Kooperation in Krisenzeiten
EU und China: Verständnis und Respekt sind die Grundlage für Erfolg Exklusiv
Was den 14. Fünfjahresplan Chinas betrifft, sieht er die Errichtung eines Wirtschaftsmodells der „Dualen Zirkulation“ vor. Für Wirtschaftskreise ist das ein interessantes Schlagwort. Dabei sollen vor allem die Binnen- und externe Nachfrage, Import und Export, Auslandsinvestitionen in China und chinesische Investitionen im Ausland koordiniert gefördert werden. Außerdem sollen Gesetze und Vorschriften für Importe und Exporte, Regulierungssysteme, Betriebsqualifikationen, Qualitätsstandards bzw. Zertifizierungen weiterhin aneinander angepasst werden. Wie stehen Sie zu diesen Zielen Chinas? Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich der neuen Planung gegenüber den bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen in den kommenden fünf Jahren?
Der neue Fünfjahresplan setzt, wie gesagt, ehrgeizige Ziele und er schafft übrigens auch für die internationalen Partner Chinas Transparenz und Berechenbarkeit. China hat dank der Politik von Öffnung und Reform seit Deng Xiaoping seine Rolle in der Welt wieder so ausgestaltet, wie das in 18 der letzten 20 Jahrhunderte der Fall war: eine wirtschaftlich und kulturell führende Nation auf der Erde. Das ist ein Prozess, eine Entwicklung, die es zuvor in der wirtschaftlichen Geschichte nie gegeben hatte. Das ist eine gewaltige Leistung und deshalb rate ich in Deutschland und Europa auch immer dazu, die langfristigen Entwicklungen, die grundlegenden Interessen genauer zu analysieren und von diesen auszugehen; man darf sich nicht irritieren lassen von kurzfristigen Ereignissen. Deshalb ist manche Wahrnehmung Chinas auch etwas kurzsichtig oder kurzatmig. Nehmen wir die „duale Zirkulation“ als Beispiel: manche in Europa oder in den USA haben diesen Begriff beschrieben als Abwendung Chinas von der globalen Zusammenarbeit. Das ist kurzsichtig und grundlegend falsch; denn China braucht natürlich diese globale Zusammenarbeit ebenso wie die anderen Länder China als stabilen und berechenbaren Partner brauchen. Dass man in China nach dieser rasanten Entwicklung nun stärker die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens, die Qualität des Lebens sowie der Produkte und Dienstleistungen und mehr die inneren Kräfte betont und fördert, zum Beispiel die Binnenkonjunktur, entspricht dem Entwicklungsstand Chinas, den Bedürfnissen seiner Bevölkerung und übrigens auch den Interessen anderer Länder – die Herausforderungen der Menschheit – der globale Klimawandel, die Gefahren für Umwelt und Natur, aber auch Bedrohungen wie Atomwaffen oder Terror – erfordern eine gemeinsame Antwort und internationale Zusammenarbeit ebenso wie eine stabile und auf Verträgen gegründete internationale Ordnung. Für all das ist China unverzichtbar.
Der Natur- und Umweltschutz wird auch in den „Vorschlägen“ zum 14. Fünfjahresplan unterstrichen. Dazu gehören Ziele wie die Umstrukturierung der Wirtschaft in ein grünes und kohlenstoffarmes Modell, eine Erhöhung der Nutzungseffizienz, Reduzierung der Schadstoffemissionen und Verbesserung des Ökosystems. Wie bewerten Sie die Ziele und die Bemühungen Chinas beim Umweltschutz in den vergangenen Jahren? Welches Kooperationspotenzial gibt es Ihrer Meinung nach zwischen Deutschland und China?
Das Potenzial der Zusammenarbeit auf diesen Gebieten ist gewaltig, der Bedarf allerdings auch. Die Ziele, die China sich setzt, kann ich nur unterstützen – umso mehr wird es ankommen auf eine rasche und effiziente Implementierung, also auch Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern und den Unternehmen, aber auch Städten oder Provinzen. Wir bei RSBK arbeiten schon seit Jahren auf diesen Gebieten und wir sehen, wie die Aufgeschlossenheit für diese Themen gewachsen ist. Wir dürfen aber nicht selbstzufrieden werden – es ist noch unglaublich viel zu tun. China baut die erneuerbaren Energien aus; die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Technologien rund um den Wasserstoff, die Mobilität und die „New Energy Vehicles“, das Thema der „Smart City“ und der „No Waste City“ – das ist seit Jahren schon ein Thema in der Arbeit von RSBK, zum Beispiel bei unseren jährlichen deutsch-chinesischen Wirtschaftskonferenzen unter dem Motto der „Belt & Road“-Initiative.
2009 haben Sie in Ihrer Ansprache auf dem CCIEE Globalen Gipfel für Denkfabriken vorausgesagt, dass eine tiefergehende Globalisierung, begleitet von einer stärkeren Regionalisierung, zu erwarten ist. Jetzt sind schon elf Jahre vergangen und auch die internationale Lage hat sich verändert. Wie bewerten Sie die aktuellen Trends in der Welt?
Jede Krise bedeutet Gefahr und Chance – das drücken ja die chinesischen Schriftzeichen sehr genau aus. Tatsächlich stehen wir beidem gegenüber: für die gefährlichen Krisen steht aktuell die Corona-Pandemie als dringendste Herausforderung vor uns; diese Pandemie ist ja eine fundamentale Herausforderung für die Gesundheit und für die Unternehmen, aber eben auch für die Bildung, für den sozialen Zusammenhalt, für den internationalen Austausch, und auch für den Respekt, die Rücksichtnahme und die gegenseitige Hilfe – diese Pandemie bringt wunderbare Beispiele des menschlichen Miteinanders hervor, aber leider auch abscheuliche Erscheinungen von Ignoranz und Feindseligkeit.
Und ja, die Entwicklung der letzten Jahre zeigt beides: wachsende Globalisierung und tiefergehende regionale Zusammenarbeit, wie RCEP oder das europäisch-chinesische Investitionsabkommen zeigen, dass beides zusammengehört. Ich hoffe auch sehr, dass mit dem neuen amerikanischen Präsidenten diese Weltmacht wieder für berechenbare und stabile Führung steht, die den Ausgleich von Interessen sucht, stabile weltweite Verträge und Institutionen schätzt sowie Zusammenarbeit anstrebt, um die Herausforderungen zu meistern, denen sich die gesamte Menschheit gegenübersieht. Wir haben ja leider in den letzten Jahren wachsende populistische Strömungen und ihre sehr gefährlichen Auswirkungen in manchen Ländern gesehen. Umso wichtiger ist, dass mit Zusammenarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und gegenseitigen Respekts auch Erfolge erreicht werden, die den Menschen zugutekommen und einleuchten. Wir haben auch unterschiedliche politische Systeme, unterschiedliche kulturelle Wurzeln, unterschiedliche Haltungen und manche Differenzen, darüber sprechen wir offen; das ist gut und auch entscheidend für einen wirklichen Dialog, der Fortschritt für alle Völker und Nationen erreichen will. Das macht die deutsch-chinesische und die europäisch-chinesische Zusammenarbeit wertvoll und unverzichtbar für beide Seiten.