Kommentar zur Bundestagswahl

Deutschland stehen spannende Jahre bevor

25.09.2017

von Felix Lehmann


Selten war ein Bundestagswahlkampf langweiliger als der diesjährige. Doch Deutschland steht vor Richtungsfragen, die nur durch kluge Kompromisse gelöst werden könen. Die politische Mitte muss neue Visionen entwickeln, um die Demokratie zu beleben und den Populismus in die Schranken zu weisen.


 

Deutschland hat gewählt. Damit findet ein fast geräuschloser und unspektakulärer Wahlkampf sein Ende, dessen Ergebnis für die meisten politischen Beobachter vorhersehbar war: Die Unionsparteien bleiben stärkste Kraft und Angela Merkel wird weiterhin die Bundesregierung führen. Dennoch ist diese Wahl anders als alle anderen Bundestagswahlen in der Geschichte des Landes, denn erstmals zieht rechts der Union eine Partei ins Parlament. Für CDU und CSU ein Menetekel, erklärt der Erfolg der AfD doch das einst von CSU-Übervater Franz-Josef Strauß ausgerufene Diktum, rechts der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben, für gescheitert.

 

Damit bestätigt sich auch ein weiterer Trend, der spätestens seit der Bundestagswahl 1994 seinen Ausgang nahm: Das Ende der Dominaz der beiden großen Volksparteien CDU und SPD und der relative Bedeutungsgewinn der kleineren Parteien. Neben der FDP, die seit Gründung der Bundesrepublik stets eine Rolle gespielt hat, den Grünen, die als politisches Substrat der 68er-Bewegung 1983 erstmals den Sprung in die Parlamente schafften, der Linkspartei, der die Reformagenda der rot-grünen Schröder-Regierung zu einer Wiedergeburt verhalf, ist mit dem Einzug der AfD in den Bundestag Strauß’ Alptraum nun wahr geworden.

 

Den aktuellen Hochrechnungen zufolge bleiben die Unionsparteien trotz deutlicher Verluste von 8,7 Prozentpunkten stärkste Kraft. Doch als Wahlsieger kann Merkel sich trotzdem nicht fühlen: Die Unionsparteien verloren im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 deutlich an Stimmen und können sich nur deswegen an der Spitze behaupten, weil die SPD unter Martin Schulz noch miserabler abschnitt und mit 20,5 Prozent das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte einfuhr.

 

Auch die Grünen haben ihren Zauber verloren. Vor einigen Jahren kam die Ökopartei in Umfragen auf ungeahnte Zustimmungswerte – die Fukushima-Krise spülte in Baden-Württemberg 2011 mit Winfried Kretschmann sogar erstmals einen grünen Ministerpräsidenten ins Amt – doch davon ist heute nichts mehr zu spüren. Die eigentlichen Gewinner sind die FDP und die Alternative für Deutschland.

 

FDP und AfD sind die großen Gewinner

 

Erstere, 2013 mit 4,8 Prozentpunkten krachend an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, schaffte ein fulminantes Comeback und setzte mit einem Wahlergebnis von 10,7 Prozent einen beeindruckenden Schlusspunkt unter das Projekt „Rückkehr in den Bundestag“. Nicht nur das ist Parteichef Christian Lindner gelungen, der FDP winkt nun sogar die Regierungsbeteiligung. Letztere, die AfD, zieht an Liberalen, Grünen und Linken vorbei und wird mit 12,6 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft. Erstmals werden im Bundestag nun Abgeordnete von sieben verschiedenen Parteien Platz nehmen. Die Regierungsbildung wird unter diesen Bedingungen nicht einfacher werden. Der Erfolg der AfD ist auch zurückzuführen auf eine Werteverschiebung, die unter Angela Merkel einsetzte. Kritiker warfen ihr die „Sozialdemokratisierung“ der CDU vor, die Preisgabe klassisch konservativer Positionen also, was rechts der Union Raum für populistische Alternativen geboten habe.

 

Wie geht es jetzt weiter? Eine Neuauflage der großen Koalition lehnten die Sozialdemokraten bereits ab. Die SPD hat in der großen Koalition Federn gelassen und ist nicht mehr länger bereit, eine Regierung unter Angela Merkel mitzutragen. Nach 2009 geht sie nun zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre geschwächt aus einem Bündnis mit der Union hervor. Rechnerisch ist nur eine „Jamaika-Koalition“ aus CDU, CSU, FDP und Grünen möglich. Doch der Weg dorthin wird schwierig: Zu tief sind die Gräben zwischen FDP und Grünen, als dass ein schneller Abschluss von Koalitionsverhandlungen möglich schiene.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Bundestagswahl, Merkel, CDU, SPD, AfD, Jamaika