Chinas Gesetzgeber haben in der letzten Woche einen weitreichenden
Plan zur Reorganisation der Regierung vorgestellt. Nach dem Plan
soll unter anderem eine neue Aufsichtsbehörde geschaffen werden,
auf die die Aufsichtsfunktionen der Zentralbank für den
Bankensektor übertragen werden. Der Vorstoß beendete monatelange
Spekulationen über die mögliche Gründung einer Bankenaufsicht, der
Kommission für Kontrolle und Verwaltung des Bankwesens (CBRC).
Experten legen große Hoffnungen auf die neugeschaffene Kommission,
von der sie eine straffere Überwachung der heimischen Banken
erhoffen, die unter anderem von einer großen Anzahl
nichtwiedereinbringbarer Kredite („bad loans“) belastet werden.
Außerdem erhoffen sie sich eine Beschleunigung der Reformen,
geringere Finanzrisiken, eine effizientere Währungspolitik zur
Stabilisierung der chinesischen Währung und Förderung des
Wirtschaftswachstums.
Die Reform wurde als wichtiger Schritt zur Erfüllung dieser Ziele
angekündigt. Nach Stellungnahmen von Banken und Ökonomen, sei es
aber von viel entscheidenderer Bedeutung wie man den Plan inmitten
einer laufenden Umstrukturierung umsetze und wie andere ähnliche
Reformen sich entwickeln würden.
Trennung von Währungspolitik und Bankenaufsicht
Der größte Nutzen der Reform ist, dass sie eine klare Linie
zwischen Währungspolitik und Bankenaufsicht zieht. Das
„Durcheinander“, das es seit langem zwischen den beiden Funktionen
gab, habe die Effizienz beider stark beeinträchtigt, sagen
Ökonomen.
Einerseits sollte Währungspolitik mehr auf marktorientierten
Instrumenten beruhen, wie z.B. Operationen am freien Markt anstelle
von strafferer oder lockererer Bankenaufsicht, meint Wei Jianing,
führender Ökonom des Zentrums für Entwicklungsforschung (DRC) des
Staatsrats.
Die exzessive Ausweitung der Geldmenge und der Kreditvergabe 1992
und während der ersten Hälfte 1993, in Folge der damaligen
schwachen Bankenaufsicht, führte zu fieberhaften Versuchen, die
Wirtschaft wieder in den Griff zu bekommen, die in einem
Finanzchaos resultierten.
Als die Regierung Ende 1993 Maßnahmen ergriff, um das Durcheinander
wieder in Ordnung zu bringen, war eine der angewandten Taktiken,
die Geldmenge durch straffere Bankenaufsicht wieder anzupassen.
Andererseits sollte man, wenn es Probleme im Banksektor gibt, die
entstandenen „Löcher“ nicht mit Geld stopfen, so Wei, der einer der
ersten Advokaten der Trennung von Bankenaufsicht und
Währungspolitik war. Ein großer Teil der nichtwiedereinbringbaren
Kredite der chinesischen kommerziellen Banken und ländlichen
Kredit-Kooperativen, so Wei, sei schlicht durch eine Ausweitung des
Relending der Zentralbank abgeschrieben worden.
Zur Kenntnis nehmend, dass die Trennung der Funktionen die
Effizienz der Bankenaufsicht und der Währungspolitik erhöhen
könnte, ist Wang Songqi, Leiter einer Forschungsgruppe der
Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS), dennoch
besorgt über die möglichen Kosten, die eine solche Trennung mit
sich bringen würde.
Er
glaubt, dass die Kosten zu hoch seien. Nur die Einrichtung der
Zweigstellen, der sich auf ministerialer Ebene befindenden CBRC, in
den rund 320 Städten, in denen die Zentralbank eine Zweigstelle
besitzt, könnte leicht mehrere zehn Milliarden Yuan an Aufwendungen
für Unterkunft, Personal und Ausrüstung kosten, schätzt Wang.
Außerdem mache eine solche Trennung die Koordination zwischen der
Zentralbank und der CBRC, die zur Zeit intra-ministeriell laufe,
viel komplizierter, wenn es z.B. zu der Insolvenz einer Bank
komme.
