Wohnhöfe in Pingyao

Pingyao ist eine der am besten erhaltenen, alten Kreisstädte Chinas. Sie liegt in der nordchinesischen Provinz Shanxi. Zahlreiche Filmemacher kommen nach Pingyao, um authentische Außenaufnahmen zu machen und Touristen besuchen die Stadt in Scharen, um sich die alte Zeit zu vergegenwärtigen.

Die alte Stadt Pingyao liegt in der Mitte der Provinz Shanxi, etwa 90 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt Taiyuan. Pingyao wurde vor rund 2700 Jahren gegründet. Es erlebte seine Blütezeit in der Zeit der Ming- und Qing-Dynastie (1644-1911). Viele Gebäude der Stadt stammen noch aus dieser Epoche.

Wer die Stadtmauer besteigt, hat einen perfekten Blick über die ganze Stadt. Aus der Vogelperspektive sieht die Altstadt wie eine Schildkröte aus. Das südliche Stadttor ist der Kopf der Schildkröte. Zwei Brunnen vor dem Stadttor sind die Augen. Das nördliche Stadttor, das auch tiefer liegt, ist der Schwanz der Schildkröte. Alle Abwasserkanäle fließen durch das nördliche Stadttor aus der Stadt. Die Architekten gestalteten die Stadt in Form einer Schildkröte, weil die Schildkröte in China als Tier mit magischen Kräften gilt. Man hoffte und hofft, dass die Schildkröte die Stadt und seine Bewohner mit Stabilität segnet.

Innerhalb der Stadt verlaufen vier Hauptstraßen, acht Straßen und 72 Gassen. Die Straßen und Gassen gliedern die Stadt in mehrere Bezirke. Die Wohnhäuser sind ausschließlich aus dunkelgrauen Ziegelsteinen erbaute Wohnhöfe. Heute existieren in der Stadt noch rund 4000 Wohnhöfe. Etwa ein Zehntel davon ist in gutem Zustand. Manche Höfe wurden zu Gasthäusern und Herbergen umgebaut. Es ist eine gute Entscheidung, in einem der Höfe zu übernachten. Man hat dann die Gelegenheit, die Architektur der Wohnhöfe genau zu erkunden.

Eines der bekanntesten Wirtshäuser ist das Tian-Yuan-Kui. Es ist nur einige hundert Meter vom Stadtzentrum entfernt. Das Haus wurde vor rund 200 Jahren erbaut und war einmal die Residenz eines reichen Händlers. In der Zeit der Ming- und Qing-Dynastie verfügten reiche Familien in Pingyao über Wohnhöfe, der mehrere Gebäude umfassen konnten, wie der ausgedehnte Wohnhof von Tian-Yuan-Kui.

Der kleine Platz im Hof ist mit Steinplatten gepflastert. Die Ausstattung im Haus und die Möbel sind im Stil der Ming- und Qing-Epoche gehalten. Vor vielen Häusern hängen auch typische, rote Lampions. An den Fenstern kleben rote Scherenschnitte. Die Holzschnitzereien an Tür- und Fensterrahmen sind sehr filigran und detailgetreu. Wang Da ist ein Tourist, der seit ein paar Tagen in dem Gasthausübernachtet. Er erzählte von seinem Eindruck:

"Hier wirkt alles sehr angenehm. Die Möbel aus Eichenholz sind im Stil der Ming- (1368-1644) und Qing-Zeit (1644-1911) gefertigt. An der Wand hängen chinesische Malereien. Trotzdem hat man hier auch einen Fernseher und eine Klimaanlage. Statt in Betten schläft man hier auf gemauerten, beheizbaren Schlafbänken. Das finde ich sehr interessant. Diese Schlafbänke nennt man Kang und es könne bis zu fünf oder sechs Personen darauf schlafen."

Unweit von Tian-Yuan-Kui liegt die Residenz des Bankiers Wang Bin. Heute ist der Wohnhof ebenfalls ein Gasthaus. Das Gasthaus heißt Yi-De. Die detailgetreuen Dekorationen lassen das luxuriöse Leben, das der Bankier vor 200 Jahren geführt hat, erkennen. Xu Linjie hat Pingyao schon mehrmals besichtigt. Er berichtet von seinen Eindrücken vom Wohnhof Yi-De:

"Hier ist fast alles gut erhalten. Ich genieße es, jeden Tag einen Spaziergang durch den Hof zu machen, nachdem ich andere Sehenswürdigkeiten in der Stadt besichtigt habe. Der Hof ist für mich wie ein folkloristisches Museum."

Pingyao hat auch eine Jugendherberge. Sie liegt im Zentrum der Stadt. Früher war hier das Gasthaus für reisende kaiserliche Beamte. Die Jugendherberge hat eine Bar und bietet den Besuchern Bücher, Zeitschriften und DVDs. Vieles kann man sich hier selbst organisieren, man braucht sich nicht immer an die Mitarbeiter der Herberge zu wenden.

Luo Yaping, eine Mitarbeiterin der Jugendherberge, kennt die Geschichte des Gasthauses. Der Raum, der zur Bar umgebaut wurde, war früher der Bankettraum, erzählte sie.

"Dieser Raum diente früher als Banketthalle. Hier gab es auch Schlafzimmer und eine Küche. In diesem Gasthaus wurden früher ranghohe Mandarine bewirtet. Für unser heutiges Verständnis ist der Raum nicht besonders groß, aber für die damalige Zeit war der Raum sehr groß."

Reisetipp:

Die Stadtmauer von Pingyao ist zum größten Teil gut erhalten. Ein Rundgang auf der Stadtmauer lohnt sich auf jeden Fall. Der buddhistische Tempel Zhenguo verfügt über die feinste Holzkonstruktion Chinas. Auch die Skulpturen im Zhenguo-Kloster sind besonders sehenswert. In Pingyao kann man auch die erste Bank Chinas besuchen. Sie heißt Ri-Sheng-Chang. Der Eintritt kostet etwa 5 Euro.

(China.org.cn, 13. Juli 2006)