30 Jahre Goethe-Institut in China

Clemens Treter: „Mit unserer Arbeit spiegeln wir die Veränderungen Chinas wieder“ Exklusiv

24.11.2018

von Felix Lehmann, Beijing

 

In diesem Jahr ist das Goethe-Institut in China 30 Jahre alt geworden. Mit dem Institutsleiter Clemens Treter sprach China.org.cn über sein eigenes Interesse an China, das Deutschlernen in diesem Land und die kulturelle Arbeit des Instituts.


China.org.cn: Sie sind seit dem Jahr 2016 Institutsleiter. Woher kommt Ihr Interesse an China und was fasziniert Sie an diesem Land?

Clemens Treter:Mein Interesse an China hat sich schrittweise zusammengefügt und ist natürlich viel älter als meine Tätigkeit am Goethe-Institut. Ich hatte aus einem grundsätzlichen Interesse an anderen Kulturen viel gelesen. Dabei bin ich auf das BuchChina und die Hoffnung auf Glückvon Wolfgang Bauer gestoßen. Das hat mich sehr fasziniert. So fügte sich eins zum anderen und ich begann, in München Sinologie zu studieren. 1994 war ich das erste Mal in China und habe in Chengdu an der Sichuan-Universität studiert. Es entstanden auch persönliche Kontakte und ich habe meine jetzige Frau kennengelernt. Die Faszination an China liegt auch in der Sprache, die ja eine ganz andere Struktur hat als die meisten westlichen Sprachen. So bekommt man eine ganz andere Begrifflichkeit davon, wie das Denken funktionieren kann.

 

Das Goethe-Institut feiert nun sein 30-jähriges Jubiläum. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit China in dieser Zeit entwickelt, was ist der größte Erfolg des Goethe-Instituts in der Kooperation?

Ich glaube, angesichts der Veränderungen in China ist es überhaupt schon eine große Herausforderung gewesen, 30 Jahre kontinuierlich zu arbeiten. Unsere Arbeit spiegelt die Veränderungen Chinas wieder.

Als das Goethe-Institut nach China kam, haben wir mit der Ausbildung und Förderung von Deutschlehrern begonnen. Damals war die Kulturarbeit etwas Neues und Außergewöhnliches und die offizielle Kooperation hat sehr viel später begonnen. Mitte der 90er-Jahre wurden die ersten Projekte gemacht, zum Beispiel Faust-Inszenierungen, Filmreihen mit Fassbinder oder Immendorf-Ausstellungen, was großes Erstaunen geweckt hat. Wir haben dies schrittweise fortgeführt und konnten uns also etablieren. Immer mehr Akteure der Kunstszene sahen und sehen uns weiterhin als Ansprechpartner.

 

Zu seinem Jubiläum hat das Goethe-Institut die Veranstaltungsreihe 30 Jahre – 30 Fragen – 30 Stunden ins Leben gerufen. Was ist das Besondere an der Reihe?

Normalerweise blickt man zurück und fragt sich „Toll! Was haben wir alles erreicht?“ Das erschien uns ein bisschen langweilig und auch nicht angemessen in Anbetracht der Herausforderungen, vor denen wir weltweit stehen – Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Energieversorgung, Wasserversorgung und Migration – also die großen gesellschaftlichen Themen. Andererseits erscheint die Zukunft angesichts der technischen Entwicklungen aber auch so greifbar nahe und man denkt: Morgen werde ich dem ersten selbstständig denkenden Roboter begegnen, auch wenn das noch eine Weile dauern wird. Deshalb haben wir entschieden: Wir können nicht nur zurückschauen, wir müssen auch in die Zukunft blicken. Dazu haben wir uns Fragen gestellt, auf die wir Antworten suchen und eine Plattform für die Diskussion zu bieten. Durch die Veranstaltungsreihe bringen wir das in eine kondensierte Form.


Die Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum des Goethe-Instituts China zogen zahlreiche Interessenten an.  (Foto vom 17. November 2018, Goethe-Institut)

 

Das Goethe-Institut gehört zu den wichtigsten Akteuren der PASCH-Initiative, an der mehr als 100 Schulen beteiligt sind und dadurch sich mit der deutschen Sprache beschäftigen. Vor kurzem wurde an einigen chinesischen Schulen Deutsch als Prüfungsfach aufgenommen. Was ist der Grund für die Erfolgsgeschichte?

In China ist das Bewusstsein gewachsen, dass der Erwerb von mehreren Fremdsprachen wichtig ist. Neben Französisch und Japanisch gehört auch Deutsch zu den Sprachen, die in China Interesse wecken. Durch die Einführung an Schulen kann man ein Stück früher starten. Deswegen ist es sehr wichtig, dass das Fach Deutsch Bestandteil der Hochschulaufnahmeprüfung, dem Gaokao, geworden ist. Vom Goethe-Institut werden derzeit 80 Schulen betreut, 40 von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Doch die Nachfrage ist größer als das Angebot.

