Dawa: Magister der Tibetologie an der Tibet-Universität

Dawa (35), geboren in einer einfachen Hirtenfamilie im Kreis Sagya bei Xigaze Tibets, erhielt vor kurzem den Magistertitel der Tibetologie an der Tibet-Universität und hatte vor, in diesem Jahr zu heiraten. Nach der Tradition des Landwirtschafts- und Viehzuchtgebiets Tibets soll ein 20-jähriger Mann schon verheiratet sein. Um sein Studium zu vollenden, hat Dawa seine Hochzeit um 15 Jahre verschoben.

In alt Tibet vor 50 Jahren hatten nur Lamas in den Tempeln beziehungsweise Kinder der adligen Familien das Recht, die Tibetologie zu studieren. Dawa zählt zu den 10 der ersten Gruppe von Magistern der Tibet-Universität und der Hochschule für Traditionelle Tibetische Medizin.

In seiner Kindheit lernte Dawa sehr fleißig, obwohl er als das erste Kind seiner Familie täglich nach dem Ende des Unterrichts beim Viehhütten half. Als Dawa im Jahr 1981 die Grundschule absolvierte, forderte seine Mutter ihn aufgrund des Mangels an Arbeitskräften für die Zucht des vertraglich zugeteilten Viehes dazu auf, den Besuch einer höheren Schule einzustellen. Nach einigen Tagen Überlegungen sagte Dawa zu seiner Mutter:

"Mami, geb mir bitte die Gelegenheit, Mittelschule zu besuchen!" Seine Mutter stimmte stillschweigend zu.

Seine Karriere beweist, dass seine Alternative richtig war.

Während seines Mittelschulbesuches wurden alle Kosten für Verpflegung, Kleidung und Wohnung der Schüler von der Regierung getragen. Dawa sagte erinnernd: "Damals wurden beim Frühstück Zanba (Qingke-Gerstenmehl)-Brötchen, Reisbrei bzw. Mantou (gedämpftes Brötchen), beim Mittagsessen Gerichte aus Kartoffeln, Chinakohl u.a. und beim Abendessen Nudel angeboten. Im Sommer konnten wir das Pökelfleisch und im Winter das Rind- beziehungsweise Hammelfleisch essen. Sowieso konnten wir uns täglich satt essen." Um das Jodgehalt in ihrer Nahrung hinzuzufügen, wurde den Schülern wöchentlich einmal das Gericht aus dem Seetang angeboten.

Dawa kann sich die vier klassischen Meisterwerke Chinas (tibetische Ausgabe), die er während seines Mittelschulbesuches gelesen hatte, gut erinnern. Er sagte: "Davon interessiere ich mich besonders für das Werk ,Geschichte vom Liangshan-Moor'. Beim Lesen dieses Werkes vergaß ich manchmal, essen zu gehen. Einige Abschnitte, die die Figuren Lin Chong, Song Jiang u. a. beschreiben, konnte ich damals schon auswendig aufsagen."

Nach der Mittelschule wurde Dawa vom Fachbereich Tibetologie der Tibet-Universität aufgenommen und erhielt vor kurzem den Magistertitel. Er sagte: „Das tibetologische Studium ist der wichtigste Teil meines Lebens. Daraus habe Ich endloses Vergnügen erhalten, was mich angezogen hat, dieses Fach ununterbrochen zu erforschen. Wenn ich Gelegenheit habe, werde ich mich sicher fortbilden."

(CIIC, 19. September 2002)