Die Müll-Chefin von Changzhou

08.11.2017

Zu den Dienstleistungen von Changzhou Huanqiu gehört es nicht nur, die Straßen der Stadt im Yangtse-Delta reinzuhalten und die öffentlichen Müllbehälter zu leeren. Auch für die Sauberkeit der Flüsse und des Sees West Taihu Lake ist die Firma zuständig. Beim Ausbau ihrer Firma kommen Jiang Ting die Kontakte und die Erfahrung ihres Vaters weiterhin zugute. Denn so ganz hat der sich nicht aus dem Geschäft verabschiedet. Loslassen ist bei Gründern bekanntlich häufig ein Problem, gerade in Familienunternehmen - egal ob in China oder Deutschland.


 

Und wenn es unterschiedliche Ansichten zwischen Tochter und Vater gibt? "Dann diskutieren wir das", antwortet Jiang Ting. "Fällt die Entscheidung in den Management-Bereich, hat mein Standpunkt im Zweifelsfall mehr Gewicht", sagt sie selbstbewusst. In nächster Zeit hält sie es beispielsweise für notwendig, ein mittleres Management in ihrer Firma zu etablieren. "Momentan kümmere ich mich noch um zu viele Kleinkram", gibt sie selbstkritisch zu. Das führt dann dazu, dass die Mutter zweier Töchter - die eine im Kindergarten- , die andere im Grundschulalter - mit ihrem regulären 9-Stunden-Arbeitstag nicht auskommt und auch nach Feierabend und am Wochenende noch oft am Smartphone hängt, um geschäftliche Dinge zu regeln.

 

Selbstverständlich leistet sich Jiang Ting zuhause auch eine Ai, die das Haus in Ordnung hält, so wie viele berufstätige Paare, die den ganzen Tag auf Achse sind. Insofern ist das noch kein Ausdruck von Luxus. Aber natürlich stellt sich die Frage, wie eine junge Frau, die sich nie die Hände schmutzig machen musste, in diesem hemdsärmeligen Gewerbe klarkommt, und ob sie überhaupt weiß, was Schmutzarbeit wirklich bedeutet. "Ach", meint sie im Gespräch, "täuschen Sie sich da mal nicht. Ich habe mir das angesehen, als mich noch niemand kannte". Vor Ort, ausgestattet mit Fotoapparat. "Heute geht das aber nicht mehr. Meine Mitarbeiter würden mich gleich erkennen."

 

Obwohl Changzhou Huanqiu in den letzten Jahren enorm gewachsen ist, sieht Jiang Ting das Potenzial noch lange nicht erschöpft. Die Provinz Jiangsu mit ihrem weitläufigen Einzugsgebiet um Shanghai und Nanjing ist eine starke Wachstumsregion. Allein schon die Stadt Changzhou wird nach eigenen Prognosen in den nächsten drei bis vier Jahren um bis zu eine Million Einwohner anwachsen, lockt mit vergleichsweise günstigen Grundstückspreisen und hohen Investitionen in Bildung und Forschung und zielt dabei vor allem auf Startups sowie in- und ausländische Unternehmen. Jiang Tings einfaches Kalkül: Wo sich mehr Menschen niederlassen und Städte ausdehnen, muss für mehr Sauberkeit gesorgt werden.

 

Das wird auch ihren geschäftlichen Aktionsradius vergrößern. Unterwegs in die Niederlassungen lässt sie sich heute schon von einem Fahrer chauffieren. In ihrer Heimatstadt Changzhou hingegen sitzt die zierliche Frau nach wie vor selbst am Steuer ihres BMW X4. Ambitionen, vielleicht sogar mal eines ihrer 200 Reinigungsfahrzeuge zu fahren, hat sie keine. "Dafür habe ich nicht den passenden Führerschein."

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Müll, China, Unternehmerin, Frai