Chefbanker Yi Gang über den Wechselkurs des RMB und Chinas Devisenreserven

10.03.2016

Von Hu Yue

Am Nachmittag des 6. März 2016 fand am Rande der Jahrestagungen des Nationalen Volkskongresses (NVK) und der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV) eine Pressekonferenz in der Großen Halle des Volkes statt. Dabei standen fünf PKKCV-Mitglieder den anwesenden Journalisten Rede und Antwort und sprachen über die Wirtschaftsentwicklung und die strukturelle Reform der Angebotsseite. Im Rahmen der Veranstaltung äußerte sich Yi Gang, Vizeleiter der Führungsgruppe für Wirtschaft und Finanzwesen beim Zentralkomitee der KP Chinas und gleichzeitig Vizepräsident der chinesischen Zentralbank, eingehend zu den Themen RMB-Wechselkurs und Devisenreserven.

Wird der RMB weiter abgewertet?

Unmittelbar nach Beginn der Reform des RMB-Wechselkurses am 11. August 2015 wurde Chinas Währung innerhalb nur eines Monats um nahezu fünf Prozent abgewertet, was den größten Kurssturz innerhalb eines Monats seit 20 Jahren bedeutete. Die chinesische Bevölkerung bekam dies nicht nur bei Auslandsreisen, sondern auch im Alltag deutlich zu spüren. Auch Chinas internationaler Handel wurde beeinträchtigt.

Eine weitere Abwertung des RMB sei für die nähere Zukunft aber nicht abzusehen, erklärte Yi Gang auf der Pressekonferenz. „Der RMB-Wechselkurs wird seine grundsätzliche Stabilität beibehalten, denn diese Stabilität ist an ein Paket von anderen Hauptwährungen geknüpft. Auf diese Weise wird der RMB-Wechselkurs auf einem ausgeglichenen Niveau gehalten“, so der Chefbanker. Schließlich gebe es keinen triftigen Grund für eine weitere Abwertung, so Yi weiter.

Nehme man die Lage der chinesischen Wirtschaft genauer unter die Lupe, zeige sich zum einen, dass diese, was ihre Entwicklungstendenz angehe, noch immer ein relativ hohes Wachstum beibehalten werde. „Die Arbeitsproduktivität der Erwerbstätigen und die Totale Faktorproduktivität erhöhen sich schließlich sicheren Schrittes“, so Yi. Zum anderen erziele China im regulären Außenhandel, insbesondere im Warenhandel, eine deutlich positive Bilanz, so der Wirtschaftsfachmann. „Chinas Direktinvestitionen im Ausland und die auswärtigen Investitionen in China erhöhen sich ebenfalls sicheren Schrittes“, sagte Yi. Darüber hinaus verfüge China noch immer über ausreichende Devisenreserven. „Langfristig wird der RMB also alle Erwartungen an ihn als stabile Währung erfüllen.“

Vervollständigung der Mechanismen zur Regulierung der Zinssätze und zur Transmission der Geldpolitik

„Bei den marktorientierten Zinssätzen ist derzeit vor allem die Effektivität der Zinssatzsteuerung durch die Zentralbank entscheidend. Außerdem setzen wir alles daran, die Transmissionsmechanismen der Geldpolitik zu verbessern. Einige Systeme und Mechanismen bedürfen hierfür weiterer Reformen“, sagte Yi Gang.

