Die regenbogenfarbige Heimat der Tu-Nationalität

Wenn sie als Städter bereits an Hektik und Lärm der Stadt gewöhnt sind und sie als Bestandteil des Alltagslebens empfinden, sollten sie einmal aufs Plateau Qingzang (Qinghai-Tibet) im Westen Chinas reisen. Dort gibt es blauen Himmel, weiße Wolken, grüne Berge und Wiesen sowie im Sonnenschein schillernde Rapsblüten. Die Einwohner leben hier noch in vollendeter Harmonie mit der Natur.

Im Nordosten der Provinz Qinghai liegt der einzige autonome Kreis der Tu-Nationalität in China, der autonome Kreis Huzhu. Dort leben 70.000 Einwohner der Tu-Nationalität. Die einzigartige Landschaft und die Sitten und Bräuche der Einwohner wirken wie ein Magnet auf Touristen und Ethnologen, die das Brauchtum sowie die Tier- und Pflanzenwelt in der Heimat der Tu-Nationalität kennen lernen wollen.

Die Vorfahren der Tu-Nationalität waren einst Nomaden, die auf dem Steppenland das Königreich Tuguhun gegründet hatten, das 300 Jahre bestand. Nach dem Untergang des Königreichs in der Mitte des 7. Jahrhunderts hat sich in der Region Hehuang in Qinghai durch Verschmelzung mit Mongolen, Han-Chinesen und Tibetern eine neue Nationalität, die Tu-Nationalität, herausgebildet. Seit eintausend Jahren leben die Angehörigen der Tu-Nationalität in diesem schönen und sagenumwobenen Land und haben sich von Nomaden zu bodenständigen Bauern entwickelt.

Die Anmut des Regenbogens

Man pflegt die Tu-Nationalität als die "Nationalität des Regenbogens" und ihren Wohnort als die "Heimat des Regenbogens" zu bezeichnen. Die Tu-Nationalität verherrlicht die Natur, für sie ist der Regenbogen eine bewundernswerte Naturerscheinung. Das zeigt sich besonders deutlich in ihren Trachten. Der Kopfschmuck der Frauen der Tu-Nationalität ist der "Niuda", ein vielfarbiger, schön gestalteter Schmuck. Die Jackenärmel der Frauen sind mit fünffarbigen (rot, gelb, grün, blau und weiß) Stoffen bzw. Seiden genäht. Trägt man ein solches Kleidungsstück, vermittelt es den Eindruck, als ob man im Regenbogen stünde. Die jeweilige Farbe hat auch ihre eigene symbolische Bedeutung: rot bedeutet die Sonne und das Glück, gelb die große Erde und die Ernte, grün Pflanze und Hoffnung, blau imaginäres Meer und Stille, weiß Schaf- und Rinderherde und Segnung. Mit diesen Farben sind die Wünsche der Angehörigen der Tu-Nationalität nach einem glücklichen Leben verbunden.

Zur Heimat der Tu-Nationalität bestehen heute günstige Straßenverbidung. Fährt man von der Provinzhauptstadt Xining 30 km nach Norden, erreicht man die Kreisstadt Weiyuan. Der Glocken- und Trommelturm in der Mitte der Stadt hat zahlreiche umwälzende Ereignisse in der Vergangenheit überstanden. Er wurde in der Ming-Dynastie (1368-1644) gebaut und ist heute 377 Jahre alt. Um die Kreisstadt Weiyuan herum sind vielfältige touristische Sehenswürdigkeiten verteilt.

Geht man von der Straße Pingda aus 14 km in westlicher Richtung, erreicht man den Tempel Fünf Gipfel. Dort gibt es reißende Wasserfälle, dichte Wälder und seltene Vögel, alte Bauwerke stehen vereinzelt in dieser Landschaft. Geht man dann 15 km in nördlicher Richtung, kommt man in ein Landschaftsgebiet mit einer Schlucht. An der Schlucht und am See ragen alte Bäume zum Himmel empor, man sieht außerdem weite Felder mit Rapsblüten und große Schaf- und Rinderherden. Geht man weiter in östlicher Richtung, erreicht man den Tempel Youning, dessen Sutra-Hallen in prunkvoller Dekoration erstrahlen. In diesem Tempel sollen in seiner Blütezeit über 7.000 Mönche gelebt haben.

