Interview mit dem Österreichischen Botschafter

Gute Partnerschaft auch in der Coronakrise Exklusiv

25.05.2020


Die Eröffnungen der Tagungen der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes und des Nationalen Volkskongresses finden am 21. bzw. 22. Mai in Beijing statt. Im Vorfeld dieser wichtigen chinesischen politischen Ereignisse hat China.org.cn ein Gespräch mit dem österreichischen Botschafter Dr. Friedrich Stift geführt.


 

China.org.cn: Die Tagungen des Nationalen Volkskongresses (NVK) sowie der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV) wurden wegen der COVID-19-Pandemie auf Ende Mai verschoben. Welche Themen dieser Tagungen verfolgen Sie als Österreichs Botschafter in China mit besonderer Aufmerksamkeit?

 

Friedrich Stift:Zuerst einmal sind wir sehr glücklich, dass die Nationale Volksversammlung stattfinden kann. Sie ist ein wichtiges Ereignis in China und wird in der ganzen Welt verfolgt, so auch in Österreich. Ich war in den letzten beiden Jahren schon zweimal dabei. Es gibt einen Rechenschaftsbericht des Premierministers über das abgelaufene Jahr und dann die Vorausschau auf dieses Jahr. Wir sind alle sehr gespannt darauf, wie die Wirtschaftsprognose lauten wird, denn COVID-19 hat natürlich auch die Wirtschaft Chinas stark beeinflusst. Es ist auch interessant zu hören, wie die Regierung das Wirtschaftswachstum einschätzt, möglicherweise gibt es keine aktuellen Wirtschaftswachstumszahlen. Aber es wird das Regierungsprogramm vorgestellt und Schwerpunkte gesetzt. Das ist natürlich für uns in Österreich und auch für die ganze Welt von großem Interesse.

 

Die COVID-19-Epidemie hat China im Großen und Ganzen in den Griff bekommen. Österreich hat im Vergleich zu seinen westeuropäischen Nachbarn relativ früh zu rigorosen Maßnahmen gegriffen und die ersten Erfolge haben sich bereits eingestellt. In beiden Ländern kehrt nach und nach wieder Normalität ein. Welche Kooperation gab es zwischen beiden Ländern während der Bekämpfung der Epidemie? Welche Prognose haben Sie für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen nach der Corona-Krise?

 

Österreich und China haben in der Krise sehr gut kooperiert. Als China betroffen war, hat Österreich ein Frachtflugzeug nach Wuhan geschickt mit Masken und Desinfektionsmitteln und anderen medizinischen Bedarfsgütern. Diesem Bedarfsflug haben sich auch einige Nachbarländer angeschlossen wie Slowenien und Tschechien. Diese beiden Staaten haben mit demselben Transportflugzeug Sachen mitschicken lassen. Und im Gegenzug hat sich China dann bei Österreich revanchiert. Wir haben sehr großzügig Schutzmasken, Schutzanzüge, aber auch Schutzbrillen bekommen, wofür wir sehr dankbar sind.


Auch die Regierungsspitzen haben telefoniert. Unser Bundeskanzler Sebastian Kurz ist auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar mit Staatsrat und Außenminister Wang Yi zusammengetroffen. Daran hat auch unser Außenminister Alexander Schallenberg teilgenommen. Es gab das erste Gespräch über COVID-19, über die Maßnahmen, die China ergriffen hat.


Dann hat unser Bundeskanzler den chinesischen Premierminister Li Keqiang angerufen, als Österreich sehr stark betroffen war. Das war Mitte März. Bundeskanzler Kurz hat Premierminister Li Keqiang gebeten, ob China uns unterstützen könnte bei der Etablierung einer Luftbrücke. Wir haben fast jeden Tag ein Flugzeug nach China geschickt, um medizinische Bedarfsmaterialien nach Österreich zu bringen, vor allem Schutzmasken, Schutzanzüge, Ventilatoren und auch Schutzbrillen. Wir haben jede Unterstützung von China bekommen.


In einem späteren Telefonat hat unser Außenminister den Staatsrat und Außenminister Wang Yi angerufen, das war vor knapp drei Wochen. Er hat sich bedankt für die großartige Unterstützung, die wir von China bekommen haben - vom Außenministerium, aber auch vom Handelsministerium, von der Zivilluftfahrtbehörde und vom Zoll. Mit den chinesischen Behörden konnten wir alle Hürden, die wir vorgefunden haben, in kurzer Zeit lösen. Da waren alle offiziellen Stellen Chinas sehr kooperativ.


