Hanshan–Zentrum der Seidenraupenzucht

Das Jangtse-Delta ist ein uraltes Einzugsgebiet mit einer seit jeher gut entwickelten Landwirtschaft. Seit Jahrhunderten leben die Menschen im Jangtse-Delta von Reisanbau und Seidenraupenzucht. Die lange Tradition der Seidenraupenzucht hat denn auch die einzigartige Kultur sowie die Sitten und Gebräuche der Einwohner geprägt.

Der Hügel Hanshan erhebt sich am sogenannten Großen oder Kaiserkanal, der von der idyllischen Stadt Hangzhou in der ostchinesischen Küstenprovinz Zhejiang bis in die chinesische Hauptstadt Beijing führt. Die Ortschaft Hanshan am Fuß des Hügels ist eine Jahrtausende alte Hochburg der Seidenraupenzucht, die auch den Alltag vieler Einwohner prägt. So pflegen die Bauern Hanshans seit Jahrhunderten folgende Tradition: Am Totengedenktag erbitten Sie von den Göttern und Schutzpatronen der Seidenraupenzucht eine gute und reiche Ernte. Diese Zeremonie ist das wichtigste Ereignis im Jahresverlauf der Bauern.

Die Wahrzeichen der Ortschaft Hanshan sind eine 7-stöckige Pagode sowie der Tempel der Seidenraupengötter auf dem Hügel. Dieser Tempel ist auch Schauplatz des jährlichen Seidenraupenfestes.

In der Halle des Tempels werden die Figuren der Seidenraupenhexe und eines weißen Pferdes aufbewahrt. Beide sollen einst vom Himmelskaiser auf die Erde gesandt worden sein, um den Bauern zu helfen, Seidenraupen zu züchten. Die Einheimischen haben deshalb große Ehrfurcht vor den beiden Reliquien. Jedes Jahr zum traditionellen chinesischen Totengedenkfest, das normalerweise nach dem traditionellen Bauern- oder Mondkalender auf den 4. oder 5. Tag des vierten Monats fällt, wird auch das Seidenraupenfest in Hanshan zelebriert. Der traditionelle Mondkalender und die damit verbundenen Bauernregeln weisen diesen Tag als den optimalen Zeitpunkt aus, nach dem langen und kalten Winter mit der Bestellung der Felder zu beginnen. An diesem Tag gedenkt man also nicht nur der verstorbenen Verwandten und Familiemitglieder, sondern bereitet sich zugleich auch auf das kommende Jahr vor. Zu den angemessenen Vorbereitungen gehört natürlich auch die Bitte um gute Ernteerträge.

Schon frühmorgens machen sich die Bauern aus den Dörfern und Städten der Ortschaft Hanshan auf den Weg zum Tempel des Hanshan-Hügels. So bringen die Seidenraupenzüchter ihre Opfergaben sowie die Eier, die die Seidenraupen im vergangenen Sommer gelegt haben, mit in den Tempel, um den Segen der Götter zu erbitten.

Der genaue Ablauf des Rituals sieht folgendermaßen aus: Etwa um halb Zehn sind Glocken- und Trommelschläge aus dem Tempel zu vernehmen. Sie zeugen vom Stelzenlauf, von Löwentänzen und anderen folkloristischen Darbietungen, die in der Tempelanlage stattfinden. Diese leiten dann allmählich das überlieferte Anbetungsritual ein.

Der Höhepunkt des Tages ist erreicht, wenn sich die Bauern vor der Halle der Seidenraupengötter versammeln. Auf dem Tisch vor den göttlichen Statuen häufen sich die sakralen Opfergaben für die Götter - so beispielsweise Rind- und Schweinefleisch, Reiskuchen und Reisschnaps.

Die Tempelanlage scheint sich so jedes Jahr zu einer bunten Märchenwelt zu entwickeln: Die Leute schmücken sich mit farbenfrohen Trachten, die Gebäude des Tempels sind mit bunten Lampions unterschiedlicher Formen und Größe dekoriert.

Erhoben, am Kopf des Altars, unmittelbar vor den Statuen, steht ein Priester. In seiner Hand schwingt er ein dickes gelbes Buch. Darin stehen seltene alte Schriftzeichen. Der Priester liest leise etwas daraus vor, während die Bauern von unten respektvoll zu ihm heraufschauen. Der Monolog des Priesters vor der Gottesstatue ist kaum zu hören. Die Zeremonie dauert etwa 15 Minuten. Dann drängen die wartenden Menschen in die Halle hinein. Jeder will Weihrauch vor der Hexe oder dem weißen Pferd entzünden und mit dieser Opfergabe eine reiche Ernte erbitten. Die Bäuerinnen finden sich dann in die Halle der barmherzigen Göttin Guanyin ein, um diese um Hilfe im alltäglichen Leben zu bitten. So beten auch die Hausfrauen bei der Göttin für ein sicheres Leben ihrer Familie.

Seit Jahrhunderten wird die Opferzeremonie im Tempel von einem großen Jahrmarkt rund herum begleitet. Händler bieten dabei ihre unterschiedlichen Waren feil - das Angebot reicht von Artikeln für den Alltagsgebrauch über Nahrungsmittel bis hin zu Schmuck. Sogar Spielzeug für die Kinder lässt sich hier erwerben. Selbstverständlich wird auf dem Markt auch Zubehör zur Seidenraupenzucht angeboten.

(CRI/China.org.cn, 29. Dezember 2004)