Xitang im Jangtse-Delta

In den ostchinesischen Küstengebieten gibt es die Finanzmetropole Shanghai, die alte Kaiserstadt Hangzhou und idyllische Städte wie Suzhou. Im Jangtse-Delta liegen noch mehrere kleine und liebliche Städtchen wie Zhouzhuang und Wuzhen. Heute sind wir zu Gast in solch einer kleinen Ortschaft am Wasser. Sie heißt Xitang. Xitangs Landschaft ist durch ein dichtes Netz von Flüsschen, von Flüsse überspannenden Brücken und von reizenden Bauernhäusern gekennzeichnet.

Die Ortschaft Xitang untersteht der Stadt Jiaxing in der ostchinesischen Provinz Zhejiang. Die Ortschaft hat eine 700 Jahre alte Geschichte. Geographisch liegt Xitang zwischen drei Großstädten im Jangtse-Delta: Zwischen Shanghai, Hangzhou und Suzhou. Die Verkehrsverbindung zwischen Xitang und den Großstädten ist sehr günstig.

Der erste Eindruck, den man von der Ortschaft Xitang gewinnt, ist für fast jeden Besucher herzerfrischend: enge mit Steinplatten gepflasterte Gassen, an Flussufern angelegte Pfade sowie Brücken aus verschiedenen Epochen.

Regen im Sommer im Jangtse-Delta ist keine Seltenheit. Der Donner rollt. Falls man gelegentlich keinen Regenschirm mit sich dabei hat, braucht man gar nicht vor dem heranziehenden Gewitter fliehen. Denn in Xitang hat fast jedes Geschäft oder jede Gaststätte die Hintertür gegenüber einem Fluss. Und am Fluss verlaufen, wie gesagt, lange Gänge. Die Gänge aus Holz oder Bambus führen zu fast jedem Winkel der Ortschaft. So kann man im Regen auch ohne Regenschirm oder Regenmantel in aller Ruhe in der Ortschaft wandern. Da bekommt man wahrscheinlich einen besseren Blick über Xitang.

Die Korridore sind meistens 2 Meter breit. Sie sind aus Holz oder Bambus
und haben Ziegeldächer. Herr Wang Shilin lebt seit mehreren Jahrzehnten in Xitang. Er meint, der Ortschaft dürfen die Korridore gar nicht fehlen:

"Gleichzeitig mit der Entstehung der Siedlungen und Märkte in Xitang kamen die Korridore zustande. Hier bei uns im Jangtse-Delta ist es immer regnerisch. Regen kommt meistens unerwartet. Dann kam man auf die Idee, Regenschutzdächer zu bauen. Reichere Händler bauten größere Schutzdächer vor ihren Geschäften, um mehr Kunden auch beim schlechten Wetter entgegenzukommen. Die Schutzdächer wurden stets ausgebaut und erweiterten sich bis zum Ufer der Flüsse. Allmählich verband man die einzelnen Schutzdächer miteinander. So entstanden die Korridore an Flüssen."

Wo ein Fluss in Xitang fließt, dort fehlen keine Korridore und Brücken. Über 100 Holz- und steinerne Bogenbrücken überspannen die Flüsse in Xitang. Um viele Brücken ranken sich rührende Geschichten. Nun erzählen wir Ihnen eine Geschichte von der Wolong-Brücke.

Die Wolong-Brücke hat einen Bogen und ist die höchste Brücke überhaupt in Xitang. Sie ist 6 Meter hoch, 5 Meter breit und etwa 30 Meter lang. Die Brücke ist mit einem steinernen Drachen versehen. Vor 300 Jahren stand an genau der selben Stelle eine enge Brücke aus Holz. Die Brücke war so schäbig und abgenutzt, dass eines Tages eine schwängere Frau aus der Brücke in den Fluss fiel und sich ertrank. Das Unglück schmerzte einen Schreiner. Er beschloss sich, eine solidere steinerne Brücke zu schlagen. Der Brückenbau ging nur langsam voran, denn Steine waren recht teuer. Er schuftete den ganzen Tag, um genug Geld für die Anschaffung der benötigten Steine aufzutreiben. Nach zehn Jahren wurde der Mann durch die viele Arbeit sterbenskrank. Diese Geschichte hatte einen Händler für Steine tief gerührt. Am Sterbebett des Schreiners schwor der Steinhändler, die Steinbogenbrücke fertig zu bauen.

