Schreiben
Sie uns

Die alte Kulturstadt Dunhuang

Am 22. Juni 1900 stieß ein taoistischer Mönch namens Wang Yuanlu in Mogao bei Dunhuang der heutigen Provinz Gansu auf eine Höhle mit zahlreichen Kulturgegenständen, als er eine andere Höhle, die bei einem Sandsturm begraben worden war, wieder ans Tageslicht befördern wollte. Ausgegraben wurden mehr als 50 000 buddhistische Sutren, Dokumente mit gesellschaftlichem Wert, Stickereien, Seidenmalereien und kultische Gegenstände aus der Periode zwischen dem 4. und 11. Jahrhundert. Sie liefern überzeugende Beweise für die damalige Politik, Wirtschaft und Kultur.

Am östlichsten Abhang des Mingsha-Berges in Mogao, 25 km südöstlich von der Kreisstadt Dunhuang, gibt es viele weitere Grotten, die auf fünf Schichten angelegt worden sind. Die ganze Höhlengruppe bedeckt eine 1600 Meter lange Fläche des Berghangs. Auf der "Gedenktafel für buddhistische Nischen in Mogao" aus dem Jahr 698, zur Zeit der Tang-Dynastie, steht eine Inschrift geschrieben, die folgendermaßen lautet: "Ein buddhistischer Mönch namens Lezun kam im Jahr 366 an den Fuß des Mingsha-Berges südlich von Dunhuang. Von der wunderbaren Landschaft dort fasziniert, blieb er und grub eine Höhle. Danach entstanden weitere Höhlen. Die aus diesen Höhlen ausgegrabenen Kulturgegenstände sind ein Zeugnis der 1600 Jahre langen Geschichte der Grottenkultur von Dunhuang. Das alte China (Reich der Mitte) konnte aus Mangel an nautischer Technik keine Schiffahrt betreiben. Der Norden des Landes bestand aus weiten Eis- und Schneelandschaften. Die westliche Route war deshalb weitaus besser geeignet für den Handelsverkehr mit dem Ausland. Karawanen spielten bei der Verbindung zwischen China und den westlichen Ländern die Hauptrolle. Sie bahnten sich ihren Weg durch die weiten Sandwüsten. So entstand eine rege Handelsroute, die in Chang´an (heue Xi´an) und später in Luoyang der heutigen Provinz Henan begann und über Mittel- und Westasien, schließlich bis nach Ägypten, Griechenland und Rom führte. Dieser Handelsweg ist bis heute unter dem Namen Seidenstraße bekannt. Die Stadt Dunhuang lag an dieser Verkehrslinie. Sie war nicht nur ein lebhaftes Handelszentrum im westlichen Teil der heutigen Provinz Gansu, sondern auch eine wichtige Militärbasis im Westen des Reiches der Mitte. Ihre engen Pässe Yumenguan und Yangguan bildeten den westlichen und südwestlichen Schutzwall der Stadt. Die Seidenstraße, die durch die beiden Pässe führte, verband Dunhuang mit den westlichen Gebieten und dem östlichen Landesinneren. Der Danghe-Fluß entsprang im westlichen Schneegebirge und floß an Dunhuang vorbei. An seinen Ufern entstanden fruchtbare Oasen. Im Jahre 111 wurde hier eine Präfektur errichtet. In den späteren Jahren entwickelte sich Dunhuang zu einer "Weltmetropole". Dem "Jiu Tang Shu" (altes Geschichtsbuch über die Tang-Dynastie) zufolge zählte die Bevölkerung von Dunhuang im Zeitraum zwischen 742 und 756 ungefähr 116 200 Menschen (entspricht fast der heutigen Bevölkerungszahl dort). Dieser Vergleich liefert den Beweis dafür, daß Dunhuang damals ein hohes Entwicklungsniveau erreicht hatte.

