Asien-Pazifik-Wochen Berlin 2001
 
China und Europa – Chancen und Herausforderungen der Zusammenarbeit

Von Li Yafang und Zheng Wenhua

Am 19. September 2001 trafen sich in Berlin im Rahmen des Chinesisch-Europ�ischen Wirtschaftskongresses unter der Moderation von Dr. Theo Sommer, Herausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“, der ehemalige chinesische Botschafter Mei Zhaorong, Pr�sident des Chinese Peoples Institute of Foreign Affairs in Beijing, Dr. Richard von Weizs�cker, Bundespr�sident a.D., die ehemalige Wissenschsaftsministerin Zhu Lilan, Vizepr�sidentin des Ausschusses f�r Technologie, Bildungswesen, Kultur und Gesundheit des St�ndigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses der VR China und Prof. Dr. Eberhard Sandschneider der Freien Universit�t Berlin zu einer Podiumsdiskussion, um �ber die Chancen und Herausforderungen der Zusammenarbeit zwischen Europa und China zu referieren bzw. um mit den im Plenum sitzenden Vertretern deutscher Wirtschaftsunternehmen zu diskutieren.

Herr Botschafter Mei er�ffnete die Runde mit einer Schilderung Europas aus chinesischer Sicht. Er sieht in Europa einerseits die Wiege der technologischen Entwicklung, andererseits aber auch, da� von Europa in der Vergangenheit zwei Weltkriege ausgegangen sind. Gleichzeitig weist er aber darauf hin, da� Europa erkannt habe, da� Krieg kein Mittel zur Entwicklung sei, stattdessen aber Zusammenschl�sse von Staaten, wie dies in der Europ�ischen Union geschehe. Vor diesem Hintergrund wird die geplante Osterweiterung der Europ�ischen Union vom chinesischen Volk verstanden und respektiert.

Herr Botschafter Mei ist der Meinung, Europa solle nicht nur einstimmig, sondern mit einer eigenst�ndigen Stimme am Weltgeschehen teilnehmen.

Die Volksrepublik China pflegt bereits seit 1975 mit der Europ�ischen Gemeinschaft diplomatische Beziehungen. Die Handelsbeziehungen und das Volumen der Investitionen wachsen schnell und kontinuierlich.

Botschafter Mei sieht in der Volksrepublik China und in der Europ�ischen Union die wichtigsten aufsteigenden Kr�fte auf ihren jeweiligen Kontinenten. Er erwartet vom Beitritt Chinas zum WTO einen weiteren gro�en Wandel.

Die Frau Ex-Ministerin Zhu verwies in ihrem Vortrag auf den 10. F�nfjahresplan und die darin propagierte F�rderung der Entwicklung von Wissenschaft und Technik.

Besonderes Augenmerk wird dabei auf drei Bereiche gerichtet. Bei den sogenannten High-Tech-Industrien sollen vor allem die Informationstechnologie und die Entwicklung neuer Werkstoffe gef�rdert werden.

Zweitens soll die Erneuerung traditioneller Industriezweige und Branchen mit Elan weiter getrieben werden.

Drittens soll die Grundlagenforschung verst�rkt werden.

Als m�gliche Formen der Zusammenarbeit zwischen der Volksrepublik China und Deutschland nannte Ministerin Zhu Kooperationen auf dem Gebiet der High-Tech-Forschung, die Errichtung gemeinsamer Forschungszentren und die Teilnahme von Firmen und Betrieben mit Forschungsprogrammen auf diesen Gebieten bzw. an diesen Einrichtungen.

Die Ex-Ministerin betonte, da� Europa die einzige Region auf der Welt sei, der gegen�ber China seine Pl�ne zur Grundlagenforschung offengelegt habe. In diesem Zusammenhang bedauerte sie aber, da� bisher nur zwei Forschungskooperationen zustande gekommen seien, gerade so, als ob die Europ�er m�glicherweise davor Angst h�tten. Derzeit k�nnen die Europ�er mit den Anstrengungen Chinas zur Zusammenarbeit nicht Schritt halten.

Im Anschlu� an diese Statements wurde der bevorstehende Beitritt Chinas zur WTO ausgiebig und zum Teil kontrovers diskutiert.

Prof. Dr. E. Sandschneider gab zu bedenken, da� in einem Papier der Europ�ischen Union 70 Forderungen zur Umsetzung der WTO-Regeln an China heran getragen wurden. Er f�hrte weiter aus, da� die EU-Beh�rden mit dem Stellen von Forderungen und dem Erteilen von Ratschl�gen etwas zur�ckhaltender sein sollten, da es durchaus sein k�nnte, da� die Situation sich in wenigen Jahren umkehre und dann China seinerseits Forderungen stellen und Ratschl�ge erteilen k�nne.

