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14. 07. 2015 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Griechenland-Krise überschattet Besuch von Bundeswirtschaftsminister Gabriel in China

Schlagwörter: Griechenland Sigmar Gabriel Bundeswirtschaftsminister

Die Bundesregierung wird jedoch inzwischen auch von Italien und Luxemburg dafür angegriffen, den Grexit regelrecht provozieren zu wollen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte „es wäre fatal für den Ruf Deutschlands in der EU und der Welt, wenn Berlin jetzt nicht die Chance ergreift, die sich durch die griechischen Reformangebote ergibt.“ Die Tatsache, dass EU-Ratspräsident Donald Tusk einen für Sonntag geplanten Sondergipfel aller EU Staatschefs kurzfristig absagte, verweist vor allem auf die Uneinigkeit unter den Europäischen Regierungen – Berlins Ansatz, neuerdings mit der Idee einen Grexit auf Zeit zu organisieren, stößt offenbar auf unerwartet großen Widerstand, nicht zuletzt auch in der SPD selbst.

Die SPD – eine Partei, die sich Solidarität und soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, und insbesondere Gabriel selbst als Parteichef und möglicher Kanzlerkandidat – gerät in dieser Konstellation in eine prekäre Lage. Denn ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung scheint kaum von der konservativen CDU unterscheidbar zu sein. Wolfgang Münchau schreibt treffend, dass die Wirtschaftspolitik der Genossen auf diese Weise „zu einem Anhängsel von CDU und CSU degradiert“ wurde. Als Vizekanzlerträgt Gabriel auchfür die harte deutsche Linie volle Mitverantwortung. Er hat die SPD in dieselbeausweglose Situation geführt, in der sich nun auch Merkel selbst befindet. Egal ob Grexit oder Hilfsprogram für Griechenland: „Es gibt jetzt nichts mehr zu gewinnen.“

Schließlich geht es auch um diestrategischeBedeutung Griechenlands. Die amerikanischen Bedenken richten sich naturgemäß weniger auf die finanzpolitische Prinzipienstreiterei, die Europas Politiker ergriffen hat, sondern die strategische Situation in Südosteuropa und im Mittelmeer. Hier nimmt Griechenland eine zentrale Stellung ein. Aus der Sicht Washingtons ist es deswegen fahrlässig, wenn Brüssel nicht nur die mittelfristige soziale und politische Destabilisierung des Landesherbeiführt, sondern auch eine mögliche Annäherung Athens an Russland in Kauf nimmt. Für amerikanische Strategen kommen die von der Troika geforderten 400 Millionen Euro Einsparungen im Verteidigungsbudget nicht in Frage. Stattdessen ist Athens Bedeutung für die NATO das wohl gewichtigste Argument weitere Finanzhilfen zu beschließen.Bedenken dieser Art scheinen jedoch weder Brüssel noch im deutschen Finanzministerium maßgebend.

Die China-Reise von Vize-Kanzler Sigmar Gabriel sollte vor diesem Hintergrund gesehen werden. Trotz der enormen Bedeutung Chinas für die deutsche Außenwirtschaft, dürfte Gabriel gedanklich vor allemmit Griechenland beschäftigt sein. Er behältdie möglichen Konsequenzen für die Politik der Bundesregierung und die Zukunft seiner eignen Partei im Hinterkopf. Zudem muss er bereits am Donnerstag wieder zurück in Berlin sein. Dann nämlich dürfte eszu einer hoch umstrittenen Abstimmung über ein 74 Milliarden Euro Hilfspaketim deutschen Bundestag kommen, das Griechenland vomdrohenden Finanzkollaps retten würde. Insgesamt dürfte Gabriel deswegen weniger Muße aufbringen, um über „Industrie 4.0“ zu sprechen, als es eigentlich vorgesehen war, obwohl die Digitalisierung und Datafizierung der Industrieproduktion gleichermaßen eine Kernherausforderung für Deutschland und China darstellt.

Was die Griechenlandkrise betrifft, könnte es aus europäischer Sicht sehr hilfreich sein, wenn China seine Infrastruktur-Investitionen in und um Griechenland deutlich ausbaut, um so den zu beschließenden Finanzhilfen, die größtenteils direkt in die griechische Schuldentilgung fließen werden, weitere realwirtschaftliche Investitionen zur Seite zu stellen. Beispielweise sollte im Sinne der wirtschaftlichen Integration Griechenlands und anderer Länder in Südosteuropa überlegt werden, wie die chinesische 1+16 Initiative mittel- und langfristig besser mit der Finanz- und Strukturpolitik der Eurozone (wie etwa dem sog. Juncker-Fonds) koordiniert werden könnte.

Dr. Maximilian Mayer ist Research Professor am Deutschlandforschungszentrum der Tongji-Universität.

Der Text spiegelt die Meinung des Autors wider.

 

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Quelle: people.cn

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