Nanjing - Geschichte und Sehenswürdigkeiten

1842 wurde auf einem britischen Kriegsschiff vor Nanjing der demütigende chinesisch-britische Vertrag von Nanjing unterzeichnet, durch den China in den folgenden 100 Jahren zur einer halbfeudalen und halbkolonialen Gesellschaft herabsank. Am Neujahrstag 1912 trat Dr. Sun Yat-sen in Nanjing den Posten des provisorischen Präsidenten der chinesischen Nationalregierung an und beseitigte das feudale dynastische System. Richtig aufgeblüht ist die Stadt aber erst im Jahr 1949, als die Volksbefreiungsarmee unter der Leitung der Kommunistischen Partei Chinas Nanjing eroberte und die Gründung des Neuen China verkündete.

Nanjing ist eine der historischen Hauptstädte Chinas und hat eine Geschichte von über 2.000 Jahren. In der Periode der Streitenden Reiche (475-221 v. Chr.) gründete König Wei des Staates Chu hier eine Stadt namens Jinling – auch heute wird Nanjing noch Jinling genannt. In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde Nanjing die Hauptstadt von sechs Dynastien. Vor über 600 Jahren gründete hier Kaiser Zhu Yuanzhang die Ming-Dynastie (1368-1644), Nanjing wurde deren Hauptstadt.

Nanjing liegt am Unterlauf des Yangtse. Im Osten erstreckt sich das fruchtbare Yangtse-Delta, im Norden die Ebene Jianghuai. Auf dem Berg Zijinshan, der höchsten Stelle der Stadt, steht das von China selbst gebaute moderne Observatorium. Von dort aus hat man nicht nur einen guten Überblick über die ganze Stadt, sondern auch – durch die zahlreichen historischen Sehenswürdigkeiten - einen guten Einblick in die Geschichte der Stadt.

Östlich des Observatoriums liegt das Grab des Begründers der Ming-Dynastie, Kaiser Zhu Yuanzhang. Die Gräber seiner Söhne, Enkel und Urenkel liegen in den bekannten Ming-Gräbern in Beijing, Diese Grabanlage ist die größte kaiserliche Grabanlage der Welt. Die architektonische Großzügigkeit der majestätischen Anlage konnten Zhus Nachkommen nie mehr erreichen.

Das 1929 erbaute Sun Yat-sen Mausoleum ist im traditionellen chinesischen Stil angelegt, imposant und weitläufig. Es liegt an einem Berghang, ist mit blauen, glasierten Dachziegeln versehen und bedeckt eine Fläche von über 3.000 Hektar, 2.000 davon sind Grünfläche. Steigt man vom Eingang der Anlage die von Bäumen gesäumten 392 Treppen hinauf, so steht man vor der Erinnerungshalle. Dort ist in der eigenhändigen Kalligraphie Sun Yat-sens "Alles unter dem Himmel ist Gemeingut" und "Aufrichtigkeit zwischen Himmel und Erde" zu lesen.

Die alte Stadt liegt heute inmitten moderner Bauwerke, Kraftfahrzeuge fahren durch die alten Stadttore. In den Yangtse münden zwei Flüsse, der eine ist der äußere Qinhuai-Fluss und fließt an der Stadtmauer vorbei, der andere heißt der innere Qinhuai-Fluss und schlängelt sich durch die Stadt. Zu beiden Seiten des inneren Qinhuai-Flusses liegen die traditionellen Geschäftsviertel und das vornehme Wohnviertel. Mit dem Fluss bilden sie eine besondere Landschaft.

Seit 1984 erlebt Nanjing durch Handel und Tourismus einen Aufschwung. So hat man die Infrastruktur erheblich verbessert und Maßnahmen zum Schutz von Sehenswürdigkeiten getroffen. Entlang des Qinhuai-Fluss wurde eine Straße für Gourmets, das Tor Zhonghua und die Geschäftsstraße Zhonghua angelegt, eine gelungene Kombination chinesischer und westlicher Architektur.

Die belebteste Straße ist die Konfuzianer-Straße. Geht man durch diese mit feinen Ziegelsteinen ausgelegte Straße, spürt man sofort die Begegnung von amerikanischer und chinesischer Kultur: Auf beiden Seiten der Straße stehen chinesische Teehäuser und amerikanische Fast-Food-Restaurants einträchtig nebeneinander. Die chinesischen Laternen tragen Cola-Werbeslogans. In alter Zeit war in dieser Straße die größte Stätte für die kaiserliche Beamtenprüfung. Heute stehen im Hof Wachsfiguren, die verschiedene Prüfungsszenen von damals in lebendiger Art darstellen. Um den Konfuziustempel herum gibt es Märkte für kunstgewerbliche Gegenstände und Imbissstände, die Nanjinger Spezialitäten anbieten.

Da Nanjing schon sehr früh von westlicher Kultur beeinflusst wurde, konnte man in der Stadt auch schon früh Phänomene der Vermischung von chinesischer und westlicher Kultur beobachten. Das Umland jedoch verharrte noch lange in seinem ursprünglichen Zustand. Erst seit der Zeit der Öffnung und Reform finden sich die Bauern auf der Jiangxin-Insel im Yangtse mit der traditionellen Lebensweise nicht mehr ab. Auch sie wollen an der Marktwirtschaft und am Handel beteiligt werden.

Die Jiangxin-Insel inmitten des Yangtse liegt nördlich der Stadt, hat eine Fläche von 15 Quadratkilometern und eine Bevölkerung von 12.000 Personen. Die Grünfläche macht 45 % der Gesamtfläche aus. Bauern haben dort ein Museum für volkstümliche Gegenstände und Hochzeitsbräuche eröffnet, Teehäuser gebaut und bieten eine eintägige Erlebnisreise an.

Zhou Ailing ist eine tüchtige Hausfrau und kennt sich in der Teekunst aus. Sie bietet nicht nur den traditionellen Nanjinger grünen Tee an, sondern hat auch neue Methoden der Teezubereitung entwickelt. Sie sammelt in anderen Provinzen antiquarisches Teegeschirr und stellt sie in ihrer Teestube aus. Viele, auch ausländische Touristen, sind beeindruckt, nachdem sie ihren Tee gekostet haben.

Lu Weisheng ist ein Bauer in mittleren Jahren. Seine Idee zur Eröffnung eines Museums für Ackergeräte rührt von den Beschwerden der Touristen her, dass der schönen Landschaft auf der Insel eine Sehenswürdigkeit fehle. So reiste Lu kreuz und quer durch das Land, um alte Ackergeräte zu sammeln. In seinem Museum können 500 Exemplare besichtigt werden. Die Besucher erfahren außerdem einiges über die Papierherstellung, das Drucken, das Mahlen von Reis und die Bedienung eines Wasserrades.

(China Heute/China.org.cn, 7 September 2004)