Smarter Leben: Wie intelligente Roboter Chinas Alltag verändern

15.10.2021

Von Dang Xiaofei

 

Mancherorts kennt man sie nur aus Science-Fiction-Blockbustern, in China gehören sie schon heute zum Alltag: intelligente Roboter. Mit der raschen Weiterentwicklung von Big Data, künstlicher Intelligenz, Cloud Computing und anderen Zukunftstechnologien beginnen Roboter allmählich Einzug in Chinas Alltag zu halten. Was andernorts nur Vision ist, wird im Reich der Mitte schon heute real.


Hingucker im Stadtbild: In Hangzhou haben diese zwei Logistikroboter die Aufmerksamkeit eines Passanten auf sich gelenkt.


Intelligente Haushaltshilfen

 

Beijing in den frühen Morgenstunden. Als die ersten Sonnenstrahlen das Gesicht von Liu Chang streicheln, beginnt für die Hauptstädterin und Hausfrau das Wochenende. Und zwar mit Putzen, und zwar per Knopfdruck. Gleich nach dem Aufstehen heißt es Ranklotzen, jedoch nicht für die junge Mutter, sondern für ihren kleinen Reinigungsroboter. Ein paar kurze Anweisungen, dann geht Frau Liu in die Küche, um in Ruhe das Familienfrühstück zuzubereiten. Währenddessen wird lautlos die Wohnung gereinigt, und zwar von ihrem fleißigen Robo-Haushaltshelfer.

 

Der kleine Roboterstaubsauger stammt aus chinesischer Produktion, genauer gesagt aus dem Hause Xiaomi, eines der aufstrebenden Tech-Unternehmen des Landes. Der kleine „Heinzelmann“ ist mit einem ausgeklügelten KI-System ausgestattet. „Es kommt eine neue Generation der Navigation per Laser Distance Sensor, kurz LDS-Navigation, zum Einsatz“, erklärt Frau Liu fachmännisch. „Das System greift auf präzise GPS-Navigation zurück, was es dem Roboter ermöglicht, die Reinigungsrouten intelligent zu planen. So wird auch der letzte Winkel sauber“, sagt Liu zufrieden.

 

Die smarte Navigationstechnik sei längst nicht der einzige Vorteil des Roboterstaubsaugers, betont sie. Zwölf verschiedene multidirektionale Sensoren ermöglichen dem Gerät eine Orientierung selbst in komplexen Umgebungen und helfen, Kollisionen zu vermeiden. Auch auf Holz und Parkett arbeite das Gerät schonend, sagt Liu, und das bis zu 110 Minuten am Stück. Eine Verschnaufpause braucht der kleine Helfer also nicht. Liu ist verständlicherweise begeistert.

 

Nach dem Frühstück steht der Nachhilfeunterricht für den Sohn der Familie an. Wer jetzt an einen Tutor aus Fleisch und Blut gedacht hat, ist auf dem Holzweg. Auch der Nachhilfelehrer der Familie ist nämlich ein intelligenter Roboter, entwickelt von iFLYTEK, einem der Überflieger unter den aufstrebenden jungen Internetfirmen im Reich der Mitte. Das Unternehmen hat sich auf die Erforschung intelligenter Sprachtechnologie spezialisiert. Der KI-gestützte Roboter erklärt dem Sohn der Familie geduldig und fachkundig die Bedeutung und korrekte Aussprache neuer Wörter und Schriftzeichen, bewertet die Chinesisch- und Englischkenntnisse des Sprosses, hilft bei den Matheaufgaben und erzählt dem Jungen Geschichten. „Unserem Sohn macht das Lernen mit dem Roboter Spaß. Und mir spart es jede Menge Zeit und Nerven. Sonst müsste ich mich nämlich selbst mit meinem Sohn an die Aufgaben setzen“, sagt Liu.

 

Tatsächlich haben Haushaltsroboter wie diese bereits das Leben vieler Menschen in China umgekrempelt und erleichtert. Die Anwendungsszenarien werden dabei immer vielfältiger. Sie reichen vom Einsatz an der Rezeption von Firmen über Restaurants und Einkaufszentren bis hin zu Banken. Laut einer Statistik des Chinese Institute of Electronics betrug der Gesamtwert des chinesischen Robotermarktes im Jahr 2019 rund 8,68 Milliarden US-Dollar. 2,2 Milliarden US-Dollar darunter entfielen allein auf Haushaltsroboter. Bis Ende dieses Jahres, so schätzen Experten, dürfte der Wert des Marktsegments auf rund vier Milliarden US-Dollar anschwellen, auch vor dem Hintergrund der rasanten Zunahme der Anwendung der Roboter zum Beispiel in Parkhäusern und Supermärkten sowie in vielen anderen Bereichen des Alltags.

 

Smarte Produktion

 

Wechseln wir nach Shanghai. Hier arbeitet Wang Zheng als Kommissionierer bei einem örtlichen Logistikunternehmen. Lange war sein Job äußerst mühsam. Doch mittlerweile setzt sein Arbeitgeber auf intelligente Roboter als Unterstützung. Das hat Wangs Arbeit deutlich einfacher gemacht.

 

Im „Smart-Lager“ seiner Firma werden intelligente Roboter bei der Kommissionierung von Waren eingesetzt, was die Kommissionierungsgenauigkeit von Kleinartikeln auf bis zu 99,99 Prozent erhöht hat. Damit liegt die Effizienz heute dreimal so hoch wie bei der früheren manuellen Auftragsabwicklung. Wang Zheng und seine Kollegen müssen sich heute nur noch um Arbeitsschritte wie das Etikettieren und Versenden kümmern.