Der Kreis Huzhu ist eine Region, in der neben den Tu und Han-Chinesen noch Tibeter und Angehörige der Hui-Nationalität leben. Wegen ihres unterschiedlichen historischen und kulturellen Hintergrunds sind verschiedene Religionen wie der Buddhismus, der Lamaismus, der Islam, der Daoismus und das Christentum vertreten. Dementsprechend gibt es verschiedene religiöse Stätten. 70 km nördlich der Kreisstadt liegt der Staatliche Waldpark Nordberg, er hat eine Fläche von 113.000 ha und ist einer der größten Wälder in der Provinz Qinghai. Es gibt Dutzende von Sehenswürdigkeiten. Das Landschaftsbild ändert sich mit dem Wechsel der Jahreszeit. Da bieten sich verschiedene schöne Anblicke. Besonders zu erwähnen sind der Große Hule-See und der Kleine Hule-See, die wie zwei Perlen den 3.700 m hohen Gipfel einfassen.

Der Park ist nicht nur ein Naturlandschaftsgebiet, sondern auch ein botanischer und zoologischer Garten, in dem über eintausend Spezies beheimatet sind. Das Gebiet ist damit die artenreichste Gegend in der Provinz Qinghai.

Hochzeitsbräuche der Tu-Nationalität

Bei der Tu-Nationalität kann man ihre besonderen Hochzeitsbräuche kennen lernen. Die Hochzeit bei der Tu-Nationalität ist feierlich, prunktvoll, aber auch lustig, wie ein Theaterstück mit Braut und Bräutigam in den Hauptrollen. Die Hochzeitszeremonie ist in gewisser Hinsicht umständlich und besteht aus folgenden Schritten: Abholen der Braut, Aufsteigen auf das Pferd, Anbeten von Himmel und Erde und abschließend ein Hochzeitsbankett mit Gesang.

Das Abholen der Braut beginnt an einem Abend. Die Vertreter des Bräutigams, die schlagfertig und in Tanz und Gesang bewandert sind, kommen zur Familie der Braut, sie werden jedoch von den Schwestern oder Freundinnen der Braut erwartet und von ihnen auf den Arm genommen. Die Vertreter werden vor der Tür des Hauses in scherzhafter Weise schikaniert und abgelehnt, indem Wasser auf sie geschüttert wird. Nachdem sie endlich rein gelassen worden sind und Essen bewirtet werden, singen die Schwestern und Freundinnen Lieder mit spöttischem Inhalt und erzählen bissige Witze am Fenster, um die Vertreter zu demütigen. Sie stellen noch Fragen, die die Vertreter nicht zu beantworten wissen. Diese werden dadurch zwar in Zorn gebracht, aber sie dürfen ihn nicht äußern. In der peinigenden Situation werden sie zudem ausgelacht. Dadurch wird die Stellung der Braut hervorgehoben. Nach dem Essen singen und tanzen die Vertreter des Bräutigams und die Schwestern der Braut zusammen um das Lagerfeuer im Hof. In der Morgendämmerung bekommt die Braut eine neue Frisur und die Hochzeitstracht. Dann beginnt die Zeremonie des Aufsteigens auf das Pferd: Die Freundinnen der Braut vollführen einen Gesang, und die Braut äußert in einem rührseligen Lied ihre Dankbarkeit an die Eltern, den älteren Bruder sowie die Schwägerin und zeigt die Wehmut der Trennung. Nach der Ankunft bei der Familie des Bräutigams wird für Braut und Bräutigam die Zeremonie des Anbetens von Himmel und Erde abgehalten. Das neue Ehepaar bedankt sich bei den Gästen und gibt ein Bankett für sie. Danach erfolgt der Abschiedsgesang. Durch die Hochzeitszeremonie werden verschiedene Aspekte des Lebens, vor allem die Lebenseinstellung und der Wunsch nach einer guten Zukunft sowie die Kunstfertigkeit von Tanz und Gesang der Tu-Nationalität gezeigt.

Rad-Gymnastik und Anzhao-Tanz

Die Rad-Gymnastik ist auf eine volkstümliche Betätigung zurückzuführen, die man auf dem Dreschplatz treibt. Dort stellt man die großen Handkarren senkrecht und macht Gymnastik auf dem Rad. Im Lauf der Zeit hat man die groben hölzernen Räder zu fein bearbeiteten speziellen Rädern entwickelt und diese Gymnastik vom Dreschplatz auf die große Bühne der Großstädte verlegt. Die Rad-Gymnastik wurde auf dem Sportfest der nationalen Minderheiten des ganzen Landes fünfmal mit einem Preis ausgezeichnet und mit großem Erfolg auf dem Festival der volkstümlichen Kunst Chinas in Hongkong aufgeführt.

