Kluge Köpfe braucht das Land

17.11.2017

Stadt-Land-Gefälle

China ist seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik in den späten 1970ern zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geworden. Der Preis für die damit verbundene schnelle Urbanisierung ist eine immer größere Schere zwischen Stadt und Land. Besonders im Bereich Bildung seien die Unterschiede besonders besorgniserregend, meinen Experten.

Wang Liwei ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am 21st Century Education Research Institute, einer gemeinnützigen Organisation in Beijing, die zu Bildungspolitik forscht und berät. Bildung auf dem Land sei wichtig, weil ein großer Teil der Bevölkerung immer noch auf dem Land lebe, so Wang.

„Schlechte Bildung in abgeschiedenen Gebieten wirkt sich auf die dortige Arbeitsqualität aus und könnte die Entwicklung Chinas beeinträchtigen. Menschen, die wegen ihrer geringen Bildung nicht beschäftigungsfähig sind, können auch die gesellschaftliche Stabilität bedrohen.”

In den vergangenen zehn Jahren wurde von der Regierung immer mehr in Bildungseinrichtungen auf dem Land investiert. Es wurden bessere Gebäude und Einrichtungen zur Verfügung gestellt und politisch Anreize geschaffen, die qualifizierte Lehrkräfte in abgeschiedene Gebiete holen sollten.

Im Jahr 2007 wurde vom Staatsrat, also dem chinesischen Kabinett, das „Free Normal Education Program” an sechs pädagogischen Hochschulen des Landes implementiert, wo Lehrkräfte für alle Stufen des chinesischen Bildungssystems ausgebildet werden.

Im Rahmen des Programms zugelassene Studenten sind von Studiengebühren befreit und erhalten während der Vorlesungszeit einen monatlichen Zuschuss von 600 Yuan (80 Euro). Nach dem Abschluss müssen sie eine Zeit lang in Regionen mit Lehrermangel gehen.

Im Jahr 2010 wurde vom Bildungs- und vom Finanzministerium gemeinsam das staatliche Programm zur Ausbildung von Lehrkräften für die Primar- und Sekundarstufe initiiert.

Das Programm bietet Dorflehrern aus Zentral- und Westchina die Möglichkeit auf Kosten des Staates an Auffrischungskursen oder kurzen Fortbildungen an Chinas besten Hochschulen teilzunehmen.

Laut Bildungsministerium wurden 2012 vom Staat 2,7 Billionen Yuan (346 Milliarden Euro) für Bildung ausgegeben, erstmalig mehr als 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Zahl steigt seitdem stetig an, im letzten Jahr wurden 3,8 Billionen Yuan (487 Milliarden Euro) bzw. 5,2 Prozent des BIP in Bildung investiert.

Die steigenden Investitionen bedeuten, Schüler auf dem Land müssen nicht länger Angst haben, dass während des Unterrichts der Putz von der Decke bröckelt und Internetzugang oder multimediagestützte Lehre sind an vielen Schulen auch keine Besonderheit mehr.

„Wenn man jetzt übers Land fährt, ist es schön zu sehen, dass Schulen immer die besten Gebäude haben”, meint Andrea Pasinetti, Gründer und Geschäftsführer von Teach for China.

Trotz der besseren Infrastruktur herrsche in einigen ländlichen Regionen allerdings immer noch starker Mangel an Lehrkräften, meint Wang vom 21st Century Education Research Institute.

„Der Mangel an qualifizierten Lehrkräften führt dazu, dass wohlhabendere Eltern ihre Kinder zur Schule in die nächstgelegene Kreis- oder Großstadt schicken, durch die sinkenden Schülerzahlen wird der Lehrermangel aber nur schlimmer, weil Lehrer dann auch in die Stadt gezogen werden, das ist ein Teufelskreis.”


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Quelle: People.cn

Schlagworte: China, Lehrer, Land