Aber abgesehen davon haben auch chinesische Provinzen ihren Partnerprovinzen Masken gespendet, aber auch Firmen wie Alibaba, Huawei und andere haben ihren österreichischen Partnerfirmen sehr geholfen. Wir haben in Österreich auch sehr stark zurückgegriffen auf die chinesischen Expertisen. Daher hat die Botschaft fast jeden Tag Berichte über die Maßnahmen, die China getroffen hat, geschrieben. Das war sehr wichtig für uns Zuhause. Wir haben ähnliche Maßnahmen ergriffen, wenn wir gesehen haben, was in China gewirkt hat.


China hat in sehr kurzer Zeit die Epidemie mit rigiden Maßnahmen unter Kontrolle bekommen und daher war es auch ein Beispiel bei der Bekämpfung für alle anderen Länder. Wir haben sehr viel ähnlich gemacht wie China und deswegen haben wir in Österreich die Krise relativ rasch unter Kontrolle bekommen. China ist jetzt schon weiter. In China sind die Zahlen noch viel kleiner als in Österreich. Auch bei uns gehen die täglichen Infektionen zurück und wir haben nicht soviele Todesfälle. China war für uns wichtig als Beispiel und wir sind auch China sehr dankbar für die Hilfe, die wir bekommen haben.

 

Nach der Ausbreitung der Pandemie hält China an seinem Konzept der „Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ fest und teilt rechtzeitig Informationen über die Lage im Land. Ebenso teilt China seine Erfahrungen bei der Eindämmung und Prävention mit dem Rest der Welt. Wie beurteilen Sie persönlich die Bemühungen Chinas?

 

Ich glaube, China hat sich sehr bemüht, insbesondere mit der WHO gut zusammenzuarbeiten. Es waren auch Teams der WHO hier. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass die WHO einen guten Einblick hat und eine gute Kooperation mit China besteht. Aber auch mit anderen Ländern, hat China sehr gut kooperiert, wie mit Österreich. Wir haben gesehen, dass China sehr viele medizinische Bedarfsgüter in alle Länder der Welt geschickt hat, aber auch viele Expertenteams auch nach Europa, nach Italien, nach Spanien, nach Serbien. Und wo immer angefragt wurde, schickte man Teams in Nachbarländer und in afrikanische Länder. Ich glaube, diese Hilfe wird von allen Staaten sehr geschätzt. Wir sind alle angewiesen auf die Expertise von China. Ich glaube, gerade wenn es eine Epidemie oder Pandemie gibt, wie bei COVID-19, ist eine internationale Kooperation wichtiger denn je. Denn nur international, wenn wir gemeinsam zusammenarbeiten und uns unterstützen, können wir die Epidemie vollkommen unter Kontrolle bringen. Ich glaube, es ist sehr wichtig und wir sind China verpflichtet zu danken dafür, dass China uns unterstützt hat, mit Material und Expertise, weil wir das alleine nicht hätten bewältigen können.

 

Die Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die Welthandelsorganisation rechnet in diesem Jahr mit einem Absturz des Welthandels um bis zu 32 Prozent. Was meinen Sie, inwieweit ist der Handel zwischen China und Österreich betroffen? Welche Maßnahmen wird Österreich ergreifen, um den Handel zwischen beiden Ländern weiter zu fördern?

 

Ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass COVID-19 die gesamte Weltwirtschaft stark beeinträchtigen wird. Österreich und China nehmen jetzt ihr normales Wirtschaftsleben wieder auf. Aber international geht es noch nicht, weil es ja kaum Flüge gibt, auch nicht im Frachtbereich, wir haben noch keinen Normalzustand.


Allerdings bin ich zuversichtlich, dass es nach einiger Zeit gelingen wird, wieder den Weg der Normalität zu beschreiten. Das wird natürlich dauern. China ist für uns ein sehr wichtiger Exportmarkt, aber auch ein wichtiger Importmarkt. Im letzten Jahr haben die Exporte um zehn Prozent zugenommen und die Importe aus China um acht Prozent. China ist einer der wichtigsten Märkte für Österreich. Der chinesische Markt ist viermal wichtiger für uns als der japanische etwa. Wir haben in den letzten Jahren jedes Jahr starke Zuwächse gehabt. Dieser Trend wird natürlich heuer nicht aufrecht erhalten werden können. Aber wir hoffen, dass es nicht zu schlecht ausfallen wird, wie die Zahlen, die Sie genannt haben. Ich glaube, wenn die Flüge wieder aufgenommen werden und Geschäftsreisen durchgeführt werden können, kann der Wirtschaftsrückgang  hoffentlich bald wieder aufgefangen werden und die Zahlen gehen wieder nach oben. Wichtig ist natürlich, dass der Flugverkehr aufgenommen wird und dass Geschäftsreisende kommen können. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Ohne Reisetätigkeit kommen viele Vertragsabschlüsse nicht zustande. Wir hoffen, dass vielleicht im Juni oder im Juli wieder ein halbwegs normalisierter Flugverkehr aufgenommen wird.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Friedrich Stift, Österreichischer Botschafter,China,NVK,Coronavirus