Der Anzhao-Tanz ist der älteste und repräsentativste Tanz der Tu-Nationalität. Die Vorfahren der Tu-Nationalität haben in ihrer langen Zeit als Nomaden und Krieger besonders charaktervolle Tanzarten für den Sieg, die Ernte und die Hochzeit entwickelt. Sie tanzten um ihre Filzzelte und das Lagerfeuer. Dieser in alter Zeit entstandene Tanz hat heute feste Formen: Partnertanz und Gruppentanz im Kreis. Der Anzhao-Tanz stellt eine kunstvolle Kombination von Gesang und Tanz dar, in dem die Angehörigen der Tu-Nationalität ihre Lebensgefühle und zugleich ihre freundliche Begrüßung für die Gäste zeigen. Der Anzhao-Tanz ist mit vielen Symbolen ausgestattet. Wenn die Tänzer ihren Kopf nach unten senken, dann bedeutet das, dass sie die Erde anbeten; wenn sie ihre Ärmel nach oben werfen und ihre Blicke zum Himmel richten, dann bedeutet das ihre Verehrung des Himmels. Außerdem werden durch symbolhafte Handbewegungen und Schritte ihre Gastfreundschaft und freundliche Lebensgefühle zum Ausdruck gebracht. Die Rad-Gymnastik und der Anzhao-Tanz passen gut zusammen. Um die Rad-Gymnastik in der Mitte wird ein Gruppentanz im Kreis aufgeführt.

Einheimische Sitten und Gebräuche und der Gerstenschnaps

Das viel besuchte Dorf Huzhu liegt im westlichen Vorort der Kreisstadt und hat eine Fläche von 6,3 qkm. In diesem Dorf sind die Landschaft und die Gartenkunst in eindrucksvoller Weise miteinander verbunden. Inzwischen ist für dieses Dorf ein vielseitiges und touristisches Programm entwickelt worden, das die Betrachtung der besonderen Landschaft, seltener Blumen und Bäume, Sitten und Gebräuchen und die Besichtigung von Ausstellungen und Kulturdarbietungen sowie Einkauf und Probieren von lokalen Imbissen umfasst. In diesem Dort sind kulturelle Besonderheiten und die Lebensstile der hier ansässigen Tu-Nationalität, Hui-Nationalität, Tibeter und Han-Chinesen zusammenfassend dargeboten. In diesem Kreis gibt es neben über zehn Siedlungen mit Lokalkolorit auch gut ausgestattete Ferienhäuser.

In verschiedenen touristischen Veranstaltungen spielt der Gerstenschnaps eine wichtige Rolle. Die Angehörigen der Tu-Nationalität sind sehr gastfreundlich und begrüßen die Gäste mit einem Gerstenschnaps. In ihrer Symbolik ist die Drei eine Glückszahl. Wenn die Gäste bei der Ankunft vom Pferd absteigen, werden ihnen drei Gläschen Schnaps überreicht; desgleichen, wenn sie sich an den Tisch setzen und wenn sie bei der Abreise aufs Pferd aufsteigen. Drei Gläschen Gestenschnaps bringen Glück.

Die Angehörigen der Tu-Nationalität sind stolz auf ihren mit Hochlandgerste gebrannten Schnaps, in der Tat entsprang Gestenschnaps dieser Region. Darüber gibt es noch eine schöne Überlieferung: Einmal trafen sich die acht Unsterblichen der chinesischen Mythologie im Ort Yaochi. Auf dem Rückweg machten sie betrunken in Weiyuan Rast. Als sie wach wurden, holten sie Wasser aus einem Brunnen. Das Wasser schmeckte süßlich und erfrischte die Unsterblichen. So hat Li, einer der acht Unsterblichen, seinen Schnapsbehälter genommen, Schnaps in den Brunnen gegossen und eine Bemerkung dazu geschrieben: "Wer mit dem Wasser aus diesem Brunnen Schnaps brennt, der wird den besten Schnaps der Welt erhalten." Später hat man tatsächlich mit dem Wasser aus dem Brunnen Schnaps gebrannt. Der versprochene wundersame Schnaps ist entstanden. In der Ming- und Qing-Dynastie (1368-1644; 1616-1911) war der Schnaps aus Weiyuan im ganzen Nordwesten Chinas bekannt. Die heutige Schnapsbrennerei Qinghai wurde auf der Grundlage der früheren Manufaktur gebaut. Der Grundstoff des Gerstenschnaps der Marke Huzhu ist die auf dem Plateau Qingzang (Qinghai-Tibet) angebaute spezielle Gerste, hinzu kommen noch einheimische Heilkräuter. Für das Brennen werden sowohl das traditionelle Verfahren als auch moderne Technik verwendet. Heute liegt in der Gemeinde Weiyuan die größte Produktionsbasis des Landes für Gerstenschnaps.

Die Besichtigung der Brennerei ist auch ein interessanter Punkt im touristischen Programm. In der modernen Brennerei kann man den ganzen Produktionsprozeß vom Gären, über Destillation und Vermengen bis zum Verpacken besichtigen. Hier trifft ein Spruch der Tu-Nationalität zu: Wenn man in der Heimat der Tu-Nationalität keinen Schnaps probiert, dann hat man sie vergeblich besucht.

(China Heute/China.org.cn, 22. Dezember 2004)