Der Westsee in Hangzhou

Er ist wie ein romantisches Gemälde und es ranken sich jahrhundertealte Legenden um ihn. Die Rede ist vom Xihu - dem Westsee. Der Westsee in der ostchinesischen Stadt Hangzhou gilt nicht nur in China, sondern weltweit als ein beliebtes Reiseziel.

Egal zu welcher Jahreszeit man am Seeufer entlang wandert, man hat immer den Eindruck, man befände sich im Paradies.

Bereits zur Zeit der Südlichen Song-Dynastie vor rund 1000 Jahren waren der See und seine Umgebung ein bekanntes Reiseziel. Dichter auf Wanderschaft besuchten den See, reiche Händler errichteten am See Privatvillen und vom Kaiser nach Hangzhou geschickte Mandarine verschrieben sich der Pflege der Sehenswürdigkeiten und wollten den See noch schöner machen. Vor 1000 Jahren wählten die Menschen bereits zehn Sehenswürdigkeiten im und am Westsee aus und gaben jeder einen poetisch klingenden Namen.

Im Jahr 1090 schickte der Kaiser den Dichter Su Shi als Präfekten nach Hangzhou. Kurz nach seiner Ankunft machte der neue Präfekt der Stadt Hangzhou und dem Westsee ein Geschenk – den Su-Damm. Darüber erzählte Reiseleiterin Sun Wen:

"Kurz nach seiner Ankunft ließ der Präfekt Su Shi den Schlick aus dem See ausheben. Er stellte 200.000 Arbeiter an, die mit dem Schlick direkt in der Mitte des Sees einen 2,8 Kilometer langen Damm bauten. Auf dem Damm pflanzte man unzählige Bäume und Blumen. Die Bäume wurden so angeordnet, dass jeweils ein Weidenbaum neben einem Pfirsichbaum steht. Im Frühling macht die Blütenpracht auf dem Damm ihn zu einer der zehn bekanntesten Sehenswürdigkeiten."

Seitdem ist es Tradition, regelmäßig den Schlick aus dem See auszuheben und so den See zu sanieren. Yang Mengying, ein Präfekt der Qing-Zeit, wollte dem Beispiel von Su Shi folgen und mit dem Schlick einen neuen Damm bauen. Denn während seiner Amtszeit war die Seefläche wegen der Schlickmenge stark geschrumpft. Seine Entscheidung verärgerte einige der Mächtigen und einige Händler, die am Seeufer Villen gebaut hatten. Sie mussten nämlich umziehen, um dem Sanierungsprojekt Platz zu machen. Der Präfekt Yang stellte sich den lautstarken Protesten und sogar dem Druck des Kaiserhofs und vollendete seine Idee. Kurz nach Abschluss seines Projekts verlor er sein Amt, er hatte dem See aber wieder ein neues Gesicht und eine weitere wunderschöne Landschaft, den Yanggong-Damm, beschert.

Die letzten Sanierungsarbeiten am Westsee begannen im Dezember 2002. Weniger als ein Jahr später hatte sich die Seefläche um 0,7 Quadratkilometer vergrößert. Heute nimmt der See eine Fläche von insgesamt 6,3 Quadratkilometern ein. Im Vergleich zum alten Teil des Sees gibt es im neuen Seegebiet weniger Kulturdenkmäler. Dafür gibt es hier sehr viele Grünpflanzen. Im Jahr 2002 gab es in dieser Gegend bereits rund 70 verschiedene Arten von Wasserpflanzen. Heute sollen es schon deutlich mehr sein. Die üppigen Wasserpflanzen haben die deutsche Touristin Corinna Visser sehr beeindruckt. Sie erzählte:

"Ich finde es sehr schön hier. Leider ist das Wetter nicht ganz so wie ich es mir vorgestellt habe. Der Himmel ist nicht sehr blau, aber es ist schön warm und nicht zu heiß. Und die Pflanzen sind wunderschön. Ich bin zum ersten Mal in China und bisher fühle ich mich sehr wohl. Alle Menschen sind sehr nett und freundlich gewesen. Ich bin sehr beeindruckt."

