Ehemaliger italienischer Botschafter in China Attilio Massimo Iannucci: Chancenverlust durch harte Haltung gegenüber China

07.07.2020


Eines möchte ich klarstellen, eine Koexistenz mit der Volksrepublik in den Bereichen Wirtschaft, internationale Politik, Wissenschaft, Mode oder sogar Essen und Trinken ist unausweichlich, selbst wenn wir uns als Westler abgrenzen und hoffen, dass China zu seiner geographischen und politischen Reichweite zurückkehrt.


In Wirklichkeit besitzen wir kein kulturelles Instrument, mit dem wir diesem Land begegnen und die Realität dieses Landes verstehen können. Die chinesische Kultur hat ihre Wurzeln im Konfuzianismus, demzufolge eine allgemeine Harmonie, Verständnis und Konsens angestrebt werden. Wir haben häufig Fehler gemacht, weil wir China mit einer altgriechischen philosophischen Denkweise beurteilt haben.


Das grundlegende Problem besteht darin, dass China in der modernen italienischen Schulbildung nie geschätzt wurde. Wir wissen zu wenig über die Volksrepublik nach 1949.


Italien hat insbesondere Ende der 1960er-Jahre alle Anstrengungen zum Aufbau konstruktiver Beziehungen mit China aufgegeben. Bedeckt wird die Realität in China durch einen undurchsichtigen Schleier der Schweigsamkeit. Bis heute ist es immer noch schwer für uns, ihn zu lüften. Die Erinnerungen an das China jener Zeit werden in einigen literarischen und fotografischen Werken festgehalten. Diese Erinnerungen sind aber meistens verzerrt und nicht richtig.


Unwissenheit führt zu Differenzen. Noch in den 1990er-Jahren glaubte die italienische Regierung, dass chinesische Bürger kein Touristenvisum bei unserem Konsulat beantragen würden und befürchtete, dass hinter ihrer Reise der Wunsch einer illegalen Einwanderung verborgen sein könnte. Dies hat dazu geführt, dass die Zahl chinesischer Touristen, die in die Schweiz reisten, bis 2010 höher war als die Italiens.


2010 erfuhr ich nach meinem Amtsantritt als italienischer Botschafter in China, dass die italienische Regierung ohne Absprache mit China den Vertrag zum gemeinsamen Aufbau der städtischen Infrastruktur in Pudong im Wert von über 300 Milliarden Lira plötzlich eingestellt hat. Diese Gelegenheit, die ursprünglich sehr vorteilhaft für italienische Unternehmen war, hat Deutschland von Italien geschenkt bekommen.


Die Angst vor dem Osten, die unsere Spitzenpolitiker zeigen, könnte zu Antagonismus führen, der für beide Länder ungünstig ist. Die Italiener sollten durch  besseres gegenseitiges Verständnis einen Weg des Dialogs mit China suchen.


Edgar Snow, der erste ausländische Journalist, der Mao Zedong interviewt hat und Autor des Buches ‚Red Star Over China‘ ist, und John King Fairbank, ein Sinologe der Harvard Universität, erklärten in den 1960er-Jahren, egal ob für die Vereinigten Staaten oder andere Länder der Welt, Dialoge mit China seien vorteilhafter als Konfrontationen. Diejenigen, die von einer wahren Win-Win-Situation im Rahmen der Seiden-Straßeninitiative nichts wissen wollen oder diejenigen, die die Aktionen der chinesischen Regierung nach der Entdeckung des neuartigen Coronavirus in Wuhan kritisieren und eine Untersuchung der internationalen Untersuchungskommission in China befürworten, werden nicht davon profitieren, wenn sie den alten Weg des Westens bestreiten.


China ist nicht nur ein Staat, sondern auch ein unbekannter Planet. Es kann sein, dass man sich durch philosophische Unterschiede unter Druck gesetzt fühlt, wenn man zum ersten Mal nach China kommt. Die Lösung der gegenwärtigen Probleme liegt wohl aber darin, die Idee der Harmonie des Konfuzianismus gemeinsam anzustreben.“ 

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Quelle: CRI

Schlagworte: Botschafter,Italien,Wirtschaft