2000 Fichten aus Nordostchina und der Heiligabend in Shanghai: Woher stammen die Weihnachtsbäume in der Stadt?

25.12.2019

In ihrer weniger als 40 Quadratmeter großen Wohnung, die sie in Pudong in Shanghai gemietet hat, hat Liu Min es geschafft, einen 1,5 Meter hohen Weihnachtsbaum aufzustellen. Das ist ihr viertes Weihnachten in Shanghai. Liu Min kommt aus Foshan in der südchinesischen Provinz Guangdong und arbeitet als Programmiererin in der Metropole Shanghai. Der Duft der Fichte füllt schnell den kleinen Raum. Liu dekoriert den Baum mit buntem Weihnachtsschmuck und Laternen. Mit dem Festmachen des Weihnachtssterns an der Spitze des Baums beginnt auch die Weihnachtszeit von Liu Min. Wenn der Strom eingeschaltet ist, wärmen die bunten Laternen auf dem Weihnachtsbaum die gesamte Wohnung. Den Baum hatte sie bereits Mitte November im Blumenladen Rosa Gallica an der Straße Wukang bestellt. An der Straße hat Rosa Gallica nicht nur den Laden, sondern auch ein Lagerhaus. Jeden November stellt Rosa Gallica ihre Weihnachtsbäume verschiedener Größe an die Straße, welche das kommende Weihnachtsfest ankündigen.


Aber Chen Guangda hat noch früher begonnen. In der Stadt Baishan im Nordostchina, die einige Tausende Kilometer von Shanghai entfernt, liegt die Temperatur schon Anfang November unter null Grad Celsius. Nun wird Chen in die Berge, die meistens von Schnee bedeckt sind, aufbrechen und nach den passenden Fichten suchen, für die die Stadtbewohner gerne zahlen. Viele Familien in Baishan verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von Fichten. Die meisten Bäume werden aber Parks zur Begrünung verkauft. Das Geschäft mit Weihnachtsbäumen macht nur einen kleinen Teil aus. Dies ist auch Chen Guangda bewusst. Aber im langen Winter im Nordosten hat man sowieso kein großes Geschäft vor sich, da ist auch so ein kleines Geschäft attraktiv. Deshalb sammelt Chen in jedem November in den Bergen Fichtenbäume und transportiert diese Bäume selbst nach Shanghai. Dort bleibt er einen halben oder ganzen Monat, bis alle Bäume verkauft sind. Nach seiner Meinung ist die Weihnachtsbaumbranche in China immer noch ziemlich fragmentiert, und die Industriekette noch nicht ausgereift. Es sei das „Überbleibsel“ des Baumschulgeschäfts, sagt Chen.


Mit dem Weihnachtsbaumgeschäft begann Rosa Gallica im Jahr 2012. Wie der Ladenbesitzer Li Ke mitteilte, habe der Laden im ersten Jahr nur etwa 100 Weihnachtsbäume verkauft, fünf Jahre später stieg die Zahl schon auf bis zu 600. Ganz am Anfang waren die Kunden zumeist Ausländer.


„Die ganze Familie ist zu unserem Lagerhaus gekommen und hat mit guter Laune die Bäume ausgewählt. Da musste die ganze Familie sich einig sein“, erzählt Li Ke, „wenn der geliebte Baum ausgewählt wurde, machte die Familie dann Fotos um den Baum herum. Die Szene sah sehr warm aus.“ Den Westlern gefielen traditionell geschmückte Weihnachtsbäume mit einer Größe zwischen 1,8 bis 2,4 Meter, während chinesische Familien kleinere Bäume mit neuer Art von Dekorationen bevorzugten, etwa 30 bis 80 Zentimeter hoch, sagte Li. Diese seien auch preisgünstiger, ein 30 Zentimeter hoher Weihnachtsbaum mit Dekoration koste 399 Yuan (etwa 50 Euro), verriet der Ladenbesitzer. Die ersten chinesischen Familien, die Weihnachtsbäume kauften, hätten meistens im westlichen Ausland studiert oder gelebt. Später, wollten auch diejenigen, die viel Wert auf eine schöne Zeremonie legen, zum Weihnachtsfest einen Weihnachtsbaum haben, so Li.


