Zentralbank setzt mit Zinssenkungen Anreize für Realwirtschaft

02.07.2020

 


Angesichts einer für die kommenden Quartale prognostizierten moderaten Konsuminflation senken Chinas Währungsbehörden die Zinssätze für größere Kreditinstitute. So soll die Kreditvergabe an kleinere Unternehmen, die von der neuartigen Coronavirus-Pandemie betroffen sind, unterstützt werden.


„Die Wahrscheinlichkeit eines offensichtlichen Wiederauflebens der Inflation ist gering, und Prognosen besagen, dass der Verbraucherpreisindex in diesem Jahr allmählich sinken wird", schrieb eine Gruppe von Zentralbankbeamten in einem am Mittwoch veröffentlichten Artikel. Auf der Grundlage dieser Hochrechnung beschloss Chinas Zentralbank, die Zinssätze für die Wiederausleihe („Relending“) und Rediskontierung (Rediscount Lending) ab Anfang Juli zu senken.


Die Senkung der Zinssätze sei auch ein Signal für eine Lockerung der Geldmenge zur Unterstützung der Realwirtschaft. Zuvor hätten einige Zentralbankbeamte allerdings angedeutet, spezielle geldpolitische Stimulierungsmaßnahmen zurückzuziehen, da die COVID-19-Pandemie in China fast unter Kontrolle sei und die wirtschaftliche Erholung im zweiten Quartal stark gewesen sei, kommentierten Analysten. Diese Sondermaßnahmen waren eingeführt worden, um die Wirtschaft anzukurbeln, als der Virus ausbrach.


Der Ein-Jahres-Zinssatz, den die Zentralbank für die Kreditvergabe an Finanzinstitutionen, die Einlagen halten müssen, verlangt (die so genannte „Relending-Rate“), sank um 0,25 Prozentpunkte auf nun 2,25 Prozent. Diese Senkung ziele insbesondere darauf ab, das Volumen günstiger Kredite für landwirtschaftliche und kleine Unternehmen zu erhöhen. Zeitgleich sei auch der Zinssatz für Diskontkredite im gleichen Maße auf 2 Prozent gesunken, sagte die Zentralbank. Überdies senkte die Bank die Zinssätze für die „Relending“ aus Gründen der Finanzstabilität um 0,5 Prozentpunkte auf 1,75 Prozent, wie aus einer Mitteilung der Zentralbank hervorgeht.


Es ist das erste Mal in einem Jahrzehnt, dass die Zentralbank den Diskontkreditzinssatz angepasst hat. Dabei handelt es sich um ein geldpolitisches Instrument zur Unterstützung der Finanzierung von sogenannten „Commercial Paper“ der Banken und zur Stärkung der Liquidität. Die erwähnten „Commercial Paper“ wiederum sind eine Art Schuldschein zur Finanzierung kurzfristiger Kredite für große institutionelle Käufer. In China ist diese Diskontfazilität seit 1995 eine wichtige Maßnahme, die ursprünglich dazu diente, Zahlungsrückstände bei Unternehmenskrediten zu beheben, indem den Unternehmen der Zugang zu Finanzmitteln erleichtert wurde.


Die Zentralbank erklärte, dass sie eine flexible und angemessene Geldpolitik verfolgen werde, um ihren Auftrag zu erfüllen, für Inflationsstabilität zu sorgen. Vor allem aufgrund der Auswirkungen von COVID-19 müsse eine verstärkte Inflation oder Deflation während der wirtschaftlichen Erholung verhindert werden, wie es in dem Artikel der Abteilung für Geldpolitik bei der Zentralbank heißt. „Im zweiten Quartal wird die Produktion voraussichtlich wieder auf ein natürliches Wachstumsniveau zurückkehren, und die dadurch verringerte Produktionslücke wird zur Stabilisierung der Preise beitragen", hieß es darin weiter.


Niedrigere Zinssätze für die Kreditfazilitäten deuten darauf hin, dass der Lockerungskurs der Geldpolitik bislang noch nicht umgekehrt wurde. Dennoch würden sich die Marktteilnehmer seit Mitte April angesichts steigender Interbankensätze und Staatsanleiherenditen Sorgen über eine geldpolitische Straffung machen, sagte Ming Ming, ein leitender Forscher bei CITIC Securities. Die Zentralbank hatte nach dem COVID-19-Ausbruch eine Quote von 1,8 Billionen Yuan (254,8 Milliarden US-Dollar) für die Wiederausleihe („Relending“) und Rediskontierung festgelegt - ein Teil dieser Quote sei laut Angaben der Bank am Mittwoch noch nicht ausgeschöpft worden.


Die Zentralbank werde wahrscheinlich verstärkt auf solche strukturellen Instrumente zurückgreifen, anstatt die Wirtschaft mit Liquidität zu überschwemmen, um somit die Effizienz des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu verbessern. Es könnten sogar Kredite direkt an die Realwirtschaft vergeben, sagte Yan Se, Chefökonom bei Founder Securities.


Bei einer Exekutivsitzung Mitte Juni forderte der Staatsrat die Finanzinstitute auf, 1,5 Billionen Yuan ihrer Gewinne an Unternehmen weiterzuleiten, um denen auf diese Weise zu helfen, die COVID-19-Pandemie zu überleben. Die Teilnehmer der Sitzung forderten überdies eine Senkung des Mindestreservesatzes. Damit ist der Anteil an Bargeld gemeint, den die Finanzinstitute als Einlage halten müssen, um eine ausreichende und angemessene Liquidität aufrechtzuerhalten.


Lou Feipeng, ein leitender Ökonom bei der Postal Savings Bank, sagte, dass die Banken im Rahmen der Maßnahmen in der Lage sein werden, zu niedrigen Kosten Finanzmittel von der Zentralbank zu erhalten. Die realen Kreditzinsen würden in den kommenden Monaten kontinuierlich weiter sinken.


„Wir erwarten eine breit angelegte Senkung des chinesischen Mindestreservesatzes um 50 Basispunkte im dritten Quartal oder eine Liquiditätsspritze in gleicher Höhe durch gezielte Kürzungen der Mindestreserven oder andere Maßnahmen, wie zum Beispiel das Relending- und Rediskontierungsprogramm der Zentralbank", erklärte Ding Shuang, Chefökonom für den Großraum China und Nordasien bei Standard Chartered. Seiner Einschätzung zufolge wird China den Zinssatz für mittelfristige Kredite im dritten Quartal um 10 Basispunkte senken, was niedrigere Leitzinsen für Kredite fördern würde.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Unternehmen,COVID-19,Zentralbank