Der Tempel des Ewigen Frühlings

Vor mehr als 400 Jahren ließ der damalige chinesische Kaiser im Südwesten der Beijinger Innenstadt einen buddhistischen Tempel für seine Mutter errichten. Er wurde Tempel des Ewigen Frühlings genannt. Für mehrere Jahrzehnte galt dieser Tempel als einer der prächtigsten der Kaiserstadt. Mitte der Qing-Dynastie fiel die Tempelanlage bei einem Erdbeben zusammen. Im Jahre 2002 wurde eine umfassende Restaurierung der Tempelanlage in Angriff genommen. Dabei gestaltete man den Tempel zu einem Folklore-Museum um.

Der Tempel des Ewigen Frühlings wurde geradewegs vor den Schutzmauern der Innenstadt errichtet. In der Blütezeit des Tempels standen in seinen Hallen wertvolle Buddhastatuen und Portraits von zwei Kaiserinwitwen. Über die Geschichte und den Hintergrund des Tempels sagte der Kurator des Folklore-Museums Wang Qichong:

"Der Bau des Tempels des Ewigen Frühlings steht mit einem wichtigen Wert der chinesischen Kultur in Zusammenhang, nämlich mit der pietätvollen Liebe. Seit über 2000 Jahren ist die pietätvolle Liebe als Tugend tief in den Herzen der Chinesen verwurzelt. Für die Herrschaft verschiedener Dynastien war diese Tugend das ethische Fundament. Einige Kaiser wollten selbst Zeichen setzen. Der Ming-Kaiser Wanli beispielsweise ließ im Jahre 1592 einen prächtigen buddhistischen Tempel für seine Mutter, die Kaiserinwitwe Li, bauen. Er taufte den Tempel nach seiner Fertigstellung auf den Namen "Tempel des Ewigen Frühlings". Damit wollte er seiner Mutter ein langes Leben wünschen. Nach dem Tod der Kaiserinwitwe ließ Wanli Portraits von ihr in den Hallen des Tempels aufhängen."

Seit seiner Fertigstellung war der Tempel des Ewigen Frühlings stets ein kaiserlicher Tempel. Zur Verwaltung des Tempels lud der Kaiser einen landesweit bekannten buddhistischen Meister ein. Der hohe Rang des Tempels lässt sich auch an der Farbe der Dachziegel erkennen. Reisebegleiterin Yu Lan erklärte:

"Die Dächer der Seitenhallen des Tempels sind mit gelben Ziegeln gedeckt. In der Feudalzeit durften gelbe Dachziegel nur für kaiserliche Gebäude verwendet werden. Weil in den beiden Seitenhallen Porträts der Kaiserinwitwe hingen, wurden gelbe Dachziegel auf dem Dach verwendet. Damit wurde auch jedem gezeigt, dass dieser Tempel einen höheren Rang hatte als andere buddhistische Tempel in der Kaiserstadt."

Im Jahre 1679 erschütterte ein schweres Erdbeben die Kaiserstadt. Dabei wurde der mehr als 100 Jahre alte Tempel in Trümmer gelegt. Einige Jahre später wurde der Tempel wieder aufgebaut.

Im Jahr 2002 investierte die Stadtverwaltung von Beijing 200 Millionen Yuan (19,7 Millionen Euro), um den Tempel des Ewigen Frühlings zu restaurieren. Dabei wurde der ehemalige Tempel zu einem Museum umgestaltet. Heute sind dort Bilder und Exponate aus dem südlichen Teil der Kaiserstadt ausgestellt.

Der Rundgang durch das Museum ermöglicht eine kleine Zeitreise zurück in die Anfänge des 20. Jahrhunderts. Das Museum veranschaulicht sehr lebendig die Folklore in der Region.

Die Ausstellung ist in acht Teile gegliedert. Besonders interessant ist die Ausstellung über die Entstehung der Peking-Oper. Dazu erklärte Reisebegleiterin Yu Lan:

"Im Jahre 1790 reisten vier einflussreiche Opern-Ensembles aus Südchina in die Kaiserstadt, um dem Kaiser zum Geburtstag zu gratulieren. Sie führten im Kaiserhof viele Opernstücke auf. Danach kehrten sie nicht wieder zurück, sondern ließen sich im Süden der Kaiserstadt nieder. Dort entwickelten sie ihre Opernkunst weiter. Im Laufe einiger Jahrzehnte entstand so eine neue Oper, die später weltberühmte Peking-Oper. In der Ausstellung des Tempels sind Bilder von der Entstehung des ersten Films in China zu sehen. Im Jahre 1905 wurde im Fengtai-Studio im Süden der Kaiserstadt der erste chinesische Film gedreht. Dieser Film dokumentierte die Aufführung einer Peking-Oper."

Neben der Entstehung und der Entwicklung der Peking-Oper wird in der Ausstellung auch die Entwicklung von Handel und Wirtschaft sowie der Alltag der Menschen zu Anfang des 20. Jahrhunderts veranschaulicht. Zum Beispiel anhand der Erfolgsgeschichte einiger Geschäfte oder der Einfuhr der ersten Straßenbahn aus Frankreich im Jahre 1924.

Reisetipp:

Der Tempel des Ewigen Frühlings ist täglich außer Montag von 9 Uhr bis 16 Uhr 30 geöffnet. Sie können mit der U-Bahnlinie 2 oder mit den Buslinien 5, 6, 10 oder 57 zum Tempel gelangen. Ein Rundgang durch den Tempel dauert etwa zwei Stunden.

(China.org.cn, 11. Mai 2006)