„Ich habe während meines Studiums in den USA begonnen, Weihnachten zu feiern. Da Geschäfte und Restaurants an Weihnachten früh geschlossen sind, nutzen Freunde dann die Gelegenheit, zu feiern und Geschenke auszutauschen. Wenn man über Weihnachten nachdenkt, hat man das Gefühl, dass der Winter nicht mehr so kalt und unerträglich ist“, sagte die 28-jährige Zhang Yuan, die nach ihrem Studium nach Shanghai zurückkehrte und an der Feier von Weihnachten festhält. Einen Weihnachtsbaum zu schmücken und zusammen mit Freunden Glühwein zu trinken, dadurch fühle man sich nicht so allein, sagte sie. Zhang Yuan hat für dieses Weihnachten einen 80 Zentimeter hohen Weihnachtsbaum bestellt. In dem Moment, als sie den Baum bekam, postete sie sofort einen Wechat-Moment: Jetzt gehöre ich auch zu denjenigen, die einen Baum besitzen.


Leute wie Zhang Yuan tragen zum weiteren Wachstum des Weihnachtsbaum-Marktes in Shanghai bei.

Als Chen Guangda zum ersten Mal in Shanghai ankam, hatte er nur drei Blumenläden als Abnehmer. Die Zahl ist nun auf rund 80 gestiegen. Sein größter Auftragsgeber in diesem Jahr ist Shanghai-Disneyland. 1.400 bis 1.500 Bäume hat er zum Vergnügungspark gebracht, darunter sechs Bäume von je fünf Meter Höhe, die also mindestens 20 Jahre lang gewachsen sind.


Obwohl Chens Heimat der beste Ort in China für Fichten ist, können diese Bäume allein die vielfältigen Bedürfnisse der Leute in Shanghai nicht befriedigen. Nicht wenige Kunden bevorzugen die von Dänemark eingeführten Kiefern mit stärkerem Farbton und Duft. Statistiken der dänischen Agrarbehörde zufolge hat Dänemark 2018 rund neun Millionen Weihnachtsbäume exportiert. Wie ein Branchen-Insider mitteilte, solle in diesem Jahr eine aus Dänemark importierte Kiefer von 1,5 Meter Höhe etwa 2.000 Yuan kosten.


Als erfahrener Züchter kennt Chen Guangda den Unterschied zwischen importierten und einheimischen Weihnachtsbäumen. „Trotzdem sind die einheimischen Bäume gefragter, weil sie günstiger sind. Für die meisten chinesischen Kunden ist der Unterschied nicht so wichtig. Die Westler hingegen sind eher anspruchsvoller“, sagte er.


Für die meisten Chinesen ist ein Weihnachtsbaum kein Muss. Deshalb sind die meisten Weihnachtsbäume, die man im Alltag sieht, aus der Stadt Yiwu – Plastikweihnachtsbäume sind eine billigere Option. In der Tat stammen rund 80 Prozent aller Weihnachtsbäume und Dekorationen aus der ostchinesischen Stadt, die als Handelszentrum für Kleinwaren weltweit bekannt ist. Von September 2016 bis August 2017 wurden in den über 600 Fabriken und Werkstätten in und rund um Yiwu weihnachtsbezogene Waren im Wert von drei Milliarden US-Dollar produziert.

In China gab es rund um das Weihnachtsfest aus dem Ausland von Anfang an Streit. Vor 100 Jahren waren bereits Gegenstimmen zu hören. Diese werden aber allmählich unter den jungen Chinesen leiser. „In China ist Weihnachten ohne Christentum eher ein romantischer Feiertag als ein gefälschter religiöser Feiertag“, kommentierte Patty Waldmeir, eine Reporterin der Financial Times in China, einmal.


Obwohl Weihnachten in China kein gesetzlicher Feiertag ist, verbringen die jungen Chinesen es gerne mit Freunden. Für sie dient dieser Tag eher als Chance im geschäftigen Alltag, eine kurze Pause zu machen. „Sobald die Weihnachtslieder abgespielt werden und die kleinen bunten Lichter am Weihnachtsbaum flimmern, herrscht im Winter sofort eine festliche Stimmung. Der Tag im Winter ist kurz und die Menschen könnten wegen der Kälte leicht depressiv werden. Aber wenn man den bunt geschmückten Weihnachtsbaum sieht, fühlt man sich mollig warm.“ Liu Min betrachtet Weihnachten als eine der schönsten Zeiten im Winter. Dafür will sie jedes Jahr Hunderte oder sogar Tausende Yuan ausgeben, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen, auch wenn der nur ein kurzes Leben von einem Monat hat.


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Quelle: CRI

Schlagworte: Weihnachtsbaum,Shanghai