Wohnhof |
Siheyuan 四合院 Jede Stadt hat ihre eigene Wohnkultur. Dadurch unterscheidet sie sich von anderen. Wie die Fachwerkhäuser die moselfränkische Landschaft prägen, so sind für Altbeijing die ebenerdigen grauen Wohnhäuser mit einer Mauer in Geschosshöhe drum herum typisch. Ganze Wohnviertel bestanden früher aus diesen „Siheyuan" genannten Wohnhöfen. Ein Siheyuan ist ein Wohnhof, der an allen vier Himmelsrichtungen von Häusern umgeben ist. „Si" ist die chinesische Grundzahl Vier; „He" symbolisiert das Zusammenleben mehrerer Generationen unter einem Dach und „Yuan" bezeichnet den Innenhof, der sich in der Mitte des Siheyuan befindet. Enge, manchmal auch verwinkelte Gassen gliedern ein traditionelles aus Siheyuan bestehndes Wohngebiet. Sowohl die Gassen selbst als auch die aus solchen Gassen bestehenden Wohngebiete werden als „Hutong" bezeichnet. Das Tor der meisten Siheyuan zeigt zur besseren Lichtdurchflutung nach Süden. Folglich verläuft die Mehrheit der Hutongs von Ost nach West. Die Straßenfront eines Siheyuan ist durch eine hohe graue Mauer und ein Portal mit Holztüren und Bronzenklopfern gekennzeichnet. Ein unentbehrlicher architektonischer Bestandteil der Fassade ist die Türschwelle. Die Türschwelle heißt auf Chinesisch „Menkan". Sie diente eigentlich dazu, Staub und kleine Tiere wie Mäuse abzuhalten. Außerdem soll sie auch Unglück fernhalten. Eltern verbieten deshalb ihren Kindern, an der Schwelle zu stehen, weil das Unglück bringen könne. Der Siheyuan ist selbst ein Träger der chinesischen Kultur. Die verschiedenen Wohnräume des Hofes waren den Familienangehörigen streng nach Alter und nach ihrer Generationsreihe innerhalb der Familie zugeordnet. Der Hauptraum im Norden, warm im Winter und kühl im Sommer und meistens höher als die übrigen Räume des Hofes gelegen, wurde von den älteren Generationen bewohnt. Die Dienerschaft der Familie wohnte in den gegenüberliegenden Räumen. Gäste der Familie wurden in einem der an die Haupträume angrenzenden Zimmer untergebracht. Räume an der östlichen Seite waren für Männer, und die westlichen Seitenräume für Frauen vorgesehen. Nicht nur die traditionelle chinesische Familienhierarchie findet in einem Siheyuan ihren Ausdruck. Auch zeigt sich hier das Verständnis der Architekten für das Verhältnis des Menschen zu seiner Umgebung: Die Menschen sollten nahe an der Natur sein, um gesund zu bleiben. Nach den traditionellen Gesundheitsvorstellungen der Chinesen soll man erdverbunden leben. Hinzu kommt, dass das Wohnen in einem ebenerdigen Haus vor allem für die älteren Leute angenehmer ist als in einem mehrstöckigen Gebäude. Außerdem bietet das Leben in einem Wohnhof bessere Möglichkeiten, Kontakte mit anderen Familienangehörigen oder Nachbarn zu pflegen. Nachbarschaftliche Kontakte gehörten also fest zur Soziologie eines Wohnhofes. Die großen Siheyuan hochrangiger Beamter und wohlhabender Kaufleute verfügten oftmals über wunderschön geschnitzte und bemalte Dachbalken und Säulen sowie durchdachte Landschaftsgärten. Die Siheyuan der einfachen Bürger waren weitaus kleiner und einfacher was Gestaltung und Verzierung anbelangt. Die Zeit der traditionellen Siheyuan ging mit der Qing-Dynastie (1644-1911) zu Ende. Während der Zeit der Republik China (1911-1948) wurde China von Bürgerkriegen und wiederholten ausländischen Invasionen gebeutelt. Die Stadt Beijing verfiel zusehends, die Bedingungen in den Hutongs verschlechterten sich. Die Siheyuan, einst im Besitz einer einzigen Familie und von dieser auch bewohnt, wurden nun zwischen vielen Haushalten aufgeteilt. Je nach Bedarf wurden dafür Anbauten mit den unterschiedlichsten, zur Verfügung stehenden Materialien vorgenommen. Dennoch spielte sich das Alltagsleben der einfachen Beijinger Bürger bis noch vor wenigen Jahren hauptsächlich in derartigen Wohnhöfen ab. (China.org.cn/Letzte Änderung: 16. April 2004)
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