Die Sanxingdui-Ruinen: Eine faszinierende Zeitreise zur alten Shu-Zivilisation

25.08.2022

Zwischen dem 13. und 15. Juni wurden mehr als zehn Millionen Zuschauer im Livestream Zeuge einer archäologischen Ausgrabung in der Sanxingdui-Ruinenstätte in der Provinz Sichuan, die in der Antike als Reich der Shu bekannt war. Online fieberten die Internetnutzer mit, wie einige spektakuläre kulturelle Relikte in den Opfergruben Nummer 7 und 8 behutsam freigelegt wurden. In Grube 7 etwa hoben die Archäologen ein netzartiges Bronzegitter. Es bedeckte ein schildkrötenpanzerförmiges Gefäß mit einem grünen Jadeobjekt im Inneren. Ein zarter Bronzealtar und eine bronzene Fantasiefigur mit Menschenkopf, Schlangenkörper und Vogelkrallen und einem Zun (einem Gefäß für Rituale) wurden derweil aus Grube 8 geborgen. Die freigelegten Relikte rückten die leuchtende und sagenumwobene Shu-Zivilisation, die mindestens 4800 Jahre alt ist, ins Rampenlicht der Online- und Offline-Community. Die alte Zivilisation ist ein Paradebeispiel für das Motto „Vielfalt in Einheit“ der chinesischen Zivilisation, das bis heute gilt. 

  

Jedes Relikt erzählt eine Geschichte 

 

Die zwölf Quadratkilometer messende Anlage der Sanxingdui-Ruinen wurde erstmals in den 1920er Jahren entdeckt. 1986 lüftete die Ausgrabung von zwei Opfergruben viele Geheimnisse um die Stätte und versetzte nicht nur die Fachwelt in Staunen. Viele wertvolle Kulturrelikte wurden ans Licht gebracht, darunter Bronzestatuen, heilige Bronzebäume, Goldstäbe, Goldmasken, Elfenbein und Muscheln, von denen die meisten noch nie zuvor in China entdeckt worden waren. Es waren auch Artefakte erstaunlicher Größe und mit eigenartigen Formen darunter, etwa eine überzeichnete Bronzemaske mit großen, hervorstehenden Augen, eine hoch aufragende menschenähnliche Bronzeskulptur und ein 3,95 Meter hoher bronzener „Baum des Lebens“, die Sanxingdui deutlich von vergleichbaren Fundstätten mit Relikten aus der Bronzezeit (etwa 3300 bis 1200 v. Chr.) abheben. Die Stätte gilt heute als eine der größten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. 

 

Die Sanxingdui-Opferstätte umfasst die 1986 freigelegten Gruben 1 und 2 sowie sechs weitere Gruben, die seit 2020 nach und nach erschlossen wurden. Eine in Grube Nummer 5 ausgegrabene unvollständige Goldmaske bringt etwa 280 Gramm auf die Waage und misst 28 Zentimeter in der Höhe und 23 Zentimeter in der Breite. Sie gilt als größte Goldmaske, die jemals aus der Zeit der Dynastien Shang (1600-1046 v. Chr.) und Zhou (1046-256 v. Chr.) entdeckt wurde, die allgemein als Bronzezeit Chinas bekannt sind. Die Asche auf den Oberflächen der Goldmasken und Bronzewaren sowie der anderen Artefakte, die an dieser Stelle entdeckt wurden, stellte sich nach genauerer Analyse als Seidenstaub heraus, was den Ursprung der Seide im Sichuan-Becken noch einmal über 3000 Jahre zurückdatierte. Die Forscher griffen bei ihren Untersuchungen auf die Methode der Kohlenstoff-14-Datierung zurück. Die Befunde datieren fast 200 Proben, die in verschiedenen Gruben ausgegraben worden waren, auf die Zeit zwischen 1131 und 1012 v. Chr. zurück. Das brachte die Experten zu dem Schluss, dass außer den nachweislich später eingerichteten Gruben 5 und 6 alle Gruben zu Zeiten der späten Shang-Dynastie angelegt worden sein müssen. 

 

Während die Archäologen in Grube Nummer 7 das eingangs erwähnte Bronzegitter ausgruben, blickten die Zuschauer auch auf die niedlichen Zeichnungen auf der Rückseite ihrer Schutzkleidung, als die Archäologen bäuchlings auf dem Arbeitsgestell an der Grabungsstelle lagen. 

 

Seit den 1980er Jahren haben Archäologen eine 3,6 Quadratkilometer große Kernzone (den Standort der antiken Stadt Sanxingdui) ausgemacht, deren Layout sich nach wiederholten Untersuchungen, Erkundungen und Probegrabungen immer klarer abzeichnete. Es hat sich bereits eine Ruinenstätte der Hauptstadt herauskristallisiert, die aus mehreren Schichten von Stadtmauern, riesigen Gebäudeanlagen, Opfergruben, Jadewerkstätten, Wohnstätten, frühen öffentlichen Friedhöfen und anderen wichtigen kulturellen Einrichtungen bestand. 

