Diplomatie

Der etwas andere Botschafter

05.06.2018

Undiplomatische Diplomatie

Generell erklärte er seine gelegentlich unorthodoxen Äußerungen schon Anfang Mai damit, dass er einen anderen Stil hätte: „Diplomat zu sein, bedeutet für mich, Klartext zu sprechen - gerade gegenüber Freunden.“ Dies weicht von dem üblichen Verständnis eines Diplomaten ab, wonach sich dieser neutral verhält und eindeutige Stellungnahmen in bestimmte politische Richtungen unterlässt. Doch steht das Verhalten auch in klarem Widerspruch zum Hauptregelwerk der Diplomatie, dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961? Dort heißt es in Artikel 3.1. (a), der Botschafter hätte „den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten“ und in (c) „mit der Regierung des Empfangsstaats zu verhandeln“. Beides scheint noch vereinbar mit seinen Aussagen. Was allerdings auch eindeutig scheint, ist, dass seine Äußerungen Artikel 3.1. (e) nicht geholfen haben. Dieser bennent die Aufgabe eines Diplomaten „freundschaftliche Beziehungen zwischen Entsendestaat und Empfangsstaat zu fördern und ihre wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen auszubauen.“ Noch eindeutiger wird Artikel 41, der bezüglich Diplomaten im Ausland festhält: „Sie sind ferner verpflichtet, sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen.“ Es gilt daher als ungewöhnlich für Diplomaten, sich so deutlich politisch zu äußern. Auf diesen Artikel stützt sich deshalb das Gros der Kritik. Schulz Äußerung gipfelte in dem Vergleich, Grenell benehme sich nicht wie ein Diplomat, „sondern wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier". In welchem Verhältnis dieser Vergleich wiederum mit Artikel 29 des Wiener Übereinkommens steht, ist ebenfalls fraglich: „Der Empfangsstaat behandelt ihn mit gebührender Achtung.“

 

Es ist nicht zu übersehen, dass die politischen Gemüter auf beiden Seiten erhitzt sind und ein gewohnter diplomatischer Umgang zur Zeit nicht stattfindet. Eine der wenigen diplomatischen Stimmen kam aus der Regierungspartei, vom außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt. „Ich wünsche mir deshalb, dass der neue US-Botschafter seine ganze Energie dafür einsetzt, das deutsch - amerikanische Verhältnis zu stärken [...] Selbstverständlich steht mir jedoch nicht zu, dem amerikanischen Botschafter in Berlin Hinweise zu geben, wie er seine Aufgabe als Vertreter der USA in Deutschland ausübt."


Zum Schluss hilft es vielleicht bei all den derzeitigen Streitereien die Worte von Kent Logsdon zu beachten, der bis zur Ankunft Grenells im Mai als Geschäftsträger der US-Botschaft die Aufgaben des amerikanischen Botschafters interimsweise übernommen hatte und grundsätzlich zum bilateralen Verhältnis feststellte: „Es ist immer besser für die Beziehungen, einen Botschafter zu haben."


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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Botschafter, Richard Grenell, US, Berlin