Abkommen der
Zentralen Volksregierung und der tibetischen Lokalregierung über
Maßnahmen zur friedlichen Befreiung Tibets
Die tibetische Nationalität gehört
zu den Nationalitäten mit einer langen Geschichte innerhalb des
chinesischen Territoriums und hat wie viele andere Nationalitäten
im Entstehungs- und Entwicklungsprozess unseres großen Vaterlandes
ihre eigene ruhmreiche Pflicht erfüllt. Aber in den letzten hundert
Jahren sind die imperialistischen Kräfte in China und infolgedessen
auch in das Gebiet von Tibet eingedrungen und haben mit
betrügerischen Mitteln Zwietracht unter der Bevölkerung gesät. Wie
frühere reaktionäre Regierungen hat auch die reaktionäre
Kuomintang-Regierung gegenüber der tibetischen Nationalität die
Politik der nationalen Unterdrückung und Spaltung fortgesetzt, so
dass es innerhalb der tibetischen Nationalität zur Spaltung und
Uneinigkeit kam. Die tibetische Lokalregierung hat sich nicht gegen
die betrügerischen und provokatorischen Machenschaften der
Imperialisten zur Wehr gesetzt und gegenüber dem großen Vaterland
eine unpatriotische Haltung eingenommen. Dadurch gerieten die
tibetische Nationalität und die Bevölkerung in einen Abgrund der
Versklavung und Not.
1949 hat der chinesische
Volksbefreiungskrieg einen landesweiten grundlegenden Sieg
davongetragen, in dem die reaktionäre Kuomintang-Regierung, der
gemeinsame innere Feind aller Nationalitäten, gestürzt und die
imperialistischen Aggressionskräfte, der gemeinsame äußere Feind
aller Nationalitäten, vertrieben wurden. Auf dieser Grundlage
wurden die Volksrepublik China und die Zentrale Volksregierung
gegründet. Die Zentrale Volksregierung hat in Übereinstimmung mit
dem von der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen
Volkes angenommenen Gemeinsamen Programm erklärt, dass alle
Nationalitäten innerhalb der Landesgrenze der Volksrepublik China
gleichberechtigt sind, sich zusammenschließen, sich gegenseitig
unterstützen und gegen Imperialismus und Volksfeinde innerhalb
aller Nationalitäten kämpfen, damit die Volksrepublik China zu
einer großen Gemeinschaft der Freundschaft und Zusammenarbeit aller
Nationalitäten wird. In dieser großen Gemeinschaft wird die
nationale Gebietsautonomie in allen Regionen, in denen nationale
Minderheiten wohnen, durchgesetzt; jede Nationalität genießt die
Freiheit, ihre Sprache und Schrift zu gebrauchen und zu entwickeln,
ihre Sitten und Gebräuche sowie ihren religiösen Glauben zu
erhalten oder zu reformieren. Die Zentrale Volksregierung hilft
allen nationalen Minderheiten beim Aufbau und bei der Entwicklung
einer eigenen Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung. Auf dieser
Grundlage haben sich alle Nationalitäten im Inland außer den in
Tibet und auf Taiwan befreit. Unter der einheitlichen Führung der
Zentralen Volksregierung und unter der unmittelbaren Führung der
lokalen Volksregierungen sind alle nationalen Minderheiten bereits
in den Genuss nationaler Gleichberechtigung gekommen, wobei die
Durchsetzung der nationalen Gebietsautonomie bereits realisiert
wurde bzw. in Angriff genommen wird.
Um den Einfluss der
imperialistischen Aggressionskräfte in Tibet reibungslos
auszuschalten, die territoriale Einheit und die Souveränität der
Volksrepublik China zu verwirklichen, die Landesverteidigung zu
stärken, die tibetische Nationalität und Bevölkerung zu befreien,
damit sie in die große Gemeinschaft der Volksrepublik China
zurückkehren und wie andere Nationalitäten im Inland das Recht der
nationalen Gleichberechtigung genießen und ihre Politik, ihre
Wirtschaft, ihr Kultur- und Bildungswesen entwickeln können, hat
die Zentrale Volksregierung, als sie der Volksbefreiungsarmee den
Befehl gab, in Tibet einzumarschieren, die tibetische
Lokalregierung aufgefordert, Bevollmächtigte zu Verhandlungen mit
der Zentralen Regierung zu entsenden, um ein Abkommen über
Maßnahmen zur friedlichen Befreiung Tibets abzuschließen. Ende
April 1951 kamen die Bevollmächtigten der tibetischen
Lokalregierung nach Beijing. Die Bevollmächtigten der Zentralen
Volksregierung begannen unverzüglich auf der Basis gegenseitiger
Freundschaft mit ihnen Verhandlungen zu führen. Als Ergebnis der
Verhandlungen erklärten sich beide Seiten damit einverstanden, das
vorliegende Abkommen zu unterzeichnen und seine Umsetzung zu
garantieren.
1. Die tibetische Bevölkerung
schließt sich zusammen, um die imperialistischen Aggressionskräfte
aus Tibet zu vertreiben, und kehrt in die große Gemeinschaft des
Vaterlandes, die Volksrepublik China, zurück.
2. Die tibetische Lokalregierung
unterstützt die Volksbefreiungsarmee aktiv bei ihrem Einzug zur
Landesverteidigung in Tibet.