Ich glaube, Deutsch zu lernen lohnt sich, denn durch den Erwerb der Sprache lässt man sich auch ein Stück darauf ein, sich intensiver mit einem Land und seiner Kultur zu beschäftigen. Deutschland ist auch deswegen ein interessanter Studienstandort, weil die wirtschaftlichen Beziehungen sehr eng sind und junge Leute deswegen einen Anreiz haben, ihre persönliche Biografie mit Deutschland zu verknüpfen. Und das gilt natürlich auch in umgekehrter Richtung.

 

Welche Herausforderungen stellen sich noch?

Eine Herausforderung dabei ist der Mangel an qualifizierten Deutschlehrern. Es gibt zwar viele Germanistikstudenten und Absolventen, die gut Deutsch können, aber das bedeutet ja nicht, dass man auch eine gute Lehrkraft wird. Unsere wichtigste Aufgabe besteht jetzt also darin, mit unseren chinesischen Partnern gemeinsame Programme für Lehreraus- und Fortbildung zu entwickeln. Denn nur mit guten Lehrkräften schafft man auch eine gute Startposition.


Clemens Treter, Leiter des Goethe-Instituts China, beim 30-jährigen Gründungsjubiläum (Foto vom 16. November 2018, Goethe-Institut)

 

Was sind die beliebtesten Themen für Chinesen, die sich mit Deutschland auseinandersetzen?

Die großen Themen bleiben natürlich Fußball, Musik, Bier und Autos. Das prägt das Image von Deutschland sehr stark. Bei uns im Fokus stehen die professionell Kulturschaffenden und da gibt es interessante Entwicklungen: Wir haben seit drei Jahren eine Kooperation mit dem Berliner Theatertreffen, durch die wir einen ziemlich großen Ausschnitt des deutschen Theaters zeigen und die von Theaterschaffenden in China auch mit Interesse aufgenommen wird. Ein weiterer Schwerpunkt ist Design. Im kommenden Jahr feiern wir das hundertjährige Gründungsjubiläum von Bauhaus.

 

Unter Kulturaustausch versteht man einen gegenseitigen Prozess. Welchen Beitrag leistet das Goethe-Institut zum besseren Verständnis der Deutschen von China?

In Deutschland ist es eine Herausforderung, in einer Form über China zu sprechen, die nicht so stark von Klischees und Ängsten geprägt ist. In politischen und gesellschaftlichen Fragen gibt es unterschiedliche Positionen. Dazu muss man auch stehen. Aber durch das Erzählen aus dem Leben kann man das Bild ein wenig differenzieren. Auf unserer Webseite machen wir das mit unserem Länderportal seit mehr als zehn Jahren. Dort beleuchten wir die Dinge immer von zwei Seiten. Wenn wir über die Jugend in Berlin schreiben, berichten wir auch über junge Menschen in Beijing. Oder vergleichen die Mühen bei der Wohnungssuche in München mit der Situation in Shanghai. Auch im Austausch von Künstlern bringen wir diese verschiedenen Perspektiven zum Ausdruck. Wenn deutsche Künstler und Experten nach China kommen, bringen wir sie immer mit ihren chinesischen Pendants ins Gespräch. Davon profitieren beide Seiten sehr stark.


Wie wollen Sie den Kulturaustausch in der Zukunft vorantreiben?

Wir konzentrieren uns auf thematische Schwerpunkte. Beim Thema Digitalisierung greifen wir neue Aspekte auf, im nächsten Jahr wird virtuelle Realität einen Schwerpunkt bilden, vor allem die Frage, wie sich VR mit performativen Künsten verbindet. Wir glauben, dass man mit dieser Kunstform sehr direkt mit dem Publikum in Kontakt treten kann und einen Raum öffnet, in dem man diese Fragen spielerisch erörtern kann. Wir fragen uns auch, welche Mittel es gibt, die Realität zu erfassen und darüber nachzudenken, zum Beispiel im Bereich dokumentarisches Arbeiten mit Filmen und Comics.

Diese Fragen wollen wir auch außerhalb von Beijing und Shanghai zur Geltung bringen, damit der Blick auf andere chinesische Städte gerichtet wird und man sieht, wie vielgestaltig China ist. In Nanjing, Wuhan, Xiamen, Chengdu und Chongqing tun wir das bereits seit einigen Jahren und dort gibt es noch viel Potenzial.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Goethe-Institut,30 Jahre,China,Clemens Treter