Bajiazi ist ein gewöhnliches Dorf in Nordostchina, 35 Kilometer von der Kreisstadt Fuxin entfernt. Der 68-jährige Liu Zuoquan lebt in Bajiazi. Seit 2003 betreibt er in dem Dorf außerdem eine kleine Bibliothek. Liu erklärt: „Ich möchte den Landwirten einfach Bücher näherbringen.“

Liu Zuoquans kleines zweistöckiges Bauernhaus liegt direkt an der Straße. Es ist sein Zuhause und beherbergt gleichzeitig die Bibliothek. In zwei Räumen in der ersten Etage stehen 20 Bücherregale, die 15.000 Bücher beinhalten, die nach den Kategorien Agrartechnik, Gesundheit, Recht, Kinder und Leben geordnet sind. Jeden Tag kommen mehr als ein Dutzend Personen, um die Bücher vor Ort zu lesen oder sie auszuleihen. Liu zufolge werden im Durchschnitt 200 Bücher im Monat ausgeliehen. Die Landwirte zum Lesen ermutigen – das ist es, was er seit 19 Jahren versucht.

Liu Zuoquan wurde 1954 geboren und besuchte nur die Sekundarschule. Er ist ein erfahrener Schreiner, der sich mit seinem Handwerk einen wohlhabenden Lebensunterhalt verdient hat. Er sagt: „Neben meinem handwerklichen Geschick brauche ich auch einen gewissen künstlerischen Geschmack für die Herstellung von Möbeln. Also muss ich möglichst viele Bücher und Zeitungen lesen, um meinen Horizont zu erweitern.”

Im Jahr 2003 hatte Liu Zuoquan, der selbst gerne liest, die Idee, eine Bibliothek zu eröffnen. Er erklärt: „Meine ursprüngliche Idee war es, diejenigen, die gerne trinken und Mahjong spielen, dazu zu bringen, ihre Gewohnheiten zu ändern und öfter zu lesen.“ 　　

Selbstverständlich war es alles andere als einfach, die Menschen in dem ländlichen Gebiet zum Lesen zu bewegen. „Als die Bibliothek gegründet wurde, kam niemand, um zu lesen oder Bücher auszuleihen, und ich war damals sehr besorgt“, erinnert sich Liu. Zu jener Zeit gab es auch viele Menschen im Dorf, die ihn belächelten. Liu Zuoquan war jedoch entschlossen. Er glaubte, dass er sich nicht einfach zurücklehnen und darauf warten konnte, dass die Landwirte zum Lesen an seine Tür kamen. „Ich musste die Initiative ergreifen und Bücher und Zeitungen auf die Felder bringen“, so der 68-Jährige.

Seit mehr als zehn Jahren ist daher eine „mobile Bibliothek“, die aus einem vierrädrigen landwirtschaftlichen Fahrzeug umgebaut wurde, ein reizvoller Anblick auf den Landstraßen in der Umgebung von Bajiazi. Die größte Besonderheit von Liu Zuoquans Bibliothek ist, dass er die Bücher bis an die Tür liefert. Er ermahnt die Dorfbewohner immer: „Lies ein Buch, dann hast du ein bisschen mehr im Kopf. Es kann einem helfen, einen Weg zu finden, zum bescheidenen Wohlstand zu gelangen oder etwas zu verstehen.“ Nach und nach kamen auch immer mehr Dorfbewohner in die kleine Bibliothek, um dort zu lesen und sich Bücher auszuleihen.

Der Dorfbewohner Sun Guolong, der die Bibliothek regelmäßig besucht, sagt: „Ohne zu lernen, können wir keine fortgeschrittenen Landwirtschafts- und Zuchttechniken beherrschen. Ich komme oft in die Bibliothek, um Bücher über die Schweinehaltung zu lesen.“

Ein Landwirt namens Lu Yunge, der ebenfalls von der Bibliothek profitiert hat, erklärt: „Ursprünglich haben wir alle nach Erfahrung Getreide angebaut. Trotz starker körperlicher Anstrengungen blieb der Ertrag aber stets niedrig. Dann habe ich in der Bibliothek Bücher über Agrarwissenschaft und -technik gelesen und mir Wissen über wissenschaftliche Landwirtschaft angeeignet. Das Lesen hat sich mittlerweile ausgezahlt. Der Ertrag unserer Maisfelder ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen.“

Da immer mehr Menschen Bücher lasen, wurde es in der Bibliothek von Liu Zuoquan immer enger. Die Büchersammlung reichte nicht mehr aus, um den Bedarf der Dorfbewohner zu decken. Im Jahr 2009 beschloss die Dorfverwaltung von Bajiazi, Liu Zuoquan beim Ausbau seiner Bibliothek zu unterstützen. Die Dorfregierung stellte mehr Bücher zur Verfügung und schenkte der Bibliothek neue Bücherregale, Tische und Stühle, um die Leseumgebung zu verbessern, sodass die heutige Bibliothek entstehen konnte.