Statt Strafzölle
Stärkere Zusammenarbeit mit China bei Zukunftsthemen notwendig Exklusiv
Von Elke Lütke-Entrup
Die politischen Beziehungen zwischen China und der EU sind derzeit angespannt, Beispiel Strafzölle. Was bedeutet die politische Großwetterlage für Unternehmen? China.org.cn hat Stefan Geiger, seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Chinaforums Bayern, nach seiner Einschätzung gefragt.
China.org.cn: Herr Geiger, Ihr branchenübergreifender Verband Chinaforum Bayern hat fast 200 Mitgliedsunternehmen, mit denen Sie in engem Austausch stehen. Wie ist die Stimmung bei Ihren deutsch-chinesischen Veranstaltungen?
Stefan Geiger: Die Stimmung ist etwas gedämpft, weil im Moment die Politik die wirtschaftlichen Entscheidungen von Unternehmen sehr stark beeinflusst. Wenn ich mit unseren Mitgliedsunternehmen spreche, habe ich das Gefühl, dass sie alle in China bleiben wollen und werden. Manche sind vorsichtig mit neuen Investitionen in China, sie warten ab, wie sich die Situation entwickelt, nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich.
Welche Themen stehen im Vordergrund?
Derzeit sind es eher politische Themen, die Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, wie die Strafzölle, welche die EU und die USA erheben. Ein weiteres Thema sind die Sanktionspakete gegen Russland. Mittlerweile müssen deutsche Firmen, die in China aktiv sind, nachweisen, dass die Artikel, die sie nach China verkaufen, nicht weiter nach Russland verkauft werden. Es ist natürlich nicht einfach, chinesische Kunden zu verpflichten, die Produkte nicht weiterzuverkaufen.
Was halten Sie von Strafzöllen?
Es besteht die Gefahr, dass sich Strafzölle hochschaukeln. Dadurch kann eine Spirale in Gang gesetzt werden.
Man muss jedoch gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und die unterschiedliche Subventionierung in den Ländern prüfen. Beide Seiten sondieren, wie sie ihre Wirtschaft schützen aber trotzdem den Markt aufrechterhalten.
Und jetzt?
Dadurch dass die WTO jetzt nicht mehr funktionstüchtig ist, ist es schwieriger geworden, unabhängige Untersuchungen vorzunehmen.
Die deutsche Automobilbranche ist gegen die Einführung der Strafzölle für E-Autos, weil sie selbst darunter zu leiden haben wird. China ist der wichtigste Markt für die deutsche Automobilindustrie. Es ist auch noch unklar, inwiefern die von deutschen Autoherstellern in China produzierten und in die EU importierten E-Autos davon betroffen sein werden.
Es wird zwar von der deutschen Regierung und der Europäischen Kommission gefordert, dass wir, trotz Risikoreduzierung, bei global wichtigen Themen wie beim Klimawandel oder Pandemien weiter mit China zusammenarbeiten sollen. Aber das funktioniert auch nicht. Das besorgt mich.
Warum?
Wir hätten zum Beispiel jetzt die Chance im Bereich Umwelt mit günstigen chinesischen Solarzellen unsere Energiewende voranzutreiben. Stattdessen belegen wir diese mit Strafzöllen.
Natürlich leidet die deutsche Solarindustrie unter den Importen aus China. Wenn wir jedoch auf Solarzellen aus Deutschland setzen, kann es passieren, dass der Verbraucher sie nicht aufs Dach montiert, weil sie ihm zu teuer sind. Damit kommen wir in der Energiewende nicht voran.
Gerade in Bezug auf Zukunftsthemen, die alle betreffen, müsste es eine größere Offenheit zur Zusammenarbeit von beiden Seiten geben.
Welche Rolle spielen die USA?
Vieles, von dem, wie China international reagiert, ist letztendlich von den USA getrieben, Thema Strafzölle oder Chip-Bann. ZTE wurde an den Rand des Abgrunds getrieben, Huawei bekam plötzlich keine Software von Google mehr und musste ein eigenes Betriebssystem aufbauen. Es gibt viele Bereiche, in denen die USA versuchen, den Aufstieg Chinas zu behindern oder dessen Geschwindigkeit zu reduzieren. Meiner Ansicht nach reagiert China sehr besonnen darauf. Amerika hat beschlossen, keine Chips mehr an chinesische Telekommunikationsfirmen zu liefern. China hätte die Möglichkeit gehabt, im eigenen Land beispielsweise gegen Apple vorzugehen, was sie nicht getan haben. Ich finde, China ist eher reaktiv im Wirtschaftskrieg mit den USA.
Wie reagiert China denn?
China ergreift Maßnahmen, um Investitionen im eigenen Land und Handel mit dem Ausland zu erleichtern wie die einseitige visumfreie Einreisemöglichkeit für 15 Tage für 15 Staaten. Die Unternehmen, mit denen ich gesprochen habe, wertschätzen diesen Schritt, aber für viele ist eine Visaerleichterung nicht das Hauptthema. Viele Geschäftsleute haben ohnehin 3- oder 5-jährige Visa. Die Visafreiheit ist eher als ein politisches Zeichen zu verstehen.
Wie verhalten sich chinesische Firmen in Bezug auf Deutschland?
Ich finde es interessant, dass sogar auch während Covid sehr viele chinesische Firmen nach Deutschland gekommen sind, große Firmen wie Great Wall Motors, oder kleinere, wie Hollyland, ein Hersteller von drahtlosen Kameras und Mikrofonen. Der Konkurrenzkampf in China ist sehr stark, die Firmen versuchen daher, sich neue Märkte zu erschließen.
Allerdings haben chinesische Firmen in Deutschland ähnliche Herausforderungen zu bestehen, wie die ersten deutschen Unternehmen, die nach China gingen und dachten, es würde alles so funktionieren wie zuhause.
Was meinen Sie?
Teilweise bestehen doch recht große kulturelle Unterschiede. Der deutsche Mitarbeiter möchte am Wochenende nicht dauernd von seiner Firma auf WeChat angeschrieben werden oder viele Überstunden machen. Oder am Sonntag ins Büro gehen, nur weil der Chef gerade aus China kommt. Es gibt vieles, womit chinesische Unternehmen wohl nicht gerechnet haben.
Deutschland hat sich bei der EU-internen Konsultativabstimmung zu den Strafzöllen gegen China enthalten. Eine gute Entscheidung?
Ich hätte mir von deutscher Seite etwas mehr Mut gewünscht. Weder der Kanzler noch die deutsche Automobilindustrie wollen die Strafzölle. Sich zu enthalten ist ein Zeichen, dass man einerseits sagt, man will die Strafzölle nicht haben, aber dann doch signalisiert, wenn sie eingeführt werden, akzeptieren wir sie. Das zeigt nicht gerade die Stärke Deutschlands in der EU.
Vielen Dank!
Die Meinung des Interviewspartners spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.