Bez�glich des WTO-Beitritts und der dazu verlangten Anpassungsleistungen und deren Umsetzung f�hrte Botschafter Mei aus, da� die Globalisierung der Wirtschaft nicht umzukehren oder aufzuhalten sei. Ohne den Beitritt zur WTO habe China keine Zukunft. Der Beitritt bringe f�r China zwar einerseits Risiken, aber anderseits auch Chancen mit sich. Er verwies dabei auf die Gefahr, da� staatliche Unternehmen dem Wettbewerbsdruck nicht standhalten k�nnten und deshalb vom Bankrott bedroht w�ren. Dabei k�nne es zu einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit kommen. China sei aber darauf vorbereitet, z.B. durch Ma�nahmen im Bereich der Sozialversicherung und durch gewisse, nicht n�her beschriebene Ma�nahmen gegen die Arbeitslosigkeit.

Neben den wirtschaftlichen Risiken seien durchaus auch politische Probleme denkbar.

In den genannten Risiken und Problemen sieht Botschafter Mei gleichzeitig aber auch Chancen f�r eine Entwicklung zum Besseren. So zwinge z.B. die Gefahr des Bankrotts die Unternehmensleitungen ihre Methoden der Betriebsf�hrung zu verbessern.

Der Beitritt zum WTO m�sse so gestaltet werden, da� schlu�endlich die Vorteile �berwiegen.

Auf die Frage aus dem Publikum, ob es in China zur Globalisierung der Wirtschaft �hnliche Kritik g�be wie zur Zeit in Europa, antwortete Botschafter Mei, da� es nat�rlich Gegenstimmen von einigen Personen g�be. So w�ren die Bewohner der entwickelten K�stenregionen grunds�tzlich mehr f�r und die Bewohner der weniger entwickelten westlichen und zentralen Provinzen eher dagegen eingestellt. China habe aber Gegenma�nahmen zur Reduzierung der Risiken getroffen. Desweiteren verf�ge China zwischenzeitlich �ber 20 Jahre an Erfahrung mit der �ffnungspolitik und der L�sung der damit einhergehenden Probleme.

Auf die Frage, ob mit der f�r n�chstes Jahr zu erwartenden neuen politischen F�hrungsgeneration die Gefahr der Destabilisierung wachse, antwortete Prof. Dr. Sandschneider, da� er darin kein Problem sehe, obwohl aber gro�e Gefahrenpotentiale vorhanden seien und weiter aufgebaut w�rden, wie z.B. zwischen 15 und 50 Millionen Arbeitslose, je nach Zahlenquelle. Probleme sieht er auch in der ansteigenden Masse der Wanderbev�lkerung, die er auf ca. 120 Millionen Menschen sch�tzt, und in dem gro�en Unterschied der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen der K�stenregion und dem Binnenland.

In den Arbeitern und Bauern sieht er die m�glichen Verlierer des WTO-Beitritts, worauf auch die vielen kleineren Unruhen und Aufst�nde hindeuten. Im Internet sieht er ein Mittel, mit dem diese Proteste organisiert werden k�nnten. Als potentielle Gewinner des WTO-Beitritts sieht er die Eliten und die gut ausgebildeten Bev�lkerungsschichten.

Auf die Frage, ob die Olympischen Spiele 2008 Impulse zur Erleichterung der Belastungen aus den WTO-Anpassungen bringen k�nnten, antwortete Ministerin Zhu, da� davon durchaus positive Impulse erwartet werden k�nnen, davon unabh�ngig jedoch der Fortschritt in Forschung und Technik steigen m�sse, um mehr Innovation und Erneuerung in der Wirtschaft zu bringen. Es werden daf�r gro�e Anstrengungen n�tig sein, in China seien aber auch gro�e Kr�fte vorhanden. Als Beispiel nannte sie die Landwirtschaft, in der neue Methoden und Techniken zu gro�en Steigerungen bei den Ertr�gen f�hren und der Zugang zu Informationen ein besseres Wissen �ber den Marktbedarf bringe.

Die Olympischen Spiele 2008 sollen humanistische, wissenschaftliche und zugleich gr�ne Spiele werden. Die Olympiade sei f�r diese drei Ideen eine gute B�hne.

Auf die Menschenrechts- und Demokratiefrage angesprochen, f�hrte Dr. Richard von Weizs�cker aus, da� die Menschenrechte ein unverzichtbarer Bestandteil der Zivilisation seien. Daf�r sei ein Dialog der Kulturen n�tig, und keinesfalls ein Abklatsch westlicher Modelle. Eine Ann�herung sei zudem nur schrittweise m�glich. China und Europa befinden sich dabei auf ganz vern�nftigem Weg, wobei ein intensiver Rechtsstaatsdialog stattfindet, begleitet vom Austausch konkreter Erfahrungen.

(CIIC/30. September 2001)