzustand erhalten. Der "Seelenweg" (Shendao) vor
jedem Grab sowie die übrigen architektonischen Bauten, wie das
Marmorgedenktor, das "Große Rote Tor" (Dahongmen), ein großer,
quadratischer Stelenpavillon, die "Allee der Tiere" und das
Drachen- und Phoenix-Tor (Longfengmen) sind in perfektem Zustand
anzutreffen. Zahlreiche während der Ming-Dynastie angepflanzte
Kiefern und Zypressen inner- und außerhalb der Gräber und entlang
des Seelenweges wachsen vorzüglich. Die Gräber der kaiserlichen
Konkubinen und Eunuchen im Mausoleum wurden während der späten
Qing-Dynastie wieder in Ackerland umgewandelt, doch die
unterirdischen Sargkammern blieben im Ursprungszustand
erhalten.
Trotz ihrer Größenvielfalt und
architektonischen Komplexität ähneln sich die Gräber allesamt in
der Grundanordnung, bei der eine rechteckige Form mit einer runden
(oder ovalen) Schatzkammer (Baocheng) im hinteren Teil im
Vordergrund steht. Am Anfang jedes Grabes steht eine Steinbrücke,
gefolgt von einem Eingangstor, einem Stelenpavillon, dem "Tor der
Hervorragenden Gunst", der "Halle der Hervorragenden Gunst", einem
Wachturm und schließlich der Schatzkammer. Die Anordnung der
Ming-Gräber hatte auf den Bau der Östlichen und Westlichen Gräber
der Qing-Dynastie weitreichenden Einfluss.
1957 wurden die Ming-Gräber durch
die Stadtregierung von Beijing unter Schutz gestellt.
Im Juli 2003 nahm das
UNESCO-Welterbekomitee auf seiner 27. Konferenz in Beijing
offiziell das Xiaoling-Grab in Nanjing und die Ming-Gräber
(Shisanling) als Teil der Kaiserlichen Ming- und Qing-Gräber in die
Welterbeliste auf.