Wer die Korridore an den Flüssen in Xitang entlang läuft, der begegnet den fröhlichen Menschen in Xitang. Xitangs Häuser und Höfe befinden sich meist tief in den Nongtangs, also in den engen Gassen. Die 300 Jahre alte Shipi-Nong- oder Shipi-Gasse ist wohl die bekannteste Gasse in Xitang. Die knapp 70 Meter lange Gasse ist recht schmal. An ihrer engsten Stelle misst sie nicht mehr als einen Meter. Die Gasse ist so schmal, dass man zu zweit nebeneinander nicht durch die Gasse gehen kann. Die Mauern an beiden Seiten der Gasse sind ziemlich hoch, wodurch die Gasse noch enger wirkt.

Die Menschen in Xitang bauten vor Jahrhunderten ihre Wohnhäuser und Nongtangs. Die Gassen sind lang und schmal und die Mauern hoch errichtet, weil manche Hausbesitzer damit ihre Bescheidenheit vortäuschen wollten. Innerhalb des Wohnhofes tut sich eine völlig andere Welt auf. Die Rentnerin Wu Yanzhen ist in einer reichen Familie in Xitang erzogen. Sie kannte sich mit dem wohlhabenden Leben hinter den hohen Hofmauern gut aus. Wu Yanzhen:

"Mein Elternhaus war in einem riesigen Hof am Ende dieser schmalen, langen Gasse. Der Hof hat eine sehr hohe Halle. Immer wenn ich als Kind nach oben das Dach der Halle zu schauen versuchte, fiel meine Mütze herunter. In meinem Elternhaus gab es einen kleinen Teich und künstliche Felsen."

Herr Liu Zhenghua lebt wie Wu Yanzhen im Ruhestand. Er erzählt uns die Beschaulichkeit in seiner Heimat:

"Seit meiner Kindheit lebe ich in dieser Gasse. Nach dem Abendessen geht man aus den Höfen heraus. Alle sitzen dann auf den Bambusschemeln und erzählen Geschichten. So verbringen wir den Alltag. Menschen in meinem Alter lieben es, Vögel zu halten oder Blumen zu züchten. Seit Generationen ist das Leben hier so. Die Umgebung in Xitang ist sauber, das Leben sehr stressfrei und man lebt gesünder und länger. In meiner Gasse leben mehrere Rentner, die über 80 Jahre sind. Mitsiebziger sind bei uns ohnehin keine Seltenheit."

Xitang liegt in einer sehr günstigen Lage im Jangtse-Delta. Sowohl Shanghai als auch Hangzhou liegt etwa 100 Kilometer entfernt von Xitang. Busse und Züge verkehren zwischen Xitang und den beiden Großstädten. Die Unterkunft in Xitang ist nicht teuer. Wenn Sie ein Fotofan sind, reservieren Sie besser ein Zimmer im Hotel Yuejiaorenjia, denn auf dem Dach des Hotels gewinnt man einen perfekten Überblick über die ganze Ortschaft. In der Gaststätte Qiantangrenjia werden die besten lokalen Spezialitäten serviert. Für eine Rundfahrt in Xitang sind Boote das beste Verkehrsmittel. Sie können an vielen Stellen Boote mieten. Ein kleines Boot bietet Platz für 4 bis 5 Personen. Die Miete beträgt umgerechnet 1,5 Euro pro Stunde. Sie können auch mit Vergnügungsschiffen eine Rundfahrt unternehmen. Die Preise sind dann aber natürlich entsprechend höher, etwa 8 Euro kostet eine Stunde. Der lokale Reislikör ist ein ideales Reisesouvenir.

(CRI, 9. März 2005)