Regisseur Christopher Rüping: Durch Theater rückt die Welt ein Stückchen näher zusammen

18.07.2019

Foto von Tien Nguyen The


Willkommen in Beijing. Ist dies Ihr erster Besuch in China?

 

Ich war schon einmal zu Besuch hier. Ich habe mit meinem Bruder eine Weltreise nach dem Abi gemacht, da waren wir in Shanghai und in Hongkong. Vor ungefähr sieben Jahren wurde außerdem ein Stück von mir schon einmal in Shanghai aufgeführt. Da war ich aber leider nicht dabei, weil ich proben musste. Für mich ist es daher das erste Mal, dass ich mit einer Inszenierung auf dem chinesischen Festland bin. Im Januar hatten wir bereits in Taipeh gespielt.

 

Was verbinden Sie mit dem Land? Was hat Sie bisher am meisten überrascht oder beeindruckt?

 

Es war tatsächlich so, dass ich die meiste Zeit im Theater verbracht habe. Wir hatten mit so vielen Problemen der technischen Umsetzbarkeiten hier zu kämpfen, dass ich von der Stadt ehrlich gesagt wenig gesehen habe. Jetzt muss ich morgen früh zurückfliegen, was total schade ist. Es wäre viel schöner, wenn ich jetzt noch ein bisschen Zeit hätte, aber es geht direkt in Deutschland weiter.

 

Ich glaube vor meinem Besuch hatte ich eher eine Art pauschales Bild von China. Ich war das erste Mal hier als Tourist und jetzt wo ich hier arbeite ist es total anders, selbst wenn es nur für ein paar Tage ist.

 

Zum Großteil haben wir hier mit lokalen Fachkräften zusammengearbeitet, beispielsweise den Theatertechnikern. Da gab es eine Sache, die total interessant war in unserem kleinen Umfeld. Von den Technikern, mit denen wir zusammengearbeitet haben, gab es ein paar, die wahnsinnig engagiert waren. Die haben sich unglaublich in die Aufgabe reingesteigert, haben abends bis Mitternacht gearbeitet und waren morgens um 8 Uhr wieder da. Mit ihrem Einsatz haben sie dieser Inszenierung extrem viel gegeben und viel möglich gemacht.

 

Daneben gab es jedoch eine viel größere Gruppe von chinesischen Technikern, die sich sehr zurückgehalten und eher von der Produktion ferngehalten hat. Es gab beides. Ich weiß jedoch nicht, ob sich diese Beobachtung für China verallgemeinern lässt.

 

Was ich auch extrem überraschend fand, zumindest bei den Chinesen, denen ich hier begegnet bin, waren die unglaublichen Schlafpositionen. Das war wirklich irre. Da lag beispielsweise ein Techniker stundenlang in einer der Leuchtsäulen die wir für das Stück benutzt haben und hat seelenruhig geschlafen. Das zeugt von einer körperlichen Flexibilität, die ich nicht hätte. Ich habe es dann irgendwann auch mal probiert, auf so einem Sitz zu schlafen, habe jedoch sofort Rückenschmerzen bekommen, alles tat mir weh. Die chinesischen Kollegen konnten das jedoch sehr gut vertragen.

 

Was haben Sie neben den spektakulären Schlafpositionen noch mitgenommen von Ihrem Besuch?

 

Bei dem aufgeführten Stück „Trommeln in der Nacht“ gibt es zwei Enden. Beim einen entscheidet sich der Hauptakteur sich für die Liebe, beim anderen für die Revolution. In Deutschland ist das Publikum bei der Version, wo er sich für die Liebe entscheidet, viel glücklicher - hier ist es andersrum.

 

Hier hatte ich das Gefühl, dass das Ende, bei dem sich der Akteur für die Revolution, also für den Aufbruch ins Politische und nicht für den Rückzug ins Private entscheidet, die Leute schneller erreicht oder unmittelbarer anfasst. Überhaupt, die Reaktionen in der Emotionalität auf den 4. und 5. Akt am Ende des Stückes sind hier ganz anders als in Deutschland. In Deutschland ist die Idee einer Bewegung, hinter der man sich versammelt, eine romantische, die man mit Abstand genießen kann. Hier hatte ich das Gefühl, ist es eine politische Idee, keine romantische, emotionale Angelegenheit, sondern eine intellektuelle, die deswegen aber eine starke emotionale Antwort produziert.

 

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Quelle: People.cn

Schlagworte: Regisseur,Theater,Christopher Rüping