Dafür müsse allerdings die Arbeit in folgenden drei Bereichen energisch angepackt werden: Erstens gelte es, das Zinssatzsystem der Politik der Zentralbank zu vervollständigen und zu vervollkommnen, um so die Steuerung der marktorientierten Zinssätze zu intensivieren. Zurzeit setze die Zentralbank vor allem auf Offenmarktgeschäfte und Erleichterungen bei der Aufnahme von Spareinlagen sowie der Vergabe von Krediten, um die kurzfristigen marktorientierten Zinssätze zu steuern. Außerdem gelte es, die Errichtung eines so genannten „Zinskorridors“ (interest rate corridor) zu erforschen. „Vereinfacht gesprochen geht es bei diesem Zinskorridor darum, dass die Zentralbank Geschäftsbanken Erleichterungen bei der Aufnahme von Spareinlagen und der Vergabe von Krediten gewährt. Die Zentralbank legt die Bandbreite der Zinsdifferenz zwischen Spareinlagen und Krediten fest und steuert dadurch die Zinssätze.“ Nach Yis Auffassung sei es in China bis heute deshalb noch nicht gelungen, einen echten Zinskorridor zu errichten, weil der gegenwärtige Mechanismus sowohl das Geldmengenziel (quantity target of money ) als auch das Geldpreisziel (price target of money) berücksichtige. Die Zinssätze allerdings gehörten zu letzterem. „Meiner Meinung nach befindet sich der Zinskorridor bei uns noch in der Anfangsphase“, sagte Yi Gang. Im Zuge der Entwicklung des Marktes in den letzten Jahren spielten die Zinssätze als wichtiges Steuerungsinstrument allerdings eine immer wichtigere Rolle. Durch Offenmarktgeschäfte habe die Zentralbank die Zinssätze und gleichzeitig auch die Erwartungen stabilisiert. „Die deutlichen Wirkungen dieser Maßnahmen wurden von den Marktteilnehmern bereits zur Kenntnis genommen“, so Yi.

Zweitens gelte es, schrittweise wirksame Transmissionsmechanismen für die Steuerung der kurzfristigen Zinssätze hin zu mittel- und langfristigen Zinssätzen aufzubauen. „Dafür sind der Aufbau des Marktes und eine Kompetenz der Finanzinstitutionen zur Festlegung von Preisen notwendig“, sagte Yi. Gleichzeitig verfüge die Zentralbank auch über geldpolitische Instrumente wie die Zinssätze der Wiederkreditvergabe (Re-lending), also Zinssätze der von der Zentralbank an Geschäftsbanken vergebenen Kredite sowie Fazilitäten der mittelfristigen Kredite. Unter Zuhilfenahme dieser Instrumente könne die Herausbildung der Zinssätze von mittel- und langfristigen Krediten gut gesteuert werden. Die Zinssätze der mittel- und langfristigen Kredite spiegelten die Gesamtlage der Wirtschaft und die Ziele der heimischen Geldpolitik wider. „Durch diese Zinssätze kann die Realwirtschaft ebenfalls noch besser unterstützt werden“, sagte Yi.

Drittens gelte es, die Mechanismen zur Zinsfestlegung unter Berücksichtigung des Zinssatzrisikos (interest rate risk) zu vervollkommnen. Die Renditenkurve der staatlichen Obligationen zeige die risikofreie Rendite, erklärte Yi. „Die Schuldscheine oberhalb dieser Kurve sind mit Risiken verbunden. Es gilt nun, die Zinsfestlegung dieser Schuldscheine gut zu gestalten. Erst daraus kann ein chinesisches System der Renditenkurven herausgebildet werden. Und dieses System wird dann auch die Risikoprämien (risk premium) widerspiegeln“, sagte er.

„Nicht zuletzt gilt es, darauf hinzuweisen, dass die marktorientierte Gestaltung der Zinssätze in China in eine neue Phase eingetreten ist. Unsere Aufgabe ist es nun, die marktorientierte Preisgestaltung durch makroökonomische und besonnene Evaluationsmechanismen anzuspornen, gleichzeitig aber auch einzuschränken. Im Prozess der Transformation muss China besonders großen Wert auf Mechanismen zur Koordination der Steuerung von Geldmengenziel und Geldpreisziel legen“, betonte der Chefbanker.

Devisenreserven teilweise in den Besitz der Bevölkerung übergegangen

Im vorigen Jahr sorgte der Rückgang der chinesischen Devisenreserven weltweit für Aufmerksamkeit. Sie waren von 3,99 Billionen US-Dollar im Jahr 2014 auf 3,3 Billionen US-Dollar im Jahr 2015 gesunken. Viele Medien, insbesondere ausländische, behaupteten daraufhin, die chinesische Zentralbank habe die Devisenreserven zur Stabilisierung des RMB-Wechselkurses eingesetzt.