Wirtschaftswissenschaftler sagen, es gäbe zur Zeit keinen globalen
Trend, ob die Bankenaufsicht von der Währungspolitik unabhängig
seien sollte oder nicht. Gegenwärtig werden bei rund einem
Dreiviertel der Mitglieder der Organisation für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Währungspolitik und
Bankenaufsicht von derselben Organisation gehandhabt.
Bankenaufsicht
Wir vermuten, dass die CBRC ihrer Aufgabe der Prävention und
Liquidierung von Bankrisiken durch eine Verstärkung der
Bankenaufsicht, eine Auffrischung der Fachkenntnisse über
Bankenaufsicht und durch Aufbau eines Stamms an hochqualifiziertem
Aufsichtspersonal, gerecht werden wird, so DRC`s Wei.
Es
wird angenommen, dass die neue Kommission aus der gegenwärtigen
Abteilung für Bankenaufsicht der Chinesischen Volksbank (PBOC)
heraus gebildet wird. Bis jetzt ist aber noch unklar, inwiefern
sich ihre Aufsichtsmethode von der bestehenden unterscheiden
wird.
Regierungsbeamte und Analysten sind der Überzeugung, dass die
bisherigen Anstrengungen der Zentralbank zur Beaufsichtigung der
Banken effektiv gewesen seien. Die Rate der
nichtwiedereinbringbaren Kredite der chinesischen
Finanzorganisationen fiel letztes Jahr auf 19,8 Prozent. Der
Höchststand von vor fünf Jahren betrug 26 Prozent, sagt Qiu
Xiaohua, stellvertretender Direktor des Nationalen Statistikamts.
Das heiße, dass die allgemeine Bankenaufsicht effektiv gewesen sei.
Sie habe nicht nur ein schnelles Wirtschaftswachstum gefördert,
sondern auch effektiv Finanzrisiken beseitigt und ihnen vorgebeugt,
so Qiu.
Aber es gäbe auch eine Reihe von Schwächen, behaupten manche
Wirtschaftswissenschaftler. Es gäbe im Bereich der
Aufsichtstätigkeiten einen hohen „persönlichen Verhaltensfaktor“
und die angewandten Aufsichtsmethoden und Ansätze lägen hinter den
Notwendigkeiten zurück, sagt ein leitender Angestellter der
Chinesischen Landdwirtschaftsbank. Die CBRC sollte ihr Personal
genauer prüfen, ein höheres Risikobewußtsein entwickeln und sich
mehr auf die Beseitigung von Irregularitäten konzentrieren.
Gründe für die Schwierigkeiten bei der Aufsicht seien unter
anderem, dass es den vier staatseigenen Geschäftsbanken an einer
klaren Orientierung fehle. Sollen sie profitorientiert arbeiten,
Motoren für das Wirtschaftswachstum sein oder Instrumente der
Regierung, fragt er.
Andy Xie, Exekutivdirektor von Morgan Stanley Asien, sagt,
mangelhafte Offenlegung von Informationen über Unregelmäßigkeiten
bei chinesischen Banken erschwere die Bewertung der Effizienz der
Bankenaufsicht.
Eine Frage, die unbeantwortet geblieben ist, so Analysten, sei, wer
die zunehmend entstehenden Holdings im Finanzbereich, die
verschiedene Tochtergesellschaften halten, um so die rechtlichen
Barrieren zwischen dem Bank-, Versicherungs- und Wertpapierbereich
umgehen zu können, beaufsichtigen soll. Die CBRC beaufsichtigt die
Geschäftsbanken, Anlagenverwaltungsgesellschaften,
Treuhandgesellschaften und andere Geldinstitute. Laut Wang wurde so
ein „Aufsichtsvakuum“ geschaffen.
Währungspolitik
Es
ist noch unklar, wie die schlankere PBOC in Zukunft an ihre
währungspolitischen Aufgaben herangehen wird. Aber
Wirtschaftswissenschaftlern zufolge zeitigt die Trennung der
Funktionen bereits ihre ersten Auswirkungen.