Der Sommer ist eine gute Zeit, die unzählige Lotusblumen im Westsee zu betrachten. Der einzige Nachteil ist das heiße Wetter in der ostchinesischen Stadt. Der Dichter Yang Wanli aus der Zeit der Song-Dynastie beschrieb bereits die mit Lotusblumen bedeckte Seefläche:

Die vielen grünen Lotusblätter scheinen bis zum Horizont zu reichen, Die rosa Lotusblüten wirken in der Sommersonne umso farbenprächtiger.

Die sommerliche Landschaft des Sees mit den vielen Lotusblüten- und blättern hat auch den Qing-Kaiser Qianlong beeindruckt. Während seiner zweiten Inspektionsreise zum Westsee ließ der Kaiser Hofmaler die schöne Landschaft auf Papier verewigen. Arbeiter und Künstler sollten anhand der Gemälde diese Landschaft in den kaiserlichen Gärten in Beijing nachbilden. Der Sommerpalast im Nordwesten Beijings ist zum großen Teil eine Miniatur oder ein Abbild der Landschaft am Westsee oder anderer Ortschaften im Jangtze-Delta.

Guozhuang – die Villa des großen Seidenhändlers Guo hat einen der klassischen Privatgarten am Westsee. Bei der Planung wurde die nahe gelegene See- und Hügellandschaft berücksichtigt und als Teil des Gartens integriert. Heute ist der Hof ein Teehaus. Besucher können sich hier Ein bisschen erholen und sich eine Tasse Longjing- oder Drachenbrunnen-Tee gönnen. Der Longjing-Tee ist ein landesweit populäres Produkt aus dieser Region. Ebenso bekannt sind die Seidenwaren. Du Jinsheng ist ein Seidenkünstler. Er lebte lange Zeit am Westsee und machte die Seelandschaft zum Motiv seiner Seidenmalerein. Im Jahr 1926 gewann er mit seiner Seide die Goldmedaille bei der Weltausstellung in Philadelphia.

In den Hügeln nördlich des Sees gibt es viele buddhistische Klöster. Die meisten von ihnen sind nicht sehr groß. Bei den Pilgern sind sie aber sehr beliebt und werden daher stark frequentiert.

Mit einem Boot kann man vom Ufer zu den drei großen Inseln des Sees fahren. Schon während der Bootsfahrt, aber erst recht auf den Inseln, hat man einen vollkommen anderen Blick auf die Seelandschaft. Wir treffen den deutschen Touristen Wolfgang Klenner auf einer dieser Bootsfahrten, und er erzählte uns von seinen Erlebnissen in Hangzhou:

"Ich habe gestern soviel Schönes in Hangzhou erlebt. Am Westsee, in einem Lokal, das über 100 Jahre alt ist, gab es ein Gericht auf der Speisekarte, das ich kenne, Su-Dongpo-Schweine-Fleisch. Ich habe es mit einem besonderen Wein, dem Shaoxing-Wein, der aus dieser Region kommt, bestellt. Beim Essen habe ich die schöne Landschaft und das warme Wetter genossen. Dabei dachte ich, ja, das ist eine schöne Alternative zu Beijing. Und heute noch diese schöne Bootsfahrt. Ich fühle mich ein bisschen wie im Paradies."

Reisetipp:

Reiseleiterin Sun Wen empfiehlt, im Frühling oder im Herbst an den Westsee zu reisen:

"Die ideale Reisezeit ist der Frühling und der Herbst. Im Frühling blühen die vielen Blumen am Westsee. Es ist ein erfrischender und berauschender Anblick und das Wetter ist dann angenehm warm. Im Herbst blühen in Hangzhou die unzähligen Osmanthus-Sträucher. Ihr dezenter Duft schwebt überall in der Luft."

Bis auf den Eintritt in den Hof Guozhuang ist die ganze Gegend um den Westsee für Besucher kostenlos zugänglich. Man kann ein Fahrrad mieten und um den See fahren. Dabei kann man weit mehr entdecken, als wenn man alles erlaufen muss. Eine Bootsfahrt zu den Inseln kostet umgerechnet 3 Euro pro Person. Unter den vielen Restaurants am See, die lokale Spezialitäten anbieten, empfehlen wir Ihnen das Restaurant Zui-Bai-Lou. Wer mehr Zeit mitbringt, sollte auch die buddhistischen Klöster in den Hügeln im Norden der Stadt besuchen.

Als Reisesouvenir empfehlen sich Drachenbrunnen-Tee und Seidenprodukte.

(China.org.cn, 18. August 2006)