 

Intelligente Szenarien wie diese sind keine Seltenheit in Chinas Industrielandschaft. Dank des Siegeszugs intelligenter Technologien werden Industrieroboteranwendungen immer häufiger. Industrieroboter ersetzen schon heute vielerorts menschliche Arbeitskräfte, zum Beispiel bei Aufgaben wie Schweißen, Montage, Palettierung, Spritzlackierung und Schleifarbeiten. Die neuen Helfer kommen in verschiedensten Branchen und unterschiedlichsten Bereichen der Produktionskette zum Einsatz, zum Beispiel in Luft- und Raumfahrt, der Stahlerzeugung oder auch der Automobil- und Baumaschinenproduktion. Die Anwendungen der Roboter haben die Produktionseffizienz erheblich erhöht und die Arbeiter von schwerer körperlicher Arbeit befreit.

 

Außerdem kommen die Industrieroboter auch in einigen risikoreichen Branchen zum Einsatz. Etwa bei der automatisierten Wartung des Stromnetzes durch spezielle KI-Roboter im Rahmen des sogenannten Smart-Stromnetzes. Mithilfe von Technologien wie optischer Datenerfassung, Bewegungssteuerung oder der Rekonstruktion dreidimensionaler Umgebungen können die KI-Roboter der Industrie 4.0 der State Grid Corporation of China selbst anspruchsvolle Aufgaben mit Bravour erledigen, etwa die automatisierte Identifizierung der Kabelposition oder das Einholen, Abisolieren und Einfädeln von Kabeln. Die Innovation reduziert nicht nur die Arbeitsintensität, sondern mindert auch die Sicherheitsrisiken der Mitarbeiter im Betrieb deutlich.

 

Vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung und ansteigender Arbeitskosten hat der ergänzende Einsatz von Industrierobotern in der traditionellen Fertigungsindustrie nicht nur das Potenzial, den möglichen Mangel an Arbeitskräften abzufedern, sondern auch die Transformation und Modernisierung der Fertigungsindustrie zu fördern. Im Bericht der International Federation of Robotics für das Jahr 2020 wurde China als der weltweit größte und am schnellsten wachsende Markt für Industrieroboter hervorgehoben. Zahlen des chinesischen Statistikbüros zeigen, dass in China im Jahr 2020 rund 240.000 Industrieroboter vom Band liefen, ein Zuwachs von 19,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.


Intelligente Medizintechnik: Ein Mitarbeiter des Guangdong Second Provincial General Hospital demonstriert das Smart-System seines Krankenhauses. Die Klinik ist die erste intelligente Einrichtung ihrer Art für Gesamt-Szenarien auf dem chinesischen Festland.


Intelligente Gesundheitsversorgung

 

Roboter sind auch für die Gesundheitsversorgung ein Glücksfall. Das lässt sich etwa am Beispiel der orthopädischen Chirurgie gut demonstrieren. Jährlich unterziehen sich in China rund 20 Millionen Menschen einer orthopädischen Behandlung, fast 80 Prozent davon müssen operiert werden. Dabei spielen sogenannte C-Bogen-Röntgengeräte eine wichtige Rolle und sind dementsprechend weitverbreitet. Sie helfen bei der rechtzeitigen Diagnose, setzen gleichzeitig aber auch Ärzte und Patienten einem potentiellen Strahlungsrisiko aus. Abhilfe schafft hier neuerdings der sogenannte All-In-One-Orthopaedic Robot, kurz AIOOR. Entwickelt wurde er von Zhang Yuanzhi, einem Orthopäden des an die Medizinische Universität der Inneren Mongolei angeschlossenen Krankenhauses. Beim AIOOR handelt es sich um den ersten Operationsroboter seiner Art in China.

 

Dank des einzigartigen Bildgebungssystems des Geräts und seiner hochmodernen Software ist beim Einsatz des AIOOR keine präoperative Operationsplanung nötig. Denn der Roboter kann in zwei bis fünf Minuten die Planung während der Operation abschließen. Mit höherer Präzision und in kürzerer Zeit führt der Roboter selbst schwierige Operationen durch, etwa operative Eingriffe bei Becken- oder Osteoporose-Frakturen. Zudem reduziert das Gerät durch die deutlich kürzere Operationsdauer die Strahlenbelastung für Ärzte und Patienten deutlich.

 

Intelligente Roboter können auch das Unbehagen von Patienten bei körperlichen Untersuchungen reduzieren. In der traditionellen Gastroskopie etwa muss ein Schlauch in den Magen des Patienten eingeführt werden. Für die Betroffenen ist das eine äußerst unangenehme Prozedur, weshalb viele Menschen den Eingriff grundsätzlich scheuen. Magenerkrankungen werden deshalb oft nicht rechtzeitig erkannt bzw. behandelt. Das Shanghaier Unternehmen Ankon Medical Technologies liefert mit seiner NaviCam, einem magnetisch gesteuerten Kapsel-Endoskop-Roboter, nun eine Lösung für dieses Problem. Das Gerät ermöglicht eine schmerzfreie Magenspiegelung, ohne Verletzungen und Kreuzinfektionen. Für das Prozedere müssen die Patienten lediglich einen kapselgroßen Gastroskopie-Roboter schlucken. Selbst eine Betäubung ist dafür nicht nötig. In nur 15 Minuten ist die Magenspiegelung abgeschlossen, und das mit einer diagnostischen Genauigkeit von bis zu 92,8 Prozent. Nach der Untersuchung wird der Gastroskopie-Roboter über den Verdauungstrakt ausgeschieden, auch das fast völlig ohne unangenehme Beeinträchtigungen. Derzeit ist der Gastroskopie-Roboter bereits in fast eintausend medizinischen Einrichtungen in China verfügbar.

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Quelle: China Heute

Schlagworte: Smarter Leben,Roboter,China