Eisenbahnbaustelle macht seltenen Antilopen Platz

Seit dem 5. August wurden die lärmenden Maschinen auf der Baustelle der Qinghai-Tibet-Eisenbahn abgestellt, um 500 wandernden Tibetantilopen den Weg frei zu machen, einer seltenen Spezies, die nahe vor der Ausrottung steht.

"Die insgesamt 40.000 weiblichen und Babyantilopen werden 10 Tage brauchen, um die Baustelle zu überqueren. In dieser Zeit lassen wir die normalen Bauarbeiten jede Nacht für drei Stunden ruhen", sagte Yu Shaoshui, ein offiziell Verantwortlicher für den Bau der Eisenbahn im Abschnitt Golmud.

Jedes Jahr im Juni ziehen die weiblichen Tibetantilopen in großer Zahl nach Norden, um an den Ufern des Zhounai-Sees und des Taiyang-Sees im Naturschutzgebiet Hoh Xil ihren Nachwuchs zu gebären. Einen Monat später geht die Reise den gleichen Weg mit den Antilopenbabys zurück.

Zoologen erläutern, daß die dickfelligen Tiere sich die nördlicheren Regionen zur Geburt des Nachwuchses ausgesucht haben, weil es dort kühler ist und reichlich Trinkwasser und Gras zur Verfügung steht.

Als im Juni diesen Jahres 20.000 weibliche Antilopen die Baustelle der Qinghai-Tibet-Bahnstrecke überrannt haben, um in ihr Aufzugsgebiet zu gelangen, wurde angeordnet, daß die Arbeiter in fünf aufeinanderfolgenden Nächten ihr Werk ruhen lassen sollten.

"Wir waren erfreut, als die Tibetischen Antilopen vor unseren Augen die Bahnlinie überquert haben. Als Bahnarbeiter haben wir den Umweltschutz immer im Hinterkopf", sagte Liu Jinlu, ein Arbeiter.

Die Tibetische Antilope steht an der Spitze der Artenschutzliste in China. Sie stammt aus den Steppen in und um die Provinz Qinghai und die autonomen Gebiete Xinjiang und Tibet und lebt normalerweise im Gebirge auf 3.700 bis 5.500 Meter Höhe.

Das Tier wird häufig von Wilderern gejagt, um aus seinem Fell Shatooshs herzustellen, Wickeltücher, die für mehr als 11.000 US-Dollar pro Stück auf dem Weltmarkt gehandelt werden. Das ausufernde Töten der Tiere hat zu einem drastischen Rückgang ihrer Zahl geführt: vor einem Jahrhundert gab es noch mehrere Millionen Tiere, heute sind es nur noch 50.000. Jährlich sinkt diese Zahl um 20.000 Tiere.

Um diese bedrohte Art vor dem Aussterben zu bewahren, hat die chinesische Regierung drei Naturschutzgebiete auf der Hochebene Qinghai-Tibet eingerichtet, darunter eines in Hoh Xil. Des weiteren sind in den letzten Jahren einige Kampagnen gegen Wilderer ins Leben gerufen worden, und der Handel mit der Tibetantilope wurde verboten.

Die Bahnstrecke Qinghai-Tibet, in ihrer Art die höchste, die auf der Welt gebaut wurde, soll durch das Naturschutzgebiet von Hoh Xil führen, eines der Aufzugsgebiete der Antilopen. Weil der Boden auf dem Plateau im harten Winter gefroren ist, sind die Arbeiten an der Bahnstrecke nur von April bis November möglich.

"Unabhängig von unserem engen Zeitplan sind wir dazu verpflichtet, die Antilopen durchzulassen, weil die wilden Tiere des Hochlandes die Freunde der Menschheit sind", erklärte Yu Shaoshui.

"Wir haben alles Mögliche getan, um den Lärm der Maschinen zu verringern und die Antilopen und anderen Tiere in der Region nicht zu stören", fügte er hinzu.

Die Bahnbehörde erwägt den Bau eines Tunnels, um sicher zu stellen, daß die Antilopen und andere Tierarten die Bahnlinie sicher überqueren können, wenn sie in Betrieb genommen ist.

(China.org.cn, 13. August 2002)