Langzhong

Fährt man von Chengdu aus auf der Chuanshaan-Landstraße (Sichuan-Shaanxi) entlang in Richtung Norden, sieht man an beiden Seiten der Landstraße soweit das Auge reicht unzählige in den Himmel ragende alte Zypressen. Sie bilden einen grünen Korridor, der sich über 150 km erstreckt. Am Ende dieses Korridors liegt die alte Stadt Langzhong mit einer Geschichte von mehr als 2.300 Jahren. Die Fläche des gut erhaltenen Stadtgebiets beträgt 1,5 qkm. 1986 wurde Langzhong vom Staatsrat als eine bekannte historische Kulturstadt staatlichen Ranges genehmigt.

Vom Kanbi-Pavillon auf dem Jinping-Berg kann man die ganze Stadt Langzhong, die von Bergen und dem Fluss Jialingjiang umgeben ist, überblicken. Der Jialingjiang gilt als Mutterfluss Langzhongs und hieß im Altertum "Langshui", was "Himmelsfluss" bedeutet.

Mein Begleiter Huang Heji ist schon 60 Jahre alt. Er kennt die alte Stadt Langzhong so gut, dass man ihn das "lebende Lexikon Langzhongs" nennt. Er erzählte mir, dass die Wahl der Lage Langzhongs eng mit der Genomantik (Weissagerei aus Bodenbeschaffenheit, Geländeform u. ä., bei der Wahl von Bauplätzen oder Grabstellen zu Rate gezogen) zu tun hat. Zwar gehört die Genomantik zu den spekulativen Wissenschaften, ihr Kern, Natur und Mensch zu vereinen, ist aber anzuerkennen, so meint er.

Langzhong liegt am Mittellauf des Jialingjiang und ist daher das Umschlagszentrum für Waren und Güter aus den Gebieten am Ober- und Unterlauf dieses Flusses. Außerdem spielte Langzhong früher eine wichtige Rolle bei der Anbindung der Provinz Sichuan an die zentralen Gebiete Chinas.

In Langzhong gibt es mehr als 90 alte Straßen. Jede von ihnen hat eine eigene Geschichte. Beispielsweise hat die Zhuangyuan-Straße ihren Namen bekommen, weil dort die Residenz der Brüder Yin aus der Tang-Dynastie, die beide Zhuangyuan (Examensbester in der kaiserlichen Prüfung) waren, lag.

Neben den alten Straßen gibt es in Langzhong zahlreiche alte Häuser und Höfe. Sie haben den Baustil der Tang- und Song-Dynastie, wurden aber in der Qing-Dynastie sowie in der Republik China (1912-1949) gebaut. Man kann diese alten Häuser und Höfe in drei Kategorien gliedern: 1) Amtliche Gebäude. Sie sind imposant und prächtig und haben die höchsten Dächer in Langzhong; 2) Bauten für Schiffstransport, Handel und Geschäft. Sie liegen straßenwärts und sind von einfachem Stil; 3) Private Wohnhäuser mit verschiedensten wunderschönen Schnitzereien an Türen, Fenstern und Dachvorsprüngen, die eine große Attraktion für Touristen bilden. Beispielsweise gibt es über 100 Arten von Schnitzereien am Fensterrahmen, die das Alltagsleben und natürliche Landschaften darstellen oder Glückverheißung und Wünsche ausdrücken.

Langzhong hat drei bekannte Spezialitäten zu bieten: den Baoning-Essig, das Zhangfei-Rindfleisch und das süße Dampfbrot der Stadt.

Vor meiner Ankunft in Langzhong kannte ich nur den Laochen-Essig aus der Provinz Shanxi, den Reisessig südlich des Unterlaufs des Yangtse und den Roten Essig aus der Provinz Fujian. In Langzhong habe ich den Baoning-Essig kennen gelernt und erfahren, dass man ihn pur trinken kann. Die Leute in Langzhong trinken den Baoning-Essig gern, weil er nicht nur einen guten Geschmack, sondern auch 18 Aminosäuren und Spurenelemente hat. So standen beim Empfangsessen zwei Gläschen vor mir, das eine für Schnaps und das andere für den Baoning-Essig. Der Essig erhielt seinen Namen weil in Langzhong in der Yuan- und Ming-Dynastie der Verwaltungsbezirk Baoning errichtet wurde.

Das Aussehen und den Geschmack des süßen Dampfbrots kann man sich leicht vorstellen. Dagegen ist zu erklären, was für eine Beziehung es zwischen Rindfleisch und Zhangfei gibt. Zhangfei ist ein bekannter General aus der Periode der Drei Reiche (220-280). Er war sieben Jahre lang für die Verteidigung Langzhongs zuständig und hatte in dieser Zeit viele Maßnahmen, die dem Volk Nutzen brachten, ausgearbeitet. Heute sind in Langzhong viele Statuen Zhangfeis zu finden. Um dem General zu gedenken, und auch weil das Rindfleisch angeblich so dunkel wie Zhangfei ist, wird es Zhangfei-Rindfleisch genannt.

Während meines Aufenthaltes in Langzhong haben die Visitenkarten, einschließlich der des Bürgermeisters, einen tiefen Eindruck auf mich gemacht. Denn ihre Vorderseite ist mit Fotos verschiedener Sehenswürdigkeiten Langzhongs verziert und ihre Rückseite mit dem Gedicht "Langshui Ge" über Langzhong, das vom berühmten Tang-Dichter Du Fu geschrieben wurde.

(China Heute/China.org.cn, 22. November 2004)