Suzhou und seine Gärten

Suzhou ist eine der schönsten Städte in China. Sie liegt am Kaiserkanal in der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Südlich der Stadt liegt der größte Binnensee Chinas, der Taihu-See. Da Suzhou von Kanälen durchzogen ist, wird die Stadt auch "Venedig des Ostens" genannt.

Suzhou ist mit seiner 2.500 Jahre alten Geschichte eine der ältesten Städte im Jangtse-Delta. Die Gegend ist bekannt als die Wiege der Wu-Kultur. Wu war ein Sammelbegriff für die Stämme, die während der Shang-Dynastie vor etwa 3.000 Jahren hier lebten.

In der chinesischen Geschichte war Suzhou immer ein Handwerks- und Handelszentrum. Mit Fertigstellung des Kaiserkanals als Handelsverbindung zwischen Nord- und Südchina erlebte Suzhou einen besonderen Aufschwung.

Der italienische Reisende und Abenteurer Marco Polo hat die Stadt im Jahre 1276 besucht und als großartig empfunden. Bekannt auch als die Seidenstadt Chinas, ist Suzhou seit dem 14. Jahrhundert bis heute führend in der Seidenproduktion.

In der Stadt sind viele historische Gebäude und Anlagen im Original erhalten. Seit 1981 steht Suzhou - genau wie Beijing, Hangzhou und Guilin - auf der Liste schützenswerter Kulturstädte.

"Der Garten des Meisters der Netze" - auf Chinesisch Wangshiyuan - zählt zu den berühmtesten südchinesischen Privatgärten. Der Garten entstand im 18. Jahrhundert und ist sehr dicht bepflanzt und eng bebaut. Er weist eine Vielzahl verwinkelter, stiller und kleiner Höfe auf. Mittelpunkt des Gartens ist ein quadratischer Teich, der eine verhältnismäßig große Fläche des Grundstückes einnimmt und von Pavillons, Wandelgängen, über dem Wasser stehenden Bauten, Brücken und Felsen eingefasst ist. Die so entstandene Szenerie ist unglaublich abwechslungsreich. Das Ufer des Teichs ist mit Kalkstein gestaltet, wobei kunstvolle Nischen gebildet wurden - eine Übernahme aus der traditionellen chinesischen Landschaftsmalerei.

Ein anderer Garten, der unbedingt einen Besuch wert ist, ist der Zhuozhengyuan, auf Deutsch "Garten der Politik des einfachen Mannes" Er ist der größte und der bekannteste Garten in Suzhou und wurde in der Ming-Dynastie, die von 1368 bis 1644 herrschte, angelegt. Ursprünglicher Besitzer des Gartens war Wang Xianchen, ein pensionierter Feudal-Beamter. Unter den zahlreichen gut erhaltenen Privatgärten gilt der Zhuozheng-Garten als klassisches Beispiel der Gartenbaukunst in China.

Seit Jahrhunderten gab es hier und im gesamten Jangtse-Delta eine blühende Wirtschaft, vor allem Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Weberei florierten. Für die Entstehung der Gärten war der Reichtum der Bürger nur die eine Vorraussetzung. Auch das milde, feuchte Klima sowie die reichlich vorhandenen Wasserressourcen begünstigten die Anlage von Gärten.

Die Gartenbesitzer versuchten, in ihren Gärten ein Stückchen Natur widerzuspiegeln. Aus der chinesischen Philosophie wurde dabei die Vorstellung von der Harmonie zwischen Mensch und Natur übernommen. Der Mensch soll Respekt vor der Natur haben, er soll sie schützen und sie schätzen lernen. Dies ließ sich wunderbar in den Privatgärten verwirklichen, die als Imitation der Natur betrachtet wurden.

Um ihre Gärten naturnah zu gestalten, ignorierten die Besitzer die konventionellen architektonischen Regeln. Symmetrie zum Beispiel spielte keine Rolle. Verwinkelte Pfade, meist mit Kieseln gepflastert, oder kleine steinerne Brücken verbinden verschiedene Bauten im Garten. So wird der Eindruck vermittelt, als sei der Garten natürlich gewachsen. In den oft nicht einmal besonders großen Gärten wurden gern üppige Bäume oder ausladende Sträucher gepflanzt. Oft legte der Besitzer großen Wert auf die Details: Variationen am Schmuck der Fensterrahmen und Tür-Dekorationen sind meist denen der kaiserlichen Gärten überlegen. Die Privatgärten in Südchina sind also ein wahrer Genuss fürs Auge. Zu den vier Jahreszeiten bietet sich ein wechselndes Gartenpanorama. Nicht zuletzt weil das Klima so mild ist, dass die verschiedensten schönen Blumen gezüchtet werden können. Besonders beliebt waren auch Pfirsichbäume, Korbweiden, Amberbäume und auch Kiefern.

Eine abstrakte Stimmung zu verwirklichen, ist die höchste Stufe der Vollkommenheit in der chinesischen Kunst. Die dahinter stehenden Regeln sind allgegenwärtig in der chinesischen Kunstgeschichte. Natürlich gilt dies auch für die Gartenbaukunst. Die Besitzer wollten mit ihren Gärten ihr Verständnis von Natur und ihre Emotionen zum Ausdruck bringen. Mit Hilfe von Symbolen und Metaphern wird ein individuelles Flair geschaffen. Lotus, ein Symbol für Anständigkeit und familiäre Eintracht, wird in den Garten integriert. Für chinesische Intellektuelle sind Kiefer, Winterkirschblüte, Lotus und Bambus Symbole für hohe Werte. In fast allen Gärten im Jangtse-Delta wird Bambus gepflanzt.

Nicht selten findet man in den Privatgärten auch Gedichte und kalligraphische Spruchbänder. Denn die Besitzer wollten in ihren Gärten ein poetisches Flair schaffen. So wurden einzelnen Gebäuden oder Zonen in den Gärten oft auch poetische Namen gegeben. Ein sehr anschauliches Beispiel ist der „Liu-Ting-Ge-Pavillon" im Zhuozheng-Garten. Dieser Name ruft in uns Assoziationen an das Bild eines Abends im Frühherbst hervor, an dem der Regen auf die übrig gebliebenen Lotusblätter fällt...

Suzhou liegt an der Eisenbahnlinie Shanghai – Nanjing. In beide Richtungen gibt es häufige Zugverbindungen. Fast alle Reisenden kommen daher per Bahn nach Suzhou. Vom Shanghaier Flughafen Hongqiao fahren Busse nach Suzhou. Für die Fortbewegung innerhalb der sehr weitläufigen Stadt bietet sich das Fahrrad an.

(CRI/China.org.cn, 23. Juni 2004)