Taohuayuan - eine Welt der Pfirsichblumen

Heute machen wir Halt in der Ortschaft Taohuayuan. Taohuayuan bedeutet auf deutsch etwa "Welt der Pfirsichblumen".

In China erzählt eine Überlieferung aus alter Zeit: dass ein Fischer sich einmal verlaufen hatte und dabei einen von Pfirsichbäumen bewachsenen Hügel erreichte. Dort fand er ein von der Außenwelt isoliertes Dorf vor. Die Bürger dort führten ein beschauliches Leben. Sie erzählten dem Fischer, dass ihre Vorfahren vor Jahrhunderten während der Kriege hierher zogen. Jahrhunderte waren seitdem vergangen. Die Menschen hörten nichts davon, welche Überwälzungen in der Außenwelt in der Zwischenzeit geschehen waren. Nachdem sie dem Fischer ihre Geschichte erzählten, halfen sie ihm, seinen Heimweg zu finden. Der Fischer machte auf dem Weg nach Hause Markierungen an, um eines Tages das schöne und ruhige Dorf wiederzufinden. Leider kehrte der Fischer nie wieder in die Welt der Pfirsichblumen zurück. Der von Pfirsichblumen bewachsene Hügel und das isolierte Dörfchen sowie das ruhige Leben der Menschen dort blieben für ewig ein Mythos.

In der wirklichen Welt gibt es tatsächlich ein halbisoliertes Dorf weit entlegen an einem von Pfirsichblumen bewachsenen Hügel. Die Ortschaft heißt Taohuayuan in der Nähe der Stadt Changde in der zentralchinesischen Provinz Hunan.

An einem Nachmittag im Herbst machen wir uns auf den Weg und fahren von Changde aus nach Taohuayuan. Das Dorf liegt eine halbe Autostunde von Changde entfernt. Unser Auto durchquert einen Pfirsichhain, von dem unsere Führerin Zhou Liying erzählt, dass er 130 Hektar groß ist und mehr als 100.000 Pfirsichbäume zählt. Unser Auto macht schließlich Halt vor einem hölzernen Ehrentor. Wir steigen aus dem Auto und folgen unserer Führerin zu einer kleinen Höhle. Durch sie gelangen wir in das Dorf. Wie unserer Reiseführerin Zhou Liying weiter erzählt, ist das Dorf wirklich halb isoliert von der Außenwelt:

"Erst wenn Sie durch die Höhle gehen, können Sie die Bauerngehöfte sehen. In dem Dorf leben 9 Bauernfamilien. Die Höhle ist die einzige Verbindung zwischen dem Dorf und der Außenwelt. Die Gegenstände, die die Bauern im Alltag benutzen, wurden meist von ihnen selbst hergestellt. Die Häuser hier sind zum größten Teil aus Holz oder Bambus errichtet."

Zwischen den Reisfeldern und Fischteichen stehen einige kleine Häuschen aus Holz oder Bambus. Vor und hinter den Häuschen stehen Pfirsich- und Maulbeerbäume. Hinter dem Dorf erheben sich hohe Berge, zu deren Füßen sich ein großer See erstreckt. Die Bauern erzählen, dass ihre Vorfahren Flüchtlinge waren, die vor den Wiedervereinigungskriegen vor rund 2.000 Jahren hierher geflohen seien.

Vor einem kleinen Baumbushäuschen unterhalten wir uns mit einer Bäuerin. Sie reicht jedem von uns eine Schüssel mit einer Flüssigkeit mit verführerischem Aroma, die wir für eine Brühe halten. Unser Begleiter Tang Qizhi berichtigt uns jedoch. Dies sei keine Brühe, sondern Tee. Die Gastgeber zeigten ihren Gästen die höchste Ehrerbietung, wenn sie den Gästen diesen Tee anbieten, erklärt uns Tang Qizhi weiter:

"Der Tee heißt Lei-Cha. Man nimmt Ingwer, Reis und Teeblätter in einen Mörser und dann gibt man noch Erdnüsse und Sesam dazu. Mit dem Mörser zerkleinert man das ganze zu einem Pulver. Dann wird der Lei-Cha-Tee aufgebrüht."

Wie Tang Qizhi uns weiter erzählt, hat der Tee insbesondere bei Erkältungen eine heilende Wirkung.

Oft lädt man die Nachbarn nachmittags zu sich zum Lei-Cha-Tee ein. Jeder bringt etwas zum Essen mit, meistens gebratene Teigwaren. Und so verbringen die Bauern ihren Nachmittag beim Teetrinken und Plaudern.

Wir verlassen wehmütig das ruhige Dorf und begeben uns durch die Höhle wieder in die Außenwelt. Die religiöse Musik, die wir plötzlich hören, schallt vom taoistischen Kloster auf dem von Pfirsichbäumen bewachsenen Hügel herüber. Wir entschließen uns, das Kloster zu besuchen. Im Kloster angekommen, werden wir Zeuge einer religiösen Zeremonie. Der 76-jährige Priester Fa Yun erzählt uns, dass das Kloster zu seiner Blütezeit noch viel imposanter war:

"Das erste Kloster auf dem Hügel der Pfirsichblumen wurde während der Jin-Dynastie vor mehr als 1.800 Jahren gebaut. In den folgenden Dynastien hatte man das Kloster mehrmals ausgebaut und neue Tempel zusätzlich gebaut. Zu seiner Blütezeit standen auf dem Hügel 48 taoistische Klöster. Das größte Kloster erstreckte sich über 2,5 Kilometer."

Laut dem Priester wurden die meisten Klöster in Kriegen zerstört. Das Wanshou-Kloster, also das Kloster der Langlebigkeit wurde auf den Ruinen alter Tempelanlagen wiederaufgebaut. Im Vergleich zur Vergangenheit ist der heutige Tempel viel kleiner.

Hinter dem Kloster fließt der Yuanjiang-Fluss am Fuße eines Hügels vorbei. Der Yuanjiang-Fluss entspringt in der südwestlichen Provinz Guizhou. Vom Shuifuge-Pavillon aus gewinnt man einen perfekten Überblick darüber, wie sich der Fluss 60 Kilometer lang durch die Landschaft windet. Oft fliegen Seidenreiher vom Fluss am Pavillon vorbei.

Nun aber sagen wir Ihnen, wie auch Sie einmal nach Taohuayuan kommen können. Sie können aus Beijing oder Guangzhou in die Stadt Changde fliegen. Taohuayuan liegt nur eine halbe Autostunde von der Stadt. Oder Sie können von der Provinzhauptstadt Changsha auf der Autobahn nach Changde fahren. Die Fahrt dauert weniger als eine Stunde.

(CRI, 19. Januar 2005)