Inflationsangst hielt die Zentralbank davon ab, die Geldmenge zu
erhöhen, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. Im vergangenen Jahr
hob sie ihre Höchstgrenze für die jährliche Wachstumsrate der
Geldmenge zweimal an, z.T. auf Grund der starken Zunahme der
Kredite. Dieses Jahr hat sich die PBOC mit 16 Prozent eine
Höchstgrenze gesetzt, die dem realen Wachstum der Geldmenge 2002
entspricht.
Die Zentralbank zeige bereits Zeichen einer Veränderungen ihrer
Haltung gegenüber Lockerungen bezüglich der Geldmenge, glaubt Yuan
Gangmin, ein leitender CASS Ökonom. Risikoprävention sollte kein
Ziel von Währungspolitik sein. Würde Währungspolitik diese
Verantwortung übernehmen, wäre eine unzureichendes Geldangebot die
Folge und das Problem würde ungelöst bleiben, so Yuan.
Chinas Verbraucherpreisindex befand sich fast das ganze letzte Jahr
über auf einer Abwärtsspirale. Dieser Abwärtstrend führte zu
Deflationsbefürchtungen. Dennoch erkennen die meisten Ökonomen die
Effektivität der Währungspolitik der letzten Jahre an.
Die PBOC sah sich in den letzten Jahren einer ganzen Reihe
komplizierter Umstände gegenüber, aber der Zustand des
Finanzsystems habe sich Jahr für Jahr verbessert, sagt ein
leitender Angestellter der PBOC. Die Währungspolitik sei also
effektiv gewesen.
Die Gründung der CBRC habe theoretisch die Zentralbank von der
Teilnahme an der Bankenaufsicht befreit, aber Analysten fordern,
dass die Reform auch als Möglichkeit genutzt wird, der Zentralbank
eine größere Unabhängigkeit zu verschaffen, um sie von politischer
Einflußnahme zu isolieren. Die PBOC steht unter der Administration
des Staatsrats.
Seit einigen Jahren sei es ein globaler Trend, die Unabhängigkeit
der Zentralbank zu verstärken, so Wei. Relativ konservative Länder,
wie Großbritannien, Japan und Südkorea haben alle, nach
Finanzkrisen oder anderen währungspolitischen Problemen
entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Eine Verstärkung der Unabhängigkeit der Zentralbank würde China
helfen, externem Druck zu einer Aufwertung des Renminbi zu
widerstehen, sagt Wei. Als Beispiel führt er Japan an, dass in den
1980er Jahren von anderen Ländern genötigt wurde, den Wechselkurs
des Yen stark anzuheben. Dies habe sich negativ auf die Exporte
niedergeschlagen und wirtschatliche „Blasen“ produziert.
Einige westliche Wirtschaftswissenschaftler und die japanische
Regierung übten Druck auf die chinesische Regierung aus, den
Wechselkurs des Renminbi anzuheben. Sie betrachten ihn als
unterbewertet und meinen, dass er anderen Volkswirtschaften
schädige.
Wenn die PBOC direkt dem NVK verantwortlich wäre und wenn das
Komitee für Währungspolitik von einem Beratungsorgan zu einem
Entscheidungsorgan aufgewertet würde und durch Abstimmung
Entscheidungen fällen könnte, würde dies helfen, externen
politischen Druck auf den Wechselkurs des Renminbi zu mildern,
meint Wei.
Der Berater der PBOC hält es allerdings für unwahrscheinlich, dass
das Komitee für Währungspolitik der Zentralbank schon bald
Entscheidungsträger werden wird, da zuerst das Zentralbankgesetz
geändert werden muss, um die PBOC von der Verantwortlichkeit für
die Bankenaufsicht zu entbinden. Gegenwärtig formuliert die
Zentralbank ihre währungspolitischen Initiativen auf der Basis der
Empfehlungen des Komitees für Währungspolitik, erklären Analysten.
Die endgültige Entscheidung wird vom Staatsrat getroffen.
(www.china.org.cn/25. März 2003)
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