Dazu erklärte Yi Gang: „China verfügt noch immer mit Abstand über die weltweit größten Devisenreserven. Japan, das Land mit den zweitgrößten Devisenreserven weltweit, verfügt gerade einmal über Reserven von etwas mehr als einer Billion US-Dollar.“ China dagegen habe in den letzten Jahren fast die Marke von vier Billionen US-Dollar geknackt. Dann seien Chinas Reserven 2015 auf 3,3 Billionen US-Dollar gesunken. „Nimmt man die Gesamtentwicklung unter die Lupe, erkennt man schnell, dass die chinesischen Devisenreserven noch im Jahr 2002 bei nicht einmal 300 Milliarden US-Dollar gelegen haben. Der Höchstwert wurde im Juni 2014 erreicht. Da lagen sie bei 3,99 Billionen US-Dollar. Das Wachstum in diesen zwölf Jahren war rasant. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass außerplanmäßiges Kapital einen nicht zu ignorierenden Anteil an den chinesischen Devisenreserven hatte. Es ist von daher keineswegs ungewöhnlich, dass dieses Kapital heute wieder aus China abfließt. Die sinkende Tendenz der Devisenreserven, die wir heute sehen, war also durchaus zu erwarten“, erklärte der Chef-Ökonom.

Nach Yis Auffassung sind die chinesischen Devisenreserven mittlerweile zum Teil in den Besitz der Bevölkerung übergegangen. „Das heißt konkret, dass die offiziellen Devisenreserven, über die die chinesische Zentralbank verfügt, mittlerweile durch den Devisenmarkt in die Hände der Privatwirtschaft gelangt sind. In den vergangenen zwei Jahren haben chinesische Unternehmen und Privathaushalte ihr Vermögen in US-Dollar zur Optimierung erweitert. Im vorigen Jahr haben sie ihre Devisen-Spareinlagen auf chinesischen Banken um Dutzende Milliarden US-Dollar erhöht. Die Geschäftsbanken und andere Finanzinstitute haben, um den Bedarf des Marktes zu decken, ebenfalls ihre Umlaufmittel in Devisen erweitert. Diese Umlaufmittel beliefen sich im vorigen Jahr auf 100 Milliarden US-Dollar. Zeitgleich haben auch verschiedene Unternehmen ihre Schulden in US-Dollar getilgt. Die Summe dieser beglichenen Schulden belief sich ebenfalls auf 100 Milliarden US-Dollar. All diese Devisen mussten über den Markt erworben werden und dementsprechend hat sich der chinesische Bestand an offiziellen Devisenreserven verringert“, so die Erklärung des Chefbankers.

Allein im Jahr 2015 seien grenzüberschreitende Devisenzahlungen in Höhe von 240 Milliarden US-Dollar durch chinesische Unternehmen und Einwohner getätigt worden. Für Tourismus und Konsum im Ausland sowie Auslandsstudien benötigten Chinas Einwohner Devisen.

„Der Rückgang der chinesischen Devisenreserven ist sicherlich zum Teil auch auf die Aufwertung des US-Dollars zurückzuführen“, betonte der Chef-Ökonom. Dieser sei im vorigen Jahr um neun Prozent an Wert gestiegen und nach der Aufwertung hätten sich die Vermögenswerte, die nicht in US-Dollar berechnet worden seien, verringert. „Das lag an der Änderung des Wechselkurses und der Preise der Vermögen,“ so Yi.

Insgesamt gesehen sei die Schrumpfung der Devisenreserven also dadurch zu erklären, dass ein erheblicher Teil davon in den Besitz der Bevölkerung gelangt sei. „China wird seine Devisenreserven auf einem angemessenen Niveau beibehalten“, sagte Yi. Wenn die Justierung der Vermögensstruktur von Unternehmen und Einwohnern ihre Grenze erreicht hat, werde wieder Normalität einkehren.

Zum Abschluss bekräftigte der Vizepräsident der chinesischen Zentralbank: „Die chinesischen Devisenreserven werden nach den Prinzipien der Liquidität, Sicherheit und Rentabilität verwaltet. Sie setzen sich aus US-Dollar, Euro, Yen, Pfund und Vermögenswerten in verschiedenen Entwicklungsländern zusammen. Sie verkörpern also ein optimiertes Verhältnis und eine optimierte Verteilung.“

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Quelle: China Heute

Schlagworte: Reform, RMB