Die Seidenstraße trug sowohl zum Handel als auch zum kulturellen Austausch zwischen China und den westlichen Ländern bei. Ausländische Karawanen und Gesandte reisten über Dunhuang ins Landesinnere Chinas. Sie brachten China nicht nur die Waren ihrer Länder, sondern auch ihre Religionen wie zum Beispiel den Buddhismus. Die buddhistischen Wandgemälde und Buddhaskulpturen in den Mogao-Grotten drücken eine harmonische Einheit der fremden und der chinesischen Kultur aus. Zahlreiche buddhistische Sutren wurden in die chinesische Sprache übersetzt. Damals studierten chinesische Mönche aufgrund dieser Übersetzungen den Buddhismus. Häufig war aber der Inhalt nur oberflächlich verständlich, weil die Sprachdifferenz der Übersetzungen zum Original doch zu groß war. Gelehrte Mönche beschlossen deshalb in den Westen zu pilgern, um an Ort und Stelle buddhistische Sutren zu studieren.

Zur Zeit der Sui-Dynastie (581-618) entwickelte sich die Wirtschaft Chinas schnell weiter. Der gesellschaftliche Reichtum vemehrte sich und dies förderte das kulturelle Aufblühen. Gleichzeitig verbreitete sich der Buddhismus in China sprunghaft. Dazu trugen die Sui-Kaiser Wen Di und Yang Di viel bei. Um ihnen für ihre Förderung des Buddhismus zu danken, verlieh man ihnen die Ehrentitel "großer Buddha-Kaiser" bzw. "leitender Buddha". Einerseits legte die damalige Zentralregierung Wert auf den Buddhismus, andererseits brauchten Karawanen und diplomatische Gesandte sowie Soldaten und Offiziere der Expeditionsarmee eine geistige Stütze, wenn sie unter schlechten Naturbedingungen die Sandwüsten bereisten oder in entfernten Gebieten leben mußten. So entstanden in Mogao bei Dunhuang zahlreiche buddhistische Grottentempel. Hier konnte man unter besten Bedingungen religiöse Veranstaltungen ausrichten. Die Buddhabilder und -statuen wurden nach den Wünschen der damaligen Menschen im chinesischen Stil gestaltet. Die Figuren sehen deshalb nicht abgezehrt und durchgeistigt wie die indischer Künstler aus, sondern wohlgenährt und wie gutherzige "Helfer" der Menschheit. Menschen, die eine schlechte gesundheitliche Kondition hatten, konnten keine Schneeberge, Sandwüsten und hohe Temperaturen überwinden, um zu den Stätten des Buddhismus zu pilgern. Diese beteten und stützten sich auf die göttliche Gnade. Die Decken und Wände vieler Grotten sind mit Bildern von buddhistischen Göttern und betenden Gläubigen bedeckt. Zu sehen sind auch fliegende Musiker- und Tänzerinnen im Paradies. Auf vielen Wandgemälden kommt aber auch das Alltagsleben der Bevölkerung zum Ausdruck. Das Wandgemälde "Gebet um Gnade durch die Gottheit Guanyin" zum Beispiel handelt von einer Karawane, die Seide nach dem Westen transportieren sollte. Dargestellt wurden ihre Gebetszeremonie vor der Abreise, das Tränken ihrer Kamele, ein Unfall vor einem Abgrund, wobei die Karawane ihre Waren verlor, ein Raubüberfall und Erpressungen durch undisziplinierter Soldaten. Die Kutten der Mönch- und Buddhafiguren in den Grotten Nr. 419, 427 und 492 sind mit Bildern fliegender Pferde, mit Löwen und Phönixe oder mit Rautenformen verziert. Die Komposition dieser Gestaltung geht auf Muster von Seidenbrokatstoffen zurück, die vor 1300 Jahren von Persern, Han-Chinesen, Tujie und Sute ungeachtet großer Strapazen und Lebensgefahren in den Westen transportiert worden sind.

Der Buddhismus, der seinen Ursprung in Indien hat, kam entlang der Seidenstraße nach China. Dann fügte sich diese Religion schnell in die chinesische Kultur ein und wurde von den Chinesen akzeptiert.

