Das Shoton-Fest | |
Neben den offiziellen nationalen Feiertagen -- Neujahr, Frühlingsfest, 1. Mai und Nationalfeiertag -- hat die tibetische Bevölkerung ihre eigenen traditionellen Feste wie das Shoton-Fest, das Erntefest und das Laternenfest. Wegen des breiten Einflusses des Lamaismus sind die verschiedenen Kultur-und Kunstveranstaltungen in Tibet, ja sogar das Alltagsleben der Einwohner mehr oder weniger religiös geprägt. Ein Beispiel dafür sind die Mani-Steinhaufen mit Inschriften beziehungsweise Buddhafiguren, die an den Wegen zu Heiligtümern zu sehen sind. Eine religiöse Tätigkeit, die eigentlich mit den buddhistischen Mönchen im Zusammenhang stand, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem großen Volksfest. Dies ist das Shoton-Fest. Es fällt jedes Jahr auf die Zeit zwischen Ende des 6. bis Anfang des 7. Monats nach dem traditionellen tibetischen Kalender. Auf Tibetisch bedeutet "Sho" Joghurt und "Ton" Bankett, man könnte es also auch als "Joghurt-Fest" bezeichnen. Vor dem 17. Jahrhundert durften die Mönche nach den Vorschriften des Buddhismus zum Frühlingsende hin für mehrere Wochen das Kloster nicht verlassen. Dies war die Zeit der Reinigung, der Stille und der Enthaltsamkeit. Wenn die Mönche nach Abschluß dieser Periode die Klöster verließen, gaben ihnen die Gläubigen Joghurt zu essen, und die Mönche kehrten zu ihrem normalen Lebensrhythmus zurück. Mit der Zeit entwickelte sich aus dieser Sitte das heutige Shoton-Fest. Im Verlauf der Entwicklung dieses Festes nahm der religiöse Gehalt mehr ab, während der Charakter eines Volksfestes immer stärker in den Vordergrund trat. Während des Shoton-Festes war die wichtigste Form der musikalischen Unterhaltung die tibetische Oper. Deshalb wird das Shoton-Fest auch als "Fest der tibetischen Oper" bezeichnet. Die tibetische Oper besteht aus Gesangs- und Tanzelementen. Nach der überlieferung war Thangtong Gyalpo, ein Lama der Kagyupa-Sekte, im 15. Jahrhundert auf den Gedanken gekommen, daß eine Brücke über einen Fluß Handel und Verkehr beträchtlich erleichtern würde. Es fehlten ihm jedoch die Mittel für die Verwirklichung seines Plans, und nachdem er drei Jahre lang Spenden gesammelt hatte, war die nötige Summe noch immer nicht beisammen. Da kam er auf den Gedanken, aus einigen Gläubigen, die sich durch ihr Talent im Singen und Tanzen hervorgetan hatten, ein Operensemble zu bilden. Er verfaßte einfache Operntexte, die die Lehren aus den Sutren darstellten, komponierte Musik dazu und brachte diese ersten Opern zur Aufführung. Die Vorführungen des Ensembles fanden im Volk großen Anklang. So gelang es ihm, Geld für die Brücke zu sammeln. Dies war die Urform der tibetischen Oper. Die ersten sieben Frauen dieses Ensembles waren hübsche Mädchen und wurden deswegen als "Feenschwestern" bezeichnet. Und Thangtong Gyalpo gilt bis heute als Begründer der tibetischen Oper. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die tibetische Oper zu einer umfassenden darstellenden Kunst entwickelt. Sie enthält Elemente von Literatur, Musik, Tanz und bildender Kunst. Im allgemeinen wird sie in Freilichttheatern aufgeführt. Ihre Melodien sind klangvoll und hell. Die Begleitinstrumente der tibetischen Oper sind Trommeln und Becken. Zwar haben die Melodien keine festgeschriebenen Namen, sind jedoch in lange Melodien, die freudige Stimmung wiedergeben, in tragische sowie in erzählerische kurze Melodien unterteilt. Das Schminken der Schauspieler ist einfach, sie pudern sich rot und tragen Masken. Die Darsteller sprechen sehr wenig, sondern singen ganz konzentriert. Durch gesprochene Worte in schnellem Rhythmus wird dem Publikum die Entwicklung der Handlunjg vorgestellt. In der tibetischen Oper werden zahlreiche tänzerische, sportliche und akrobatische Bewegungen eingesetzt. Dadurch werden Handlungen wie Bergsteigen, Bootsfahren, Fliegen zum Himmel, Stürzen ins Meer, Reiten, Krieg sowie Kampf gegen Dämonen dargestellt. Mit der Zeit wurden viele Bühnenstücke der tibetischen Oper ausgesondert. Als Repertoirestücke sind acht übrig geblieben: "Prinzessin Wencheng und die nepalesische Prinzessin Bhritiku Devi", "Langsa Weibang", "Suji Nima", "Zuowa Sangmu" sowie vier weitere Theaterstücke. Sie haben als die acht wichtigsten Bühnenstücke der tibetischen Oper geschichtliche Persönlichkeiten, Legenden oder buddhistische Erzählungen zum Inhalt. Das Shoton-Fest wird vor oder nach dem 1. Tag des 7. Monats nach dem tibetischen Kalender begangen. Zu diesem Fest kommen alle bekannten Opernensembles aus verschiedenen Gebieten Tibets zum Noblinkha-Park in Lhasa. Verwaltungsämter und Klöster haben frei. Die Leute strömen festlich gekleidet mit ihren Familien mit Essen und Trinken zum Park und schlagen Zelte auf. Sie setzen sich auf den Rasen, schauen sich bei Joguhrt Operaufführungen an, plaudern oder singen und tanzen. (China.org.cn, 2. November 2000)
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