Neue Übersetzung
Konfuzius besser verstehen Exklusiv
Von Elke Lütke-Entrup
In einer Welt, die von sozialen Medien geprägt ist, bleibt die Weisheit Konfuzius' allgegenwärtig. Die häufigen Zitate des chinesischen Philosophen hinterlassen auch heute noch Spuren in unserem täglichen Leben. Prof. Dr. Hans van Ess, ein renommierter China- und Konfuzius-Experte, Lehrstuhlinhaber für Sinologie und Vizepräsident an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat vor kurzem eine neue Übersetzung der Gespräche des Konfuzius vorgelegt. China.org.cn erkundet in einem exklusiven Interview, ob diese Neuinterpretation uns im deutschsprachigen Raum ermöglicht, Konfuzius besser zu verstehen, und welche Bedeutung dies für unsere moderne Welt hat.
China.org.cn: Prof. van Ess, Ihr neues Buch über die Gespräche von Konfuzius verspricht eine einzigartige Perspektive auf die chinesische Kultur. Es gibt jedoch schon zahlreiche, viel zitierte Konvolute zu den Lehren des Konfuzius. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, nun ein weiteres Werk dazu zu verfassen?
Prof. Dr. Hans van Ess: Ich bin überzeugt, dass bisherige Übersetzungen zu wenig Gebrauch von chinesischer Literatur und chinesischen Kommentaren gemacht haben, in denen die einzelnen Sprüche des Konfuzius kontextualisiert worden sind. Es gibt viele Parallelstellen zu Konfuziussprüchen und -dialogen, die man kennen muss, um die Texte richtig interpretieren zu können. Zudem sind Sprache und Terminologie, in welche die Gespräche bisher übersetzt worden sind, stark von einer westlichen Tradition beeinflusst, die dem alten China natürlich fremd war. Man muss die alten Schichten freilegen.
Durch Ihre Übersetzung wollen Sie eine Brücke zwischen westlichen Denkwelten und der chinesischen Kultur schlagen. Welche Aspekte betonen Sie dabei, und wie könnten diese zu einem authentischen Kulturaustausch beitragen?
Zunächst ist es wichtig, dass westliche Leser zu verstehen beginnen, dass die einzelnen Sprüche und Dialoge aus den Gesprächen des Konfuzius nicht das Ziel haben, abstrakte Philosophie zu betreiben, sondern dass sie in die Lebenswelt des Konfuzius eingebettet waren und dass die Gespräche deshalb ein Lehrtext sind. Aus diesem kann man sehr viel über den zwischenmenschlichen Umgang im alten China lernen, der auch heute noch relevant ist. Ich glaube zum Beispiel, dass es falsch ist, wenn man „Menschlichkeit“ zu einer der Haupttugenden des Konfuzius erklärt. Das chinesische Wort „ren“, das oft mit „Menschlichkeit“ übersetzt wird, heißt viel mehr, und es ist wichtig, andere Bedeutungsschattierungen einzufangen. Oft geht es eher um Sensibilität im Umgang mit anderen, eine Sensibilität, die man lernen kann, und die zeigt, wie wichtig diese menschlichen Komponenten in der chinesischen Alltagskultur sind.
Wie kann Ihrer Meinung nach ein besseres Verständnis der philosophischen Lehren von Konfuzius dazu beitragen, allgemein das Verständnis zwischen Deutschland und China zu fördern?
Eine gute Kenntnis eines für die chinesische Kultur so zentralen Buches wie der Gespräche des Konfuzius sollte Voraussetzung für jeden sein, der viel mit China zu tun hat, denn daraus lernt man Grundlagen des chinesischen Denkens. Gerade deshalb ist es so wichtig gewesen, die Gespräche neu und anders zu übersetzen, als das in Deutschland und anderen Ländern europäischer Sprachen geschehen ist. Man muss die Übersetzung der Gespräche ein Stück weit „rücksinisieren“, damit ein besseres Gefühl sowohl für die Verschiedenheit als auch für die Gemeinsamkeit der Kulturen aufkommt.