Ningbo ist eine wie Chinesen sagen kleine Stadt am chinesischen
Meer wenige hundert Kilometer südlich der Metropole Shanghai. Wenn
Chinesen von einer „kleinen Stadt“ sprechen, entspricht das nicht
dem, was sich ein Europäer darunter vorstellt. Ningbo und das von
Ningbo verwaltete Umland zählt ganze 5.4 Millionen Einwohner. Wenn
Ihnen also auf einer China-Reise ein Heimischer eine Stadt als
„klein“ beschreibt, hat sie mit Sicherheit weniger als 10 Millionen
Einwohner.
Ningbo kann man auf verschiedene Art und Weise erreichen. Die
einfachste ist natürlich mit dem Flugzeug. Doch ist auch eine
Anreise mit Bus oder Zug möglich. Falls man gerade in Shanghai sein
sollte und ein paar Tage der Enge und dem Trubel entfliehen möchte,
empfiehlt es sich den Zug zu besteigen und sich auf den Weg
Richtung Süden zu machen. In knapp fünf Stunden erreicht man
Ningbo. Wer allerdings ein Freund frischer Seeluft ist, der kann
auch per Schiff von Shanghai aus starten. Ein Schnellboot bringt
einen in sechs Stunden ans Ziel. Jedoch muss man erst zum
Shanghaier Hafen und dann vom Hafen Ningbos rund 50 Kilometer in
die Stadt.
Ist man erst mal angekommen, wird der ausländische Reisende
erstaunt feststellen müssen wie groß die kleine Stadt wirklich
ist.
Moderne Hochhäuser, an denen die Logos der so genannten Global
Player prangen, bestimmen das Zentrum. Doch gibt es zwischen den
Türmen viele Orte der Besinnung. Tempelanlagen in liebvoll
angelegten Parks. Und überall um einen herum fließt Wasser. Die
Flüsse Yuyao und Fenghua fließen mitten in der Stadt ineinander und
bilden den Yongjiang- Fluss, der nach einigen Kilometern
schließlich in das Chinesische Meer mündet.
Stolz sind die Ningboer in erster Linie auf ihre Geschichte - und
das zu Recht.
Den Annalen nach kann die Geschichte Ningbos bis in die
Xia-Dynastie, also bis ins 20. Jahrhundert vor Christi Geburt,
zurückverfolgt werden. Zu Ruhm und Glanz kam sie jedoch ab Ende des
dritten Jahrhunderts vor Christus unter dem Einfluss des Kaisers
Qin Shihuang. Der Selbe, der auch den Bau der Großen Chinesischen
Mauer befehligte. Er führte damals ein System der lokalen
Verwaltung in der Stadt ein, die in diesen Tagen noch den Namen
„Yin“ trug.
Auch im heutigen, modernen Ningbo stößt man auf viele historische
Prunkstücke. So ist zum Beispiel der Tianyi Pavillon eine Perle
inmitten der Stadt. Der Pavillon beherbergt die älteste und größte
Privatbibliothek Chinas. Der Besuch lohnt sich auch für Reisende,
die nicht in alten Schriften schmökern wollen oder
–wahrscheinlicher- nicht können. Der Tianyi Pavillon steht in einer
wundervollen chinesischen Gartenlandschaft. Künstlich angelegte
Seen wechseln sich mit sanften, grünen Hügeln und massiven
Felsformationen ab. Und überall sind kleine Nischen in denen man zu
einem Buch greifen – muss ja kein altchinesisches sein – oder
einfach nur entspannen kann. Nicht ohne Grund ist es ein beliebter
Ort auch bei Frischverliebten. Es entspricht voll und ganz dem
romantischen China-Bild der westlichen Welt.
Ningbo vereint auch viele alte Tempel in seinen Stadtgrenzen.
Erwähnenswert ist hier der Baoguo Tempel. Es ist die älteste
Holzkonstruktion südlich des Yangtse Flusses.
Die wichtigste und auch gleichzeitig älteste historische Stätte
Ningbos ist allerdings Hemudo etwa 20 Kilometer östlich. Dort sind
Bauern in den 70er Jahren beim Bestellen ihrer fruchtbaren Äcker
auf einen anthropologischen Schatz gestoßen. Führende
Wissenschaftler machten sich aus den großen Stätten dorthin auf den
Weg und brachten erstaunliches ans Tageslicht. Es waren Relikte
einer neolithischen Siedlung. Die ersten Grabungen bescherten den
Wissenschaftlern Bronzetöpfe, Messer und hölzerne Teile ganzer
Behausungen. Doch je tiefer man grub, umso älter wurden die
Fundstücke. Man hat das Alter der Fundstücke in der vierten und
tiefsten Schicht auf 7000 Jahre bestimmt. Der erstaunlichste Fund
jedoch waren große Mengen von großkörnigem Reis.