Die Seidenstraße spielte nicht nur bei der Verbindung der buddhistischen Kultur mit der einheimischen Kultur, sondern auch beim wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen China und den westlichen Ländern eine große Rolle. Der Kaiser Wu Di der Westlichen Han-Dynastie, der von 140 bis 88 vor Christus regierte, erließ eine aktive Außenpolitik, nach der man sich einen Weg zum Westen bahnen und dadurch den Austausch zwischen China und den fremden Ländern verstärken sollte. Diese Außenpolitik zielte darauf ab, die Entwicklung des Landesinneren zu beschleunigen. Wu Di war der Initiator des Aufbaus der Seidenstraße. Zur Zeit der Sui-Dynastie erstarkte das Land weiter. Dadurch hatten chinesische und ausländische Kaufleute gute Chancen, den Handel zu beleben. Der Kaiser Yang Di der Sui-Dynastie (581-618) schickte einerseits mehr Gesandte in die westlichen Länder, um diplomatische Beziehungen mit ihnen aufzunehmen bzw. zu befestigen, andererseits ließ er in Wuwei und Zhangye je einen Außenhandelshafen errichten. Zu seiner Regierungszeit leisteten mehr als 30 Länder regelmäßig dem chinesischen Kaiser Tribute. Im Jahr 609 begab sich Yang Di in Begleitung seines Gefolges von Chang´an (heute Xi´an) nach Nordwestchina, um diesen Landesteil zu inspizieren. Die Reise dauerte ein halbes Jahr. In Ganzhou (heute Zhangye der Provinz Gansu) fand unter seiner Leitung eine internationale Zusammenkunft statt, die, soviel wir heute wissen, als die erste großangelegte Messe ihrer Art bezeichnet werden kann. Yang Di hatte diese Zusammenkunft gut vorbereitet, in dem er Gesandte in westliche Länder schickte, um Investoren zu werben. Im "Sui Shu" (Geschichtsbuch der Sui-Dynastie) sind folgende Aufzeichnungen zu lesen: "Der Kaiser wurde während seiner Inspektion des westlichen Grenzgebietes von Gesandten westlicher Länder begrüßt. Sie standen Spalier und warteten respektvoll auf ihn. Als er kam, wurde Weihrauch abgebrannt und Musik erklang. Yang Di befahl den jungen Männern und Frauen in Wuwei und Zhangye, die ihn begrüßen sollten, sich prächtig anzuziehen und ihre Kutschen und Pferde zu schmücken. Die Präfektur- und Kreisregierung mußte Verstöße gegen diesen Erlaß bestrafen." Zu dieser Zeit war der Handelsverkehr entlang der Seidenstraße besonders lebhaft, und Dunhuang entwickelte sich zu einem internationalen Handelszentrum. Chinesische Waren, wie etwa Seide, Gegenstände aus Eisen, Jade und Bronze sowie Lackwaren, wurden in Hülle und Fülle über Dunhuang exportiert. Auch zahlreiche Waren aus Mittel- und Westasien sowie aus Europa, beispielsweise Gemüse, Aromastoffe, Edelsteine, Farbstoffe, Glas, Tiere und Musikinstrumente, kamen über diesen Weg nach China.

Der Kaiser der Tang-Dynastie (618-907) wies eine Politik der Öffnung nach außen an. Durch diese Politik wurde der Verkehr zwischen dem Osten und dem Westen belebt. Westliche Musik, Tanzkunst, Kleidung und Kochkunst kamen nach China und hatten damals großen Einfluß auf das Land. Die Frauen zum Beispiel bevorzugten westliche Kleidung. Hauptsächlich lange und enganliegende Kleider mit einem Ausschnitt bis zur Brust waren in den damaligen Städten Chinas in Mode. Sie wurden aus unterschiedlichen Stoffarten hergestellt und mit schönen Mustern verziert. Über dem Kleid trug man eine enge Jacke ohne Kragen oder hängte sich ein durchsichtiges Tuch aus Gaze über. Diese Kleidung zeigte in auffälligerweise die weiblichen Reize der Chinesinnen.

Mit Hilfe der Wandmalereien, Skulpturen und schriftlichen Dokumente, die in den vergangenen Jahren ausgegraben worden sind, konnte die Nachwelt einen Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Stadt Dunhunag erhalten.

(CIIC/23. November 2000)