3. In Übereinstimmung mit der im
Gemeinsamen Programm der Politischen Konsultativkonferenz des
Chinesischen Volkes verankerten Nationalitätenpolitik übt die
tibetische Bevölkerung unter der einheitlichen Führung der
Zentralen Volksregierung das Recht auf nationale Gebietsautonomie
aus.
4. Die Zentrale Volksregierung
verändert das bestehende politische System in Tibet und die
eigentliche Stellung und Kompetenzen des Dalai Lama nicht. Die
tibetischen Beamten behalten ihre Ämter.
5. Die eigentliche Stellung und die
Kompetenzen des Panchen Erdeni bleiben erhalten.
6. Die eigentliche Stellung und die
Kompetenzen des Dalai Lama und des Panchen Erdeni beziehen sich auf
die Stellung und die Kompetenzen des 13. Dalai Lama und des 9.
Panchen Erdeni auf der Grundlage freundschaftlichen
Zusammenwirkens.
7. Die Politik der
Religionsfreiheit, die im Gemeinsamen Programm der Politischen
Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes verankert ist, wird
durchgeführt, der religiöse Glauben, die Sitten und Gebräuche der
Volksmassen in Tibet werden respektiert und die Klöster geschützt.
Die Zentrale Volksregierung nimmt keine Veränderung der
Klöstereinnahmen vor.
8. Die tibetische Armee wird
schrittweise in die Volksbefreiungsarmee integriert und Teil der
Streitkräfte der Volksrepublik China für die Landesverteidigung
werden.
9. Der Realität in Tibet
entsprechend werden die Sprache und Schrift der tibetischen
Nationalität gepflegt und das Schulwesen allmählich entwickelt.
10. Der tibetischen Realität
entsprechend werden die Landwirtschaft, die Viehzucht, die
Industrie und der Handel Schritt für Schritt entwickelt und der
Lebensstandard der Bevölkerung verbessert.
11. Die Reformen in Tibet werden
nicht durch Zwangsmaßnahmen seitens der Zentralen Volksregierung
durchgesetzt. Die tibetische Lokalregierung führt die Reformen auf
eigene Initiative durch. Wenn die Volksmassen die Reformen fordern,
müssen durch Konsultation mit tibetischen führenden
Persönlichkeiten Wege zur Lösung gefunden werden.
12. Alle Beamten, die früher
pro-imperialistisch und kuomintang-orientiert waren, können ihre
Ämter beibehalten, wenn sie konsequent ihre Verbindungen mit den
Imperialisten und der Kuomintang abbrechen, keine Sabotage ausüben
und keinen Widerstand leisten.
13. Die Truppen der
Volksbefreiungsarmee, die in Tibet stationiert sind, sind
verpflichtet, alle genannten politischen Maßnahmen einzuhalten,
angemessene Preise für das zu zahlen, was sie kaufen, und keine
Nadel, keinen Faden den Volksmassen wegzunehmen.
14. Die Zentrale Volksregierung
regelt alle auswärtigen Angelegenheiten des Gebiets Tibet
einheitlich und strebt auf der Grundlage der Gleichberechtigung,
des gegenseitigen Nutzens, der gegenseitigen Achtung der
territorialen Souveränität eine friedliche Koexistenz Chinas mit
den Nachbarländern und die Aufnahme und die Entwicklung
vernünftiger Handelsbeziehungen an.
15. Um die Durchführung des
Abkommens zu garantieren, richtet die Zentrale Volksregierung in
Tibet ein militärisch-administratives Komitee und ein Hauptquartier
des Militärbezirkes ein. Neben den von der Zentralen Volksregierung
entsandten Personen werden in den beiden Einrichtungen
Persönlichkeiten aus dem Gebiet Tibet eingesetzt.
Die Vertreter Tibets im
militärisch-administrativen Komitee müssen Patrioten aus der
tibetischen Lokalregierung, aus allen tibetischen Bezirken und
wichtigen Klöstern sein. Die von der Zentralen Volksregierung
bestimmten Vertreter erstellen nach Konsultationen mit den
betreffenden Seiten eine Namenliste und legen sie der Zentralen
Volksregierung zur Ernennung vor.
16. Sämtliche Kosten des
militärisch-administrativen Komitees, des Hauptquartiers des
Militärbezirkes und der in Tibet stationierten VBA-Truppen werden
von der Zentralen Volksregierung getragen. Die tibetische
Lokalregierung unterstützt die Volksbefreiungsarmee beim Kauf und
Transport von Getreide und Gebrauchsgütern.
17. Das Abkommen tritt nach
Unterzeichnung in Kraft.
Die Bevollmächtigten der Zentralen
Volksregierung
Chefdelegierter: Li Weihan
(sign.)
Delegierte: Zhang Jingwu (sign.)
Zhang Guohua (sign.)
Sun Zhiyuan (sign.)
Die Bevollmächtigten der tibetischen
Lokalregierung
Chefdelegierter: Ngapoi Ngawang
Jigme (sign.)
Delegierte: Dzasak Khemey Sonam
Wangdi (sign.)
Khentrung Thupten Tenthar
(sign.)
Khenchung Thupten Lekmuun
(sign.)
Rimshi Samposey Tenzin Thundup
(sign.)
23. Mai 1951, Beijing
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