Der Tempel des liegenden Buddhas

Tief in den westlichen Bergen von Beijing liegt ein verschlafener, über 1300 Jahre alter Tempel, der für seine 54 Tonnen schwere Bronzestatue eines liegenden Buddhas bekannt ist. Der Tempel heißt demnach auch Tempel des liegenden Buddhas oder Wofosi.

Ende des 7. Jahrhunderts, zur Zeit der Tang-Dynastie wurde der buddhistische Tempel unweit der nördlichen Grenze des Reiches errichtet. Der Tempel wurde ursprünglich auf den Namen Shou'ansi – Tempel der Langlebigkeit - getauft. In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde das angeschlossene Kloster mehrmals ausgebaut. In der Yuan-Dynastie vor etwa 600 Jahren brachte man eine riesige liegende Buddhastatue aus Bronze in den Tempel. Diese Buddhastatue machte den Tempel schließlich landesweit bekannt.

Seinen heutigen Namen erhielt der Tempel von Kaiser Yongzheng aus der Qing-Dynastie. Offiziell heißt er Shifang Pujue-Tempel, im Volksmund aber wird er Tempel des liegenden Buddhas genannt.

Reisebegleiter Zhang Wei erzählte von dem wertvollsten Kulturgut des Klosters – der riesigen Buddhastatue.

"Die Statue des liegenden Buddha wurde in der Yuan-Dynastie vor rund 600 Jahren aus Bronze gegossen. Vorher befand sich in der Tempelanlage eine Buddhastatue aus Sandelholz. Liegende Buddhastatuen aus Bronze waren in China sehr selten. Die Statue in diesem Tempel misst 5,3 Meter in ihrer Länge und wiegt 54 Tonnen. Die Statue wurde in einem Stück aus Bronze gegossen. Die Statue ist nicht hohl, sondern solide."

Wie Zhang Wei weiter beschrieb, arbeiteten mehr als 10.000 Techniker und Arbeiter 12 Jahre lang an der Statue. Allein die Bronze wog 250 Tonnen. Damals verwendeten die Künstler drei besondere Techniken bei der Gestaltung der Kleidung und der Hautfalten des Buddhas. Leider sind diese Methoden mit der Zeit verloren gegangen.

In buddhistischen Tempeln in China findet man in der Regel sitzende oder stehende Buddhastatuen. Warum aber nimmt der Buddha in diesem Tempel eine liegende Position ein? Zhang Wei meinte dazu:

"Der Buddha liegt seitlich und um ihn herum stehen seine Schüler. Diese Situation weist auf den Augenblick hin, da der Buddha kurz vor seiner Reise ins Nirwana steht. Buddha wird also bald die menschliche Welt verlassen und in den Zustand der Unvergänglichkeit hinüber gleiten. In den letzten Minuten seines Aufenthalts in der irdischen Welt schärft er seinen Schülern letzte Mahnungen ein. Seine Schüler zeigen sich ernst und zugleich sehr froh. Sie wissen, dass ihr Lehrer bald eine freie Welt erreicht."

Diese Szene ist ein immer wiederkehrendes Motiv in buddhistischen Kunstwerken. Qing-Kaiser Qianlong beschrieb diese Darstellung mit den Worten: „Mit der größten Tugend erreichte Buddha eine wahrhaft freie Welt.“

Zu sehen ist in der Tempelanlage nicht nur die liegende Buddhastatue, sondern auch ein 1300 Jahre alter Winterblütenbaum. Biologen sagen, dass dieser Winterblütenbaum der älteste seiner Art in Beijing ist. Aus historischen Dokumenten geht hervor, dass dieser Baum vor rund 500 Jahren verdorrte, dann aber zu neuem Leben erwachte. Besonders in der Vorfrühlingszeit, wenn der Baum hellgelbe Blüten hervorbringt, liegt ein dezenter Duft von Winterblüten über der Anlage.

Wie in fast jedem buddhistischen Tempel gibt es im Tempel des liegenden Buddhas auch einen Teich, in dem Fische und Schildkröten schwimmen. Der Teich soll während der Yuan-Zeit gebaut worden sein. In China ist es Tradition, dass fromme Buddhisten vor ihrem Tempelbesuch einen Fisch oder eine Schildkröte kaufen oder fangen und dann das Tier im Teich des Tempels freilassen. Damit zeigen Buddhisten ihre Barmherzigkeit. Und Barmherzigkeit gehört zu den großen Werten des Buddhismus. Herr Zhang erzählte, warum der Teich in diesem Tempel etwas Besonderes ist:

"In anderen Tempeln sind Teiche zum Freilassen von gefangenen Fischen quadratisch. Hier bei uns hat der Teich die Form eines Halbmondes. Und während in Teichen anderer Tempel das Wasser steht, fließt das Wasser in unserem Teich. Das Wasser kommt vom Bächlein aus dem Kirschental in der Nähe des Klosters."

Im Pavillon zur Aufbewahrung der Sutren kann man außerdem eine Ausstellung sehen, die anschaulich über den Guss der Buddhastatue informiert.

Tipp:

Zhang Wei empfiehlt den April als beste Zeit für einen Besuch im Tempel des liegenden Buddhas:

"Der April ist wohl die beste Zeit für einen Besuch des Tempels. Weil sich die Tempelanlage inmitten von Beijings Botanischem Garten befindet, kann man zu allen Jahreszeiten innerhalb des Tempels und in seiner Umgebung eine wahre Blumenpracht bewundern. Im April findet im Botanischen Garten das alljährliche Pfirsichblütenfest statt. Zu dieser Zeit können Besucher nicht nur den Tempel besichtigen, sondern auch die Blütenpracht um ihn herum bewundern."

(China.org.cn, 11. April 2006)