 

Die Sanxingdui-Ruinen, die sich durch besondere regionale Besonderheiten und komplexe Kulturlandschaften auszeichnen, beweisen eindrucksvoll die Existenz der alten Shu-Zivilisation. Die hochentwickelte Bronzezivilisation zeigt, dass es neben den Becken des Gelben Flusses und des Jangtse noch eine weitere Wiege der chinesischen Zivilisation gab. „Die archäologischen Entdeckungen rund um Sanxingdui haben im In- und Ausland für Aufsehen gesorgt“, sagt Sun Hua, Professor am Fachbereich für Archäologie und Museologie der Peking-Universität. Er fungiert als akademischer Berater und technischer Leiter für die Ausgrabung der Sanxingdui-Gruben. 


Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Die Archäologen graben in Opfergrube 7 ein Bronzegitter aus, das ein schildkrötenpanzer-ähnliches Gefäß mit grünem Jadeobjekt birgt. Das Livestream-Publikum erfreute sich auch an den Zeichnungen auf den Schutzanzügen der jungen Archäologen. 

 

Nachwuchsarchäologen leisten wichtige Beiträge

 

Im Winter 2020 startete offiziell die zweite Runde archäologischer Ausgrabungen, hauptsächlich rund um die sechs neu entdeckten Opfergruben. Neben den außergewöhnlichen und wertvollen Funden stand auch eine Gruppe junger Archäologen, die normalerweise damit beschäftigt sind, Erde zu schaufeln und Daten aufzuzeichnen, im Livestreaming-Rampenlicht. Etwa 200 Mitarbeiter beteiligten sich an der Ausgrabung und den anschließenden Präservierungsarbeiten, über 75 Prozent davon gehören der Generation, die in den 1990er Jahren geboren wurde, an. Die Nachwuchsarchäologen sind zu einer unverzichtbaren Kraft geworden, nicht nur für die Arbeiten rund um die Sanxingdui-Ruinen, sondern auch für die chinesische Archäologie insgesamt. 

 

Xu Danyang, Jahrgang 1995, war im März 2021 für die Freilegung von zwei kostbaren Bronzeringen aus Grube 4 verantwortlich. Er ist bereits seit 2020 bei den archäologischen Ausgrabungsarbeiten auf dem Gelände dabei und stieß damals als frisch gebackener Master-Absolvent des Fachbereichs für Archäologie und Museologie der Peking-Universität zum Team. Während des Einsatzes 2021 legte er den ersten Bronzering alleine erfolgreich frei, den zweiten Ring grub er im Teamwork mit seinem Kollegen Zhou Shanshan aus, auch er ein Kind der Neunziger. Wenn die Archäologen bäuchlings auf der Arbeitsplattform liegen, besteht eine große Herausforderung darin, die ganze Körperkraft auf ihre Hände zu konzentrieren, um allein mit der Kraft von Handgelenken und Fingern zu graben. So verhindern sie, dass die Plattform wackelt oder ihre Handschaufeln kulturelle Relikte berühren und somit beschädigen. „Das ist die normale Arbeitspraxis. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Belastung“, sagt Xu und lächelt. 


Cai Ning (Zweiter vorne von rechts), der 1994 geborene Leiter des Aushubteams der Grube 8, posiert mit seinem Team. Grube 8 ist die größte unter den sechs neu entdeckten Opfergruben an der Ruine und verfügt daher über die meisten Ausgrabungsgegenstände. (Foto: Yu Jia) 


Cai Ning, geboren 1994, leitet die Ausgrabungsarbeiten in Grube 8, seit er seine Forschung als Postdoktorand am Fachbereich für Archäologie und Museologie der Peking-Universität im März 2021 abgeschlossen hat. Tagsüber war er an den Ausgrabungen beteiligt, die Nächte verbrachte er zumeist damit, die dicken Grabungsberichte der Opfergruben 1 und 2 sowie verschiedene verwandte Papiere zu studieren, die ihn sehr inspirierten. 

 

Xu Feihong, geboren 1990, beaufsichtigte den Aushub von Grube 3. Als junger Dozent am Fachbereich für freie Künste der Universität Shanghai leitete er ein Team mit einem Durchschnittsalter von gerade einmal 25 Jahren, das 2021 über zehn Monate in Folge auf der Baustelle arbeitete. Mehr als 1000 kulturelle Relikte verschiedener Art wurden aus der Grube gehoben, darunter mehr als 120 Elfenbeinstücke und unzählige kleine Objekte wie Muscheln. Damit übertraf Grube 3 alle anderen Opfergruben in Bezug auf den Reichtum an ausgegrabenen Artefakten. „Die moderne Archäologie umfasst heute weit mehr als nur Ausgrabungsarbeiten“, betont Xu. „Sie erfordert kritisches Denken und lebenslanges Lernen, um sich das nötige geistige Rüstzeug zuzulegen. Die nötigen Kenntnisse reichen weit über den Rahmen der traditionellen freien Künste hinaus“, sagt er. 

 

Um eine Kontaminierung der Artefakte zu verhindern, mussten alle, die die Gruben betraten, spezielle Ganzkörper-Schutzanzüge tragen. Viele der jungen Archäologen verzierten ihre Anzüge mit kleinen Zeichnungen wie Zeichentrickfiguren aus One Piece, einer japanischen Manga-Serie, sowie personalisierten Slogans wie „Die chinesische Mauer wird niemals fallen“ oder „Facing the Gold“. Ihr Enthusiasmus trägt dazu bei, den dynamischen und kreativen Geist junger chinesischer Archäologen auch über Fachkreise hinaus bekannt zu machen, und das nicht nur in China. 

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Quelle: China Heute

Schlagworte: Sanxingdui,Ruinenstätte,Sichuan