„In China sind wir sehr innovativ“ exklusiv
Von Elke Lütke-Entrup, Beijing
China ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für Tunnelvortriebsmaschinen weltweit. Die deutsche Firma Herrenknecht ist ein Hersteller und Weltmarktführer in diesem Segment. Das Unternehmen mit Sitz in Schwanau-Allmannsweier in Baden-Württemberg beschäftigt rund 850 Mitarbeiter an sechs Standorten in China. Neben der Montage der Maschinen für den asiatischen Markt werden dort auch Stahlbauten gefertigt. Herrenknecht betreut zudem zahlreiche Projekte vor Ort, von Hongkong und Guangzhou über Wuhan und Shanghai bis nach Beijing. Martin-Devid Herrenknecht, Ingenieur und Sohn des Firmengründers, der sich derzeit auf die Unternehmensnachfolge vorbereitet, spricht im Interview mit China.org.cn über Marktchancen in China.
China.org.cn: Im Marktsegment der Tunnelvortriebsmaschinen sind die meisten Ihrer Wettbewerber in chinesischer Hand. Was macht den chinesischen Markt – trotz des hohen Wettbewerbs – für Herrenknecht so attraktiv?
Martin-Devid Herrenknecht: Es ist ein schneller und agiler Markt, in dem pragmatisch und mit strikten Vorgaben geplant und ausgeführt wird. Der Markt hat ein sehr großes Volumen. In Deutschland leben zirka 84 Millionen Menschen, in China mehr als 1,3 Milliarden – dass China viel mehr Infrastruktur braucht, erklärt sich von selbst. Zudem gibt es hier gigantische Infrastrukturprojekte, wie die „Belt and Road“-Initiative oder den Bau der Metronetze und Zugnetze in China selbst.

Die weltgrößten Tunnelvortriebsmaschinen mit bis zu 17,6 Meter Durchmesser bohren sich durch die unterschiedlichsten Bodenschichten. Foto: www.herrenknecht.com, 2017.
Unterscheidet sich der Tunnelbau in China vom Rest der Welt? Wenn ja, wie?
Ja, vor allem in der Umsetzungsgeschwindigkeit, neben dem stark unterschiedlichen staatlichen und wirtschaftlichen System. Für Europäer ist es nicht immer einfach zu verstehen, wie in China Entscheidungen getroffen werden und welche Autorität im jeweiligen Bauprojekt entscheidet.

Das Innenleben einer Tunnelvortriebsmaschine: Eine mobile Fabrik, die sich mechanisch im Untergrund vorbohrt und das Tunnelbauwerk erstellt. Foto: www.herrenknecht.com, 2017.
Herrenknecht ist ein anerkannter „Hidden Champion“, also ein Weltmarktführer in einem Nischensegment. Wie leicht oder schwer ist es in dieser Rolle, in China Fuß zu fassen?
Für uns war es insgesamt nicht schwer, in China Fuß zu fassen. Bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es einen technischen Austausch, danach haben uns die chinesischen Behörden und Regierungsstellen stark unterstützt, Werke und Büros aufzubauen. Die Unterstützung und Aufgeschlossenheit der Entscheider war sehr hilfreich und ist nicht mit Deutschland vergleichbar.
Welche Herausforderungen gibt es in der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit in Ihren chinesischen Produktionsstätten? Was läuft besser als erwartet?
Klar, anfangs gab es starke Kultur- und Sprachunterschiede, aus denen durchaus Missverständnisse entstanden. Je mehr und besser wir uns gegenseitig kennenlernten, desto weniger Spielraum für Missverständnisse gab es. Heute läuft das sehr gut. Ich denke, die jüngeren Generationen sind auf beiden Seiten mit einem viel weltoffeneren Bewusstsein aufgewachsen.

Martin-Devid Herrenknecht mit einem Mitarbeiter in der Steuerungszentrale einer Tunnelvortriebsmaschine. Foto: www.herrenknecht.com, 2017.
Welche Auswirkungen hat Chinas „Belt and Road“ – Initiative für Ihr Unternehmen?
Sie ist sehr interessant für uns. Wenn die Einzelabschnitte der Initiative ausgeführt werden, werden auch viele Tunnelvortriebsmaschinen benötigt. Hier bemühen wir uns natürlich um jedes einzelne Projekt, um mit unserer Tunnelvortriebstechnik überzeugen zu können und mit von der Partie zu sein.
Wie sieht Innovation in Ihrem Geschäft aus? Wodurch unterscheiden sich Ihre morgigen Produkte von den heutigen?
Im Projektgeschäft müssen Sie grundsätzlich überzeugen, indem Sie aktuelle Projekte in allen Phasen erfolgreich starten und bis zum Durchbruch mit innovativer Technik begleiten. Bei jedem Tunnel ergeben sich unterschiedliche projektspezifische Herausforderungen, die beherrscht werden müssen. Am Ende zählen Sicherheit, Schnelligkeit und Effizienz. Das sind die Themen, an denen wir permanent arbeiten. Wir steigern beispielsweise die Versorgungslogistik der Tunnelvortriebsmaschinen, um höhere Vortriebsgeschwindigkeiten zu haben. Wir verbessern, digitalisieren und automatisieren die Tunnelvortriebsmaschinen, um noch effizienter und sicherer zu sein.
Sie sagten einmal, in China kommen die Innovationen vom Kunden. Wie ist das gemeint?
In unserem Projektgeschäft zählt immer die starke Zusammenarbeit mit dem Kunden. Im Projekt passen wir die Maschine an alle entscheidenden geologischen, hydrologischen oder logistischen Parameter an. Die direkten Anforderungen des Kunden sind dabei von Projekt zu Projekt Anlass für Verbesserungen und Innovationen. War es früher so, dass insbesondere Europa innovativ unterwegs war, nehmen wir heutzutage aus dem chinesischen Markt sehr viele Anforderungen von Kunden und Projekten an unsere Vortriebstechnik auf. Insofern ist China stark innovativ.
Bei den Großdurchmesser-Tunnelbohrmaschinen liegen derzeit chinesische Kunden vorne. In Europa haben wir vereinzelt Großdurchmesser-Projekte von mehr als 13 Metern, in China hingegen sind dieses Jahr zehn derartige Maschinen im Einsatz.


In China hat Herrenknecht dieses Jahr zehn Projekte mit Großdurchmesser-Tunnelvortriebsmaschinen mit einem Durchmesser von mehr als 13 Metern. Foto: www.herrenknecht.com, 2017.
Wie sehen Sie die künftige Entwicklung des chinesischen Marktes für Tunnelvortriebssysteme?
Die Entwicklung im Tunnelbau wird technisch komplexer und die bautechnischen Herausforderungen werden größer. Grundsätzlich wird es noch auf lange Sicht einen großen Bedarf geben. In den nicht so komplexen Projekten mit Standardtunnelvortriebsmaschinen müssen wir auf Überkapazitäten achten. Viele große chinesische Hersteller sind auf diese Standardmaschinen ausgelegt.
Des Weiteren glaube ich, dass in vielen großen Megastädten Chinas neue Verkehrs- und Logistikkonzepte unter der Erde umgesetzt werden, sonst gibt es dort ja keine Ausweichmöglichkeiten. Auch die Neue Seidenstraße zeigt, dass China und Asien noch auf lange Zeit große Märkte bleiben werden.












