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german.china.org.cn Datum: 02. 11. 2007 |
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Das Tafelmusik Barockorchester spielt auf echten Barockinstrumenten und versucht, sich in den Komponisten hineinzuversetzen und der Musik treu zu bleiben. Es zaubert warme, klare Klänge mit tänzerischem Charakter.
Die Bühne in Shanghai hat stets Aufführungen von Weltklasseorchestern und -künstlern zu bieten. Jedoch waren Barockmusikkonzerte, insbesondere solche, bei denen auf Barockinstrumenten gespielt wird, dort bisher eine Seltenheit.
Jedenfalls bevor das Tafelmusik Barockorchester am Samstagabend ein außergewöhnliches Konzert im Shanghaier Zentrum für Orientalische Kunst gab.
Von der britischen Zeitschrift für klassische Musik Gramophon magazine als eines der weltbesten Barockorchester deklariert, wartete das aus Toronto stammende Orchester mit einem zwischen West und Ost eine Brücke schlagenden Programm mit einer großen Bandbreite barocker Musikinstrumente auf. Einige von ihnen, wie die Erzlaute oder die indische Sarangi, sind vorher noch nie bei einer Aufführung in Shanghai gespielt worden.
Das Wort Tafelmusik rührt von der auf Festmählern und anderen Ereignissen im Hintergrund gespielten Musik im 16. und 17. Jahrhundert.
Am Samstagabend traten 14 Tafelmusiker zusammen mit einer Sarangispielerin, einer Pipaspielerin und zwei eingeborenen Inuit-Sängern auf.
Während der Darbietung der berühmten Violinkonzerte "Die Vier Jahrezeiten" von Vivaldi aus dem Jahr 1723 bezauberten die warmen Klänge der mit authentischen Saiten aus Schafsdarm bespannten Streichinstrumente das Publikum.
Ein leichterer Bogen, der zu einer dünnen Spitze ausläuft, lässt ein bewegliches Spielen zu und gibt zusammen mit feineren Bogentechniken der Musik einen tänzerischen Charakter, erklärt Jeanne Lamon, die Chefdirigentin des Tafelmusik Orchesters.
Auf ihrer geliebten in Venedig gefertigten Geige aus dem 18. Jahrhundert spielt sie Passagen vor – geradezu wie unter Vivladis höchstpersönlicher Leitung.
Lange Noten auf Soloinstrumenten wurden häufig mit Raffinesse und Eleganz verziert und selten mit Vibrato gespielt, so wie es heute meist der Fall ist. Die Vibratotechnik, mit der ein zitternder, pulsiver Effekt erzeugt wird, war zu Vivaldis Zeiten quasi nicht existent.
Die Erzlaute, die im Vordergrund spielte, erzeugte wunderschöne Akkorde und Arpeggios zusammen mit dem vom Shanghaier Zentrum für Orientalische Kunst gestellten Cembalo, das zur Harmonisierung des Bereiches zwischen der Basslinie und den höheren Stimmen diente. Diese zusätzlichen Noten, die in einer Druckausgabe niemals in der Partitur erscheinen, sind ein wahrer Genuss sowohl für die Musiker wie auch für die Zuhörer der Barockmusik.
Als das Orchester seine Barock-Aufführungen begann, war es eines von sehr wenigen Ensembles der Welt. Seit den 1990er Jahren erlebten jüngere Barockkünstler-Ensembles jedoch eine Blütezeit. Einige unter ihnen haben die Charakteristika von Barockinstrumenten ins Extreme gebracht und eindrucksvolle Effekte erzielt. "Das ist geradezu eine Taktik zur Erlangung von Aufmerksamkeit", meint Lamon.
Doch hat das Tafelmusik Orchester seine führende Position in der Barockszene mit seiner konsistenten Eleganz und Raffinesse im Spiel über all die Jahre hinweg beibehalten.
Der Erfolg des Tafelmusik Orchesters liegt eng bei seiner beharrlichen Suche nach neuem Repertoir und neuem Publikum. "Ich habe immer gespürt, dass ich, wenn wir einfach immer weiter unsere Musik auf die aufrichtigste Art und Weise spielen, das Interesse verliere. Wenn die Musik nicht gut genug ist, um zuallerst einmal die Musiker selbst zu faszinieren, und um das Interesse des Publikums aufrechtzuerhalten, habe ich kein Interesse am Spielen und denke auch nicht, dass das Publikum Geld bezahlen sollte, um die Musik zu hören", so Lamon.
Diese Perspektive wird durch den Einbezug zeitgenössischer chinesischer und indischer Instrumente sowie inuitischer Sänger im Samstagsprogramm “Mosaik der Vier Jahreszeiten: Der Kreislauf der Sonne” deutlich, das im Jahr 2004 uraufgeführt wurde.
"Zu Vivaldis Zeiten war die Musik auch im Rest der Welt, in Nordamerika und Asien, erfolgreich. Doch wegen des Mangels an Kommunikation lebten die Leute in ihrer eigenen Welt und wussten nicht, was sich woanders abspielt", sagt Alison Mackay, Doppelbass-Spielerin im Tafelmusik Orchester und Initiatorin des Programmes. "Daher möchten wir einen musikalischen Raum schaffen, in dem Musiker aus unterschiedlichen Nationen gemeinsam musizieren können und die Kultur und Tradition der anderen respektieren."
Ein interessantes Beispiel dieses gegenseitigen Respekts war ein Duett des Flötisten Lucas Harris und der in Beijing geborenen Pipa-Spielerin Wen Zhao. Obwohl die beiden Instrumente in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden, stammen sie ursprünglich von derselben arabischen Laute, der Oud.
Diese Tatsache inspirierte Wen dazu, das bekannte chinesische Pipa-Stück "Chun Jiang Hua Yue Ye" (Blumen im Mondlicht einer Frühlingsnacht auf dem Fluss) für zwei Instrumente umzuschreiben. Leider wurde es nur während der offenen Probe vor dem Konzert aufgeführt.
Die indische Sarangi-Spielerin Aruna Narayan beeindruckte das Publikum mit dem legendären 40-Saiten-Instrument und der Tatsache, dass ihr Vater, der Sarangi-Virtuose Ram Narayan, ein häufiger Besucher Chinas war. Er spielte mehrere Male für den früheren Premierminister Zhou Enlai.
Aruna Narayan befand sich unter den Solisten des letzten Stückes, dem "Winter" der Vier Jahreszeiten, umgeschrieben vom Komponisten Mychael Danna, um alle Musiker gemeinsam auf die Bühne zu bringen. Eine fantasievolle Rekomposition, wenn nicht sogar getreue Umschrift, die für einen brillianten Ausklang des Programmes sorgte.
"Gute Arbeit zu leisten bedeutet, die Musik auf eine Weise zu präsentieren, die der Musik treu bleibt und sie gleichzeitig auf die wirklichste Art zum Leben erweckt. Ich habe die Hoffnung, dass Vivaldi das heutige Konzert gern hören würde", so Lamon vor dem Konzert.
"Ich versetze mich immer in den Komponisten. Wenn er hier wäre, was würde er dann denken? Und wenn die Antwort wäre, dass er erbost über mein Spiel wäre, dann würde ich meinen 'Okay, dann werde ich es nicht so machen'." Vivaldi hätte gelächelt.
Quelle: Shanghai Daily
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