Kashgar ist „Must-See" Xinjiangs

17.08.2021

Text von Annemarie Li, Xinjiang


„Kashgar ist ‚Must-See‘ Xinjiangs“. Dieses chinesische Sprichwort führte mich geradewegs zum ersten Ziel meiner Reise westwärts: Chinas wohl bekanntes Kashgar.



Obwohl ich mittlerweile seit einigen Jahren in China lebe, wusste ich nicht wirklich, was ich von der Region und ihrer multiethnischen Kultur erwarten konnte. Abgesehen von der einseitigen Berichterstattung über Xinjiang war mein Wissen über dieses Gebiet, in dem 25 Millionen Menschen leben, relativ begrenzt.


Gelandet in Kashgar, fiel mir als erstes das grelle Sonnenlicht auf. Obwohl es schon fast 16 Uhr am Nachmittag war, stand die Sonne hoch am Himmel und war so intensiv wie man es sonst vom Mittag kennt.


Auf dem Weg zu meiner Unterkunft kam ich an begrünten Straßen vorbei, auf denen türkisfarbene Busse und gelb-weiße Taxis verkehrten. Am Straßenrand erblickte ich die vertrauten Schilder, die für den „chinesischen Traum" warben, aber im Gegensatz zu den östlichen Provinzen Chinas trugen alle anderen Schilder - sei es auf der Straße oder den angrenzenden Geschäften - arabische Schrift über den chinesischen Schriftzeichen.


Was mir außerdem auf Anhieb ins Auge stach, waren die Kamelabbildungen auf Plakaten, Fahrzeugen, Bushaltestellen, ja sogar Teppichen. Allem Anschein nach wurde das chinesische Maskottchen des niedlichen Pandabär komplett durch seinen wuscheligen Gefährten ersetzt.


Als ich in der Altstadt Kashgars schließlich ein wahrhaftiges Kamel entdeckte, kam ich nicht umhin, zu fragen, was es mit all diesen Kamelen hier auf sich hat. Zu meiner Überraschung erhielt ich die eloquente Erklärung, dass Kashgar als wichtiger Knotenpunkt der alten Seidenstraße Waren mithilfe von Kamelen transportierte, und diese somit zum Motiv der Region wurden.


Beim späteren Spaziergang durch die schmalen Gassen der Stadt offenbarten sich mir die herrlichen Gebäude, welche dank Renovierungsarbeiten im Jahr 2008 ihre traditionelle Pracht weiter zur Schau stellen können. Bei einem schnellen Rundgang durchs städtische Museum wurde mir erzählt, dass alle 220.000 Altstadt-Bewohner bei der Renovierung ihrer Häuser von der Lokalregierung unterstützt wurden, was ihren Lebensunterhalt erheblich verbesserte: Toiletten, die sich früher auf den Dächern befanden, konnten aufgegeben werden, während ganzheitlich Heizsysteme und Rohre verlegt wurden. Zudem wurden alle Häuser stabilisiert, um zukünftige Schäden durch Erdbeben in der Region zu verhindern.



Während ich weitere Häuserfronten passierte, erregte ein anderes Objekt meine Aufmerksamkeit. Zuerst war ich der Meinung, ich würde nur übergroße Krüge betrachten, die wahllos in den Geschäften platziert wurden. Später stellte sich heraus, dass solche Krüge an fast allen Eingängen der Altstadt aufgestellt waren, um auf uigurische Bräuche hinzuweisen und um Gäste gebührend zu empfangen. Einer der Ladenbesitzer erzählte mir, dass diese Art Krug in herkömmlichen Größen auch bei den Menschen zu Hause zu finden sei. Sie werden mit Wasser gefüllt, damit sich der Besuch vor dem Betreten die Hände waschen kann. Dabei verlangt es der Brauch, dass die Handflächen dreimal - ohne Wasser zu verspritzen - aneinander hin und her gerieben werden.


Abends gegen 21 Uhr setzte ich mich in eines der minimalistischen, aber eleganten Teehäuser, um die Atmosphäre der Stadt vollends auf mich wirken zu lassen. In Xinjiang wird es üblicherweise nicht vor 22 Uhr dunkel, was bedeutet, dass sich die gewohnten Essenszeiten um zwei Stunden oder mehr nach hinten verschieben. Je später es wurde, desto mehr Einheimische sammelten sich auf den Straßen und Plätzen entlang des Teehauses. Mit farbenfrohen Kleidern und flachen eckigen Hüten bildeten sie, vertieft in Gespräche bei Tee, getrockneten Früchten oder Fleischsnacks, die Hintergrundsinfonie meines ersten Tages in Xinjiang. 

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Quelle: People.cn

Schlagworte: Kashgar,Xinjiang,Kamel,Seidenstraße