Vor der Entdeckung der Relikte von Hemudo gingen Anthropologen
davon aus, dass der Reis zu einer viel späteren Zeit aus Indien in
China eintraf. Mit den gefundenen Reiskörnern konnte bewiesen
werden, dass vor Tausenden von Jahren die Vorfahren der heutigen
Chinesen nicht nur Reis anbauten, sondern diesen auch miteinander
kreuzten, um größere Körner zu gewinnen.
Nicht ohne Grund nennt man Hemudo nun die Geburtsstätte des
Reisanbaus und der Chinesen.
Die Ningboer werden in ganz China als besonders geschäftstüchtig
bewundert. Selbst Sun Yatsen, verehrter Vordenker und Revolutionär
des modernen China, sagte von den Ningboern: Ihre Kraft und ihr
Einfluss ist die größte und machtvollste aller Chinesen.
Auch dafür gibt es in Ningbo auf Schritt und Tritt Beweise. Die
Stadt ist wie zuvor erwähnt modern bebaut. Viele internationale
Firmen haben sich in den letzten Jahren ein Standbein in Ningbo
gesichert. Einen großen Einfluss auf die Entscheidung in Ningbo zu
investieren, hat mit Sicherheit der Hafen ausgeübt.
Auch der Hafen Ningbos kann mit einer langen Geschichte aufwarten.
In Zeiten der Tang-Dynastie vor 1100 Jahren liefen bereits viele
Handelsschiffe aus dem Ausland den Hafen an. Er gehörte schon
damals zu den drei wichtigsten Häfen des Kaiserreichs.
Heute kann der Hafen von Ningbo Schiffsverbindungen zu 500 Häfen
weltweit aufweisen. Aufgrund des großen Tiefgangs und das Fehlen
jeglicher Strömung können große Schiffe, ja sogar riesige Öltanker
Ningbo anlaufen.
Allein im vergangenen Jahr wurden 100 Millionen Tonnen Cargo
umgeschlagen. Damit ist der Hafen von Ningbo der zweitgrößte in
ganz China, gefolgt von Shanghai.
Der ausgeprägte Geschäftssinn der Ningboer hat auch die Schaffung
einer wirtschaftlich-technologischen Entwicklungszone und einer
Freihandelszone am Hafen hervorgebracht. Ausländische Unternehmen
wie zum Beispiel die deutsche Hoechst AG und internationale sowie
nationale Joint-Ventures haben sich bereits in der Zone
angesiedelt. Die Stadtverwaltung lockte sie mit einem günstigen
Investitionsumfeld. Darunter fallen eine moderne Infrastruktur,
finanzielle Begünstigungen und nicht zuletzt die aktive
Unterstützung, die Waren der ausländischen Investoren auf den
chinesischen Markt zu verhelfen. Und genau da spielt die
geographische Lage Ningbos eine ausschlaggebende Rolle. Von Ningbo
aus ist die bevölkerungsdichteste Region Chinas, entlang des
Yangtse Flusses, und damit der größte Markt mühelos zu
erreichen.
Ningbo ist jedoch nicht nur aus historischer und wirtschaftlicher
sicht für Besucher interessant. Man würde der Stadt Unrecht tun,
wenn man die kulturellen Vorzüge unerwähnt ließe.
Die kleine 5,4-Millionen-Stadt am chinesischen Meer hat auch zu
diesem Thema viel zu bieten. Neben den vielen Museen, Konzertsälen
und Kunstgalerien üben die vielen jährlich stattfindenden
Veranstaltungen eine große Anziehungskraft auf Reisende aus.
Eine dieser Veranstaltungen ist es die so genannte Mode-Expo. Neben
einer großen Kaufmesse veranstalten die Organisatoren unzählige
Modeschauen chinesischer und ausländischer Modeschöpfern. Viele
Händler und Interessierte strömen in die Stadt um sich über
tragbares, gewagtes und skurriles der Modewelt zu informieren. Man
hat während der Modewochen den Eindruck, dass die ganze Stadt im
Fashion-Fieber ist.
Zum Schluß noch ein Ratschlag an den Reisenden:
Falls Sie diese Veranstaltungen mal live miterleben wollen, sollten
Sie sich früh genug um Transport und Übernachtung kümmern.