Verlobungen unter Kindern waren einst in China üblich, vor allem auf dem Lande. Ein Mädchen und ein Junge wurden bei ihrer Geburt oder noch in ihrer Kindheit verlobt, wenn ihre Eltern der Meinung waren, dass die jeweils andere Familie standesgemäß war.

Diese Sitte hieß "wawa qin" oder "arrangierte Puppenehe".

Dieser Brauch, der in vielen Teilen der Welt vorherrschte und noch heute in einigen Gesellschaften gepflegt wird, führte manchmal zu tragischen Zusammenführungen, Ehen, die unter einem schlechten Stern standen oder Situationen, die in Büchern und Filmen dramatisiert wurden.

Natürlich wuchsen die Kinder in vielen Fällen damit auf, es als eine Selbstverständlichkeit zu akzeptieren, dass ihre Ehe und Zukunft von ihren Eltern geplant wurde und unanfechtbar war. Manche heirateten tatsächlich ihre Kinderliebe.

Heute ist eine spielerische Variante dieser "Puppenehen" bei jungen chinesischen Eltern beliebt. Sie verschaffen ihrem Sohn oder ihrer Tochter einen kleinen Spielgefährten, der später zu einem größeren Spielkameraden und schließlich zu einem besten Freund werden kann.

"Das ist eher ein lustiges Spiel, um eine entspannte und heitere Atmosphäre zwischen Freunden zu schaffen", sagt Brian Sun, ein 36-jähriger IT-Spezialist und Vater eines vier Jahre alten Jungen. "Die beste Freundin meiner Frau hat eine dreijährige Tochter. Unsere Familien hängen am Wochenende immer zusammen, so dass wir uns gegenseitig damit necken, dass mein Sohn der ,kleine Liebhaber' ihrer Tochter ist."

"Stellen Sie sich vor, ich habe dem kleinen Mädchen zum Valentinstag eine Schachtel Pralinen geschenkt und gesagt, die sei von meinem Sohn", sagte der Vater lachend.

Die "Verlobung" oder die "Dates" sind eher ein Spiel für die Eltern.

Feng Yalan, eine lokale Psychologin, rät Eltern, "ihren Kindern keine Ratschläge zum Geschlecht ihrer Spielkameraden zu geben."

"In den Augen eines Kindes ist es kein großer Unterschied, ob ihr Spielkamerad ein Mädchen oder ein Junge ist. Die Eltern schreiben besser nicht vor, ob ein Kind mit einem Mädchen oder einem Jungen spielen soll. Dies könnte beeinflussen, wie sie in ihrem späteren Leben über die Geschlechter denken. Es ist besser, wenn sie sich ihre Spielkameraden selbst aussuchen ", sagte sie.

Werden sich die häufige Kommunikation und der Kontakt zwischen einem Jungen und Mädchen auf deren künftige Beziehung zueinander auswirken?

"Es gibt den alten chinesischen Spruch qing mei zhu ma (wörtlich "grüne Pflaumen und Bambuspferd", ein beliebtes Kinderspiel), was bedeutet, dass ein Mann und eine Frau in ihrer Kindheit eine unschuldige Zuneigung füreinander hatten", sagte Xu Wenwen, Student an einer Universität in Shanghai. "Ich hatte so eine Freundin, aber der Kontakt brach ab, als sie mit ihrer Familie in die USA zog. Für mich ist sie noch immer ein Freund, aber nicht mehr."

Xus Mutter bedauert jedoch die Trennung. "Ich mag das Mädchen sehr gerne und wir sind eng mit ihrer Familie verbunden", sagte sie. "In meinen Augen passt sie perfekt zu meinem Sohn, da sich unsere Familien sehr gut kennen."

"Aber man kann das Leben nicht planen. Auch wenn sie noch hier in Shanghai wäre, wäre die Wahrscheinlichkeit einer echten Verlobung gering", sagte die Mutter.

"Heute verändert sich alles sehr schnell. Keiner kann garantieren, dass eine Beziehung lange hält. Ich glaube aber, dass die süßen Kindheitserinnerungen für beide sehr wertvoll sind."