Der Wangjiang-Park in Chengdu

In der Feudalzeit blieben Frauen in China anonym. Sie mussten ihrem Mann immer gehorsam sein. Vor ihrer Heirat folgten sie ihrem Vater, nach der Heirat ihrem Mann und nach dem Tod ihres Mannes ihrem Sohn. Sogar lesen und schreiben durften sie nicht lernen – in der Gesellschaft dominierte die von Konfuzius gepredigte Ordnung. Doch in der langen Geschichte haben sich einige emanzipierte Frauen einen Namen gemacht. Dazu gehört die Dichterin Xue Tao aus der Tang-Dynastie.

In einem Park an einem Fluss namens Jinjiang in der südwestchinesischen Stadt Chengdu werden die Geschichten der legendären Dichterin vor Jahrhunderten lebendig.

Der Park heißt Wangjiang-Park und liegt unmittelbar am Jinjiang. Das wichtigste Gebäude in diesem Park ist der Wangjiang-Turm. Von diesem Turm hat man einen perfekten Blick über den Jinjiang. Neben dem in der Qing-Dynastie (1644 - 1911 n. Chr.) errichteten Turm liegt das Grab der begabten Dichterin Xue Tao. Der Wangjiang-Park beherbergt auch eine Ausstellung über das Leben und das Schaffen der Dichterin.

Über den Wangjiang-Park erzählte die Reisebegleiterin Zuo Xue:

"Der Wangjiang-Park befindet sich am südlichen Ufer des Jinjiang. Sehenswürdigkeit Nummer eins in diesem Park ist der Wangjiang-Turm und andere fünf neben ihm stehende Gebäude aus der Qing-Dynastie. Historischen Dokumenten zufolge soll die bekannte Dichterin Xue Tao vor 1300 Jahren in der Nähe des heutigen Parks gelebt haben. In der Parkanlage wird großflächig Bambus angebaut. Bambus war die Lieblingspflanze der Dichtein Xue."

Xue wurde im Jahre 770 in der damaligen Kaiserstadt Chang'an geboren. Schon von klein auf zeigte das kleine Mädchen großes Interesse an Literatur. Sie hatte ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis und konnte bereits mit acht Jahren dichten. Dies überraschte ihren Vater, einen kleinen Beamten. Einige Jahre später kam es im Nordosten des Landes zu einer Rebellion, die das ganze Reich auf den Kopf stellte. Der Kaiser und seine Beamten flohen vor den skrupellosen Aufständischen nach Südwestchina. Xue Taos Vater und seine Familie machten sich auf den langen Weg nach Chengdu. Ab diesem Zeitpunkt lebte Xue Tao bis zu ihrem Tod im Alter von 62 Jahren fast immer in dieser südwestlichen Stadt. Zwischenzeitlich war sie kurz einmal an der Grenze des Reiches im Exil. In der Ausstellung über Xue Taos Leben und literarisches Schaffen inmitten des Parks wird das ereignisvolle Leben der Dichterin in Wandmalereien anschaulich dargestellt. Dazu erklärte Zuo:

"Xues Leben veränderte sich abrupt, als ihr Vater kurz nach der Ankunft in Chengdu starb. Die Familie kannte in dieser fremden Stadt niemanden. Mutter und Tochter waren plötzlich allein und wurden von niemandem mehr unterstützt. Verzweifelt nahm Xue eine Stelle als Musikantin in der Lokalregierung an, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Mutter zu verdienen."

In der Lokalregierung arbeitete Xue Tao anfangs als Musikantin, die den Präfekten unterhalten sollte. Allmählich zeigte sie Interesse für die politischen Entscheidungen und wurde Beraterin des Präfekten. Im Laufe ihrer Karriere in der Regierung hatte Xue Tao Gelegenheit, Menschen aus verschiedenen Kreisen zu beobachten und an politischen Entscheidungen mitzuwirken. Dies hat ihre Sichtweise geprägt und ihren literarischen Stil verbessert.

Die Dichterin hat nicht nur ihren eigenen Stil entwickelt. Sie hat auch ihr eigenes Papier kreiert. Xue fand weißes Papier langweilig und wollte ihre Gedichte auf buntem Papier schreiben, um sie Freunden zu schenken. So kam sie auf die Idee, rotes Papier herzustellen. Dazu sagte die Reisebegleiterin Zuo:

"Weiße, große Papierblätter waren seit Anfang der Tang-Dynastie üblich. Man schrieb auf großen Blättern Sutren. Kleinere Blätter fand man selten. Xue Tao fand es verschwenderisch, nur einige Gedichtzeilen auf ein großes Blatt Papier zu schreiben. Daher versuchte sie, weißes Papier zu färben und es dann in kleinere Briefbögen zurechtzuschneiden. Schließlich fand sie das perfekte Rezept zur Herstellung von rotem Papier und die richtige Blattgröße, die weder zu groß noch zu klein war für ein achtzeiliges Gedicht."

Reisetipp:

Der Frühling ist die beste Reisezeit. Der Park liegt am Ufer des Jinjiang. An beiden Ufern des Flusses finden sich viele Ginkobäume und Azaleen. Die Pracht der Blumen im Frühling ist wunderschön, und das Wetter ist mild und einladend. Innerhalb der Parkanlage gibt es Bambushaine, die einen erfrischenden Anblick bieten.

Der Wangjiang-Park ist in zwei Zonen gegliedert. Der eigentliche Park steht unter Denkmalschutz, der andere ist ein großer Garten. Der Eintritt für die unter Denkmalschutz stehende Zone kostet 20 Yuan, der Eintritt in den Garten ist kostenlos. Geöffnet ist der Park täglich von 8 Uhr bis 18 Uhr. Mehrere Buslinien wie 3, 18 und 35 führen zum Wangjiang-Park.

(China.org.